Veröffentlicht am 03.04.2017 10:31

Kindheit und Jugend in Allach


Von Walter G. Demmel
Bild 3 (Foto: Stadtarchiv, Veränderung Demmel)
Bild 3 (Foto: Stadtarchiv, Veränderung Demmel)
Bild 3 (Foto: Stadtarchiv, Veränderung Demmel)
Bild 3 (Foto: Stadtarchiv, Veränderung Demmel)
Bild 3 (Foto: Stadtarchiv, Veränderung Demmel)

Auf dem Schulweg: Wie in Teil 1 berichtet, erlebte mein Zeitzeuge seine ersten drei Schuljahre in der damals einzigen Allacher Volksschule an der Hauptstraße (Eversbuschstr. 182) nahe St. Peter und Paul. „Frei und unbeschwert von jenem heute die Kinder plagenden Problemen des Schulbesuchs waren wir damals, spielten, balgten und rauften und waren als Schulkinder nur (!) von der Armut betroffen, die in Deutschland überall herrschte. Wir hatten alle einen weiten Schulweg. Etwa einen Kilometer von der Südenstraße (Vesaliusstraße) bis zur Schule mußten wir tagtäglich zurücklegen.“ Der Schulweg war allerdings nicht gefährlich, da es in Allach kaum Autoverkehr gab, und wenn schließlich ein Lastwagen – meistens ein Bierlaster – auf dem holprigen Pflaster daherkam, blieben alle Kinder stehen und bestaunten ihn.

Kinder und Politik: Politik und Parteien der 30er Jahre beschäftigten auch die Allacher Kinder, aber nach ihren Vorstellungen. Man kannte die „Dreipfeiler“, das waren die Sozis, die Kommunisten begrüßten sich mit „Rotfront“, die Deutschnationalen schienen harmlos, aber die Hitlerleute oder Nazis waren sicher eine kämpferische Partei. „Wir Kinder machten das oft nach, geballte Faust, Hitlergruß, und horchten auf die Lieder, die sie sangen. Überhaupt sangen sie alle, und jede Partei hatte ihre Lieder.“ Höchst interessant, was die Kinder und Heranwachsenden so beobachteten, weil das Singen meistens in den Wirtschaften geschah, wo die Parteien ihre Versammlungen abhielten, so beim Naßl-Wirt, im Würmtalhof oder beim Wagner. Die davorstehende Allacher Jugend sah plötzlich Lastwagen daherkommen, von denen Männer absprangen und ins Lokal stürmten, eine heillose Rauferei anzettelten und mit aller Gewalt aufeinander losprügelten, bis es blutige Köpfe gab oder die herbeigerufene Polizei die Kämpfenden trennte. Die jungen Knaben waren aus der Ferne davon tief beeindruckt und erzählten sich noch am nächsten Tag die wildesten Schauergeschichten. Aber warum das alles geschah, verstanden sie noch nicht, und die von den Krauss-Blöcken, da wohnten viele Kommunisten, wußten es am nächsten Tag genauer.

Der 30.01.1933: Er wird als Tag der Machtübernahme Adolf Hitlers bezeichnet, am 01.02.1933 löste Hindenburg, der Hitler ernannt hatte, den Reichstag auf. In den folgenden, vom nationalsozialistischen Terror beherrschten Wochen wurden alle politischen und demokratischen Rechte eingeschränkt. Die Viertklässler in Allach sahen das so: „Ja, da war dann auch der Lichtmeßtag 1933, an dem wir uns am Morgen um halb acht Uhr durch halbmeterhohen Pappschnee in Reihe hintereinander – der Schneepflug fuhr in der Wiedwegstraße immer erst später – in die Schule durchkämpften. Ich kann mich an diesen Tag noch genau erinnern. Der F. Franzl sagte zu mir: ‚Heut Nacht ist die Polizei gekommen und hat den – er nannte die Namen von einigen Männern, die in den Kraussblöcken wohnten – verhaftet. Der Zeiserlwagen war da und hat sie mitgenommen‘.” Weiteres ist nebenstehendem Text und Bildern zu entnehmen (Bild 2).

Wie ich früh zur Hitlerjugend kam“: Einige seiner Mitschüler aus gut christlichem Elternhaus waren in der Deutschen Jugendkraft (DJK). Dort lernte man vor allem Volks- und Wanderlieder, trieb Sport und Spiele und ging an Wochenenden und in den Ferien zum Wandern. Man war also „gut aufgehoben“. Die Kinder der Gegend um den Wiedweg hatte viele Spielgelegenheiten und nahmen sie auch auf der für Kinder und Jugendliche idealen Krauss-Block-Wiese wahr. Diese zog sich früher von südlich der ersten vier Krauss-Maffei-Wohnblöcke von der Bahnhofs-Kiesgrube bis zur Wiedwegstraße, welche in Untermenzing an die Kirschstraße anschloss.

Im Sommer 1933 gab es etwas ganz Neues, wie man von seinen Spezln erfuhr, die schon mehrfach am Mittwochabend bei der „Hitlerjugend“ in der wegen der Wirtschaftskrise stillgelegten Hufeisenfabrik (Bild 3, Allach 1938) waren. Das war da, wo später die Firma Junkers-Motoren-Werke, an der heutigen Schöllstraße, gebaut wurde. Dort hielt die Hitlerjugend Appell, d.h. es wurde exerziert und im Anschluss daran sang man „Lieder“. Sie waren mehrere Neugierige, der R. Fridolin, der T. Rudi, der M. Kare von den Waltenberger Häusern, der H. Heinz und etliche andere. „Natürlich war auch der clevere F. Franz, der uns von Ordnung als oberstem Gebot, von der Uniform und der Armbinde mit dem Hakenkreuz der Großen erzählte, von Anfang an dabei.”

Und was er erlebte: Also wollte unser junger Mann auch mit hin. Mutter und Vater mussten gefragt werden. Die Mutter hatte nichts dagegen, beharrte jedoch auf das „9 Uhr Zuhause“, der Vater war immer schon für militärische Ordnung eingetreten. Im Folgenden schildert mein Gewährsmann den von den Jungen sehnlichst erwarteten Abend in aller Ausführlichkeit. Zum Abschluss wurden, nach einem „Stillgestanden“ mit einem dreifachen „Sieg Heil-Ruf“, alle nach Hause geschickt mit der Aufforderung, sich bis zum nächsten Mal eine HJ-Armbinde zu besorgen. So kam er schnell zur Hitlerjugend.

Im Sommer 1935 veranstaltete die HJ, wie schon 1933 und 1934 ein großes dreiwöchiges „Hochlandlager“ (Bild 4) im Gebiet zwischen Königsdorf und Bad Tölz mit über 20 Zeltplätzen, im Zentrum die Hakenkreuzfahne. Noch heute gibt es für Kinder und Jugendliche die „Jugendsiedlung Hochland“.

„Im Hochlandlager, wie es sich nannte, waren wir Buben vom Jungvolk unter uns. Kein Erwachsener war dabei, und natürlich auch keine Mädchen… Wir Jungen waren von den anderen Zeltlagern begeistert und ich ging als Elfjähriger natürlich gerne dorthin, mein Elternhaus vermißte ich wirklich nicht…. Es war als richtiges Landsknechtlager aufgemacht – und den Landsknechten des Mittelalters eiferten wir tatsächlich nach.“

Hitlers „Gesetz über die Hitlerjugend“ (Bild 5) von 1936 zeigte dann die wahren Ziele dieser Erziehung auf.

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