Frisches Gemüse, Brot, Milchprodukte – nicht für alle Menschen in München sind diese Lebensmittel eine Selbstverständlichkeit. Viele können sich diese Dinge einfach nicht leisten. Hohe Mieten, Arbeitslosigkeit oder der Verlust des Partners sind nur einige Gründe für Hilfsbedürftigkeit. Die Essensausgabe der Münchner Tafel ist für viele Betroffene oftmals die einzige Möglichkeit, wenigstens einmal pro Woche an frische Nahrungsmittel zu kommen.
Vor einem Jahr eröffnete die Caritas in Neuforstenried in Kooperation mit der Münchner Tafel e.V. und dem Pfarrverband Fürstenried-Maxhof eine Ausgabestelle in der Pfarrei St. Matthias. Als der Startschuss fiel, berichtete der Sendlinger Anzeiger über das Projekt. „Wir hatten damals schon einen festen Stamm von zehn Helfern, waren aber noch dringend auf der Suche nach Unterstützung”, blickt Anna Berlinger vom Caritas-Zentrum zurück. „Nachdem der Artikel erschienen war, stand das Telefon bei uns nicht mehr still. Inzwischen haben wir 22 feste Helfer, die regelmäßig kommen.” Es gebe sogar eine Warteliste für die Ehrenamtlichen.
Einmal pro Woche wurden in der Pfarrei St. Matthias Lebensmittel verteilt. Jetzt ist die Ausgabestelle umgezogen. „Wir sind nun in der Pfarrei Wiederkunft des Herrn in der Allgäuer Straße 40”, sagt Anna Berlinger. „Dort haben wir einen größeren Raum zur Verfügung, in dem die Lebensmittel verteilt werden. Die Empfänger warten in einem anderen Raum und werden nach Nummern aufgerufen.” Das Gute sei, dass die Personen, die ihre Lebensmittel erhalten haben, den Raum durch eine andere Tür verlassen können. „Das war auch in unserer ersten Ausgabestelle so. Dadurch kommt man sich nicht in die Quere.” Draußen stehe ein Lkw, in dem die gekühlten Lebensmittel gelagert seien. „Hier kann man sich zum Beispiel Milchprodukte abholen, eben alles, was gekühlt werden muss”, so Berlinger. „Dieses System funktioniert sehr gut.” Die Nummern, nach denen die Empfänger aufgerufen werden, befinden sich in den Bezugsausweisen. „Damit es fair zugeht, werden die Nummern alle sechs Monate gewechselt. So erhält dann die Nummer 1 die Nummer 100 und so weiter.”
100 dieser Ausweise hat die Caritas inzwischen vergeben. „Damit versorgen wir 208 Personen”, sagt Anna Berlinger und nennt noch weitere Zahlen. „Davon sind 146 Erwachsene und 62 Kinder. Es kommen 15 alleinerziehende Mütter zu uns und 42 Senioren über 60 Jahre.” Zu den Tafelbesuchern gehörten auch Personen unter dem Rentenalter, die eine Grundsicherung erhalten, weil sie beispielsweise aufgrund psychischer Probleme nicht mehr arbeiten können. „Wir haben aber auch Berufstätige, die bei uns Lebensmittel bekommen, weil das Gehalt nicht ausreicht”, weiß Anna Berlinger.
Die Ausgabestelle in der Pfarrei Wiederkunft des Herrn ist jeden Mittwoch von 14 bis 15.30 Uhr geöffnet. „Wir sind dem Pfarrverband wirklich sehr dankbar, dass das so unkompliziert klappt”, sagt Anna Berlinger. Wer einen Ausweis möchte, kann sich mit ihr in Verbindung setzen. „Ich prüfe anhand des ALG II-Bescheids, des Grundsicherungsbescheids oder des Rentenbescheids und Mietvertrags die Bedürftigkeit”, sagt sie.
Kontakt Anna Berlinger: Mail an anna.berlinger@caritasmuenchen.de oder unter Tel. (089) 7591051.
Ulrike Thomas und Anton Schneider engagieren sich ehrenamtlich bei der Ausgabestelle der Tafel in Fürstenried. Wir befragten sie zu ihrem Einsatz und ihren Erfahrungen.
Seit wann engagieren Sie sich für die Tafel und wie kam es dazu?
Ulrike Thomas: Ich kenne die Münchner Tafel schon seit vielen Jahren und bin von dem Konzept sehr überzeugt. Da ich aber in den letzten fünf Jahren in der Familie mehrere Pflegefälle betreut habe, konnte ich mich bis letztes Jahr nicht persönlich engagieren. Als dann zuletzt meine Mutter im Jahr 2015 verstarb, hatte ich plötzlich wieder Zeit und davon wollte ich einen Teil in eine sinnvolle Aufgabe investieren. Genau zu diesem Zeitpunkt kam der Artikel im Sendlinger Anzeiger über den von der Caritas in Zusammenarbeit mit der Münchner Tafel geplanten Start einer neuen Tafel-Ausgabestelle in unserem Viertel. Als ich das las, musste ich keine Minute überlegen, ich wusste sofort, dass ich da mitarbeiten wollte. Ich bin also mit viel Freude von Anfang an dabei.
