Der Mensch lernt sein Leben lang. Dann, am Ende des Lebens, muss er auch noch das Sterben lernen. Vielleicht der schwierigste Unterricht überhaupt – für den Schwerkranken, aber auch für dessen Angehörige und Ärzte. Einen guten Tod wünscht sich jeder. Sich zu Lebzeiten mit dem Sterben auseinandersetzen ist den Meisten dennoch fremd. Über das Sterben nachzudenken ist schmerzhaft, aber nötig.
Gian Domenico Borasio erleichtert den Zugang zum Thema mit seinem 2011 erschienenen Buch „Über das Sterben – was wir wissen, was wir tun können, wie wir uns darauf einstellen”. Borasio ist Inhaber des Lehrstuhls für Palliativmedizin an der Universität Lausanne in der Schweiz und Lehrbeauftragter für Palliativmedizin an der Technischen Universität München. Außerdem ist er einer der führenden Palliativmediziner Europas. In „Über das Sterben” schildert er nüchtern und objektiv, wie Sterben eigentlich aussieht.
Sterben betrifft uns alle – genau wie die Geburt. Anders als über diese, ist über das Sterben wenig bekannt. Borasio erklärt Hirntod und Organtod und erläutert, dass die Natur, wie für die Geburt, auch für das Sterben natürliche Vorkehrungen getroffen hat, in die Medizin und Ärzte zunehmend häufiger eingreifen. Borasio strukturiert das Sterben, er erläutert, welche Wünsche die Menschen für ihr Lebensende haben und wie konträr die Realität aussieht. „Über das Sterben” erzählt, was Menschen am Lebensende brauchen und wo Probleme liegen. Aus der eigenen Familie kennt jeder das beredete Schweigen, das sich über den Tisch senkt, wenn Themen wie Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung angesprochen werden. Borasio unterstreicht die immense Bedeutung beider Dokumente. Der Autor ist ehrlich, ohne rau zu werden, er klärt über das individuelle Sterben jedes Einzelnen auf und betont, dass nur Kommunikation und der Abbau von Tabus dem Schwerkranken einen guten Tod ermöglichen.
Borasio stellt die Bedeutung der Palliativmedizin heraus: Wer im Sterben begleitet und umsorgt wird, wer Beistand erfährt, geht leichter. Wessen Seelsorger, wessen Angehörige es verstehen, dem Patienten Ängste zu nehmen, der findet Frieden und behält Würde. „Über das Sterben” präsentiert Fakten, die ein jeder kennen muss, um sich und seinen Angehörigen einen selbstbestimmten Tod zu ermöglichen. Zugleich schafft das Buch mit weichen Themen wie Kommunikation oder richtiger Sterbebegleitung einen Zugang zum Thema. Dabei wirkt Borasio nie distanzlos, nie hart.
Er lässt seinen Leser nicht allein und gibt ihm am Ende seines Buches mit einer Übersicht nützlicher Websites eine weitere Sicherheit an die Hand. „Über das Sterben” trägt einen nüchternen, treffenden Titel ohne unnötige Beschönigungen und umschreibende Prosa. Wie der Titel ist das Buch: intim, ehrlich, detailliert, aufrüttelnd und immer hilfreich.