Anton Schneider: Ich bin auch von Anfang an bei der Tafel Fürstenried dabei. Also über ein Jahr. Als ich in Altersrente ging und Zeit hatte, dachte ich über eine sinnvolle ehrenamtliche Tätigkeit nach. Meine Wahl: Die Tiertafel München. Das ist eine sinnvolle Einrichtung, die Menschen hilft ihre geliebten Tiere mit Nahrung zu versorgen und nach Bedarf und Möglichkeit Tierarztkosten übernimmt. Leider ist die Ausgabestelle zu weit von meiner Adresse entfernt. Im Sendlinger Anzeiger las ich von einer neuen Tafeleröffnung in meinem Wohngebiet. Ich bin überzeugt davon, dass es gerade in heutiger Zeit wichtig ist, etwas für andere zu tun.
Welche Erfahrungen machen Sie bei Ihrem ehrenamtlichen Einsatz?
Ulrike Thomas: In meinem Berufsleben war Hierarchie immer ein Thema. Jetzt durfte ich erfahren, dass ein bunter Haufen untereinander unbekannter Menschen, die aber alle in die gleiche Richtung denken, wunderbar zusammen arbeiten können und alles gut funktioniert! Jeder Mitarbeiter hat seinen Platz gefunden, in dem er sein Bestes geben und leisten kann, alle ziehen an einem Strang und heraus kommt etwas Wunderbares, das fasziniert mich sehr. Es ist schön zu erleben, wie viel man gemeinsam schaffen kann, wenn alle wollen und sich niemand profilieren muss. Die meisten unserer Gäste kenne ich schon von Anfang an und es ist ein sehr großes Geschenk, wenn auf einmal der eine oder die andere ein Lächeln zeigt, wo am Anfang in den Augen nur Kummer und Verzweiflung zu sehen waren. Durch das in den Gesprächen Anvertraute kann ich manchmal nur erahnen, was für ein hartes Schicksal dieser Mensch hat und es ist ein sehr gutes Gefühl, dass durch unsere Arbeit bei der Tafelausgabe das Leben dieses Menschen und evtl. seiner Familie vielleicht ein klein wenig erleichtert wird. Einen größeren Sinn kann unsere Aufgabe nicht erfüllen und daher resultiert bei mir auch das Gefühl, dass ich die Beschenkte bin, ich bekomme selber viel mehr, als ich geben kann. Meinem Mann und mir war schon immer sehr bewusst, wie gut wir es haben, jeden Tag stehe ich mit einem Gefühl großer Dankbarkeit auf. Durch die Arbeit bei der Tafel ist dieses Bewusstsein aber noch konkreter geworden, ich musste noch nie Krieg, Flucht, Folter oder Hunger und Durst erleiden. Die meisten von uns können sich doch wirklich glücklich schätzen, in was für einem sicheren und reichen Land wir leben dürfen. Wie schnell ist man dabei, das Verhalten eines Menschen zu verurteilen, ohne zu wissen, was dieser Mensch durchmachen musste und warum er sich jetzt so verhält.
Anton Schneider: Neue Leute, die zur Ausgabestelle kommen, kommen nicht ohne Grund, sie sind meist schüchtern, verlegen, sehr ruhig und traurig. Spätestens nach der dritten Woche kommen sie aber fröhlich, lustig und mit einem Lächeln, manche erzählen auch private Dinge, etwa wie es ihnen und ihrer Famile geht, über Kinder und eventuell Krankheit. Wir möchten ihnen ihre Würde geben. Mensch ist Mensch.
Wieviel Zeit investieren Sie monatlich ungefähr in Ihr Ehrenamt?
Ulrike Thomas: Außer bei der wöchentlichen Ausgabe helfe ich noch bei den Sonderaktionen der Münchner Tafel, das sind die Spendenaktionen bei Rewe, Lidl usw. Für mich ist es aber auch wichtig, dass ich neben der Zeit für das Ehrenamt auch noch Zeit für Familie, Freunde, meinen Sport und den Garten habe - eine gesunde Mischung eben.
Anton Schneider: Etwa drei Stunden jede Woche, die auch einen Ehrenamtlichen bereichern.
Wie wichtig ist das Ehrenamt für unsere Gesellschaft? Erfährt es genug Anerkennung?
Ulrike Thomas: Das Ehrenamt ist sehr wichtig für unsere Gesellschaft, in vielen Bereichen würde es nicht so gut laufen, oder überhaupt nicht laufen, wenn es nicht die Ehrenamtlichen gäbe. Der Ehrenamtliche engagiert sich, weil er sich dazu entschlossen hat, er muss nicht, er will. Dadurch gibt es in manchen Bereichen wesentliche personelle Entlastungen, aber auch mehr Menschlichkeit in unserer oft doch sehr auf Profit ausgerichteten Gesellschaft, das sollte man meiner Meinung nach auch nicht unterschätzen. Ob das Ehrenamt genug Anerkennung erfährt, kann ich nicht sagen. Für mich persönlich ist es Anerkennung genug, wenn ich die Dankbarkeit und Freude in den Augen unserer Gäste sehe, ein schüchternes Danke höre, die mit Stolz gesprochenen ersten deutschen Worte höre, ein Glas sebstgemachte Marmelade, einen kleinen bemalten Stein, oder ein Bonbon als Geschenk erhalte – was kann es Schöneres als Anerkennung geben?
Anton Schneider: Für unsere Gesellschaft sind Menschen die ehrenamtlich etwas tun, enorm wichtig, da der Staat sonst nicht so funktionieren würde. Anerkennung für Organisationen finde ich wichtig, auch sollten Medien immer wieder berichten, denn nicht nur Negatives sollte Beachtung finden.