Veröffentlicht am 25.10.2016 09:16

Das bedeutet mir Allerheiligen

Im Waldfriedhof kann man Natur erleben und besinnliche Stunden verbringen. (Foto: eis)
Im Waldfriedhof kann man Natur erleben und besinnliche Stunden verbringen. (Foto: eis)
Im Waldfriedhof kann man Natur erleben und besinnliche Stunden verbringen. (Foto: eis)
Im Waldfriedhof kann man Natur erleben und besinnliche Stunden verbringen. (Foto: eis)
Im Waldfriedhof kann man Natur erleben und besinnliche Stunden verbringen. (Foto: eis)

In unserem Newsletter vom 19. Oktober haben wir unsere Leser gefragt, ob der Feiertag Allerheiligen für sie noch eine Bedeutung hat und ob es diesbezüglich Traditionen in der Familie gibt. Hier sind Auszüge aus den Antworten:

Hilde Gotsmich: „ Für meine beiden Geschwister und mich hat der Tag seit Kindheit nie an Bedeutung verloren. Wir fahren, wenn es möglich ist, immer alle drei zum Elterngrab nach Burghausen und freuen uns, wenn wir Schulkameraden, Bekannte oder frühere Nachbarn treffen. Und das seit über 50 Jahren!”

Jens Brosinski: „ Bei uns trifft sich die Familie, um zu den Gräbern der Angehörigen zu gehen. Danach wird der Tag zusammen verbracht.”

„Alte Götter zu Heiligen umfunktioniert”

Thomas Zachmayer: „ Ich bin ein regelrechter Fan von Allerheiligen. Ist dies doch eines der christlichen Feste, wo beinahe alles zusammen kommt: Ägyptische, römische, germanische, keltische und christliche Gottheiten und „Heilige” werden an diesem Tag geehrt. Wie das? Ganz einfach: Als Heidentum und Christentum vermischt wurden, erhielt manchmal ein Heiliger einen ähnlich klingenden Namen wie der heidnische Gott oder die Göttin, den oder die er ersetzte. Die Göttin Viktoria, die im französischen Alpenvorland angebetet wurde, heißt nun St. Victoire, Cheron wurde in St. Ceranos umbenannt, Artemis wurde zu St. Artemidos, Dionysus zu St. Dionysus usw. Die Göttin Brighit, die als die Tochter des Sonnengottes angesehen und die mit einem Kind in ihren Armen dargestellt wurde, wurde einfach zur 'Heiligen Brigitte' umbenannt. Dies sind nur ein paar Beispiele, wie die katholische Kirche einfach alte Götter zu Heiligen umfunktionierte. Damit konnten die ehemaligen Heiden weiter ihre Gottheiten anbeten - nur dass sie halt jetzt katholische Heilige waren. Ich finde es von daher sehr spaßig, dass die Katholiken im Jahre 2016 zum Teil jahrtausend alten Gottheiten huldigen - ohne mit der Wimper zu zucken. Aus diesem Grund finde ich Allerheiligen sehr wichtig! Möge die Aufklärung ihr Werk vollenden!”

„Das Herz wird schwer”

Angela A.: „ Ich denke, dass Allerheiligen beides sein kann. Wenn der Verlust des geliebten Menschen bereits etwas länger her ist, kann es ein verbindliches Zusammenkommen der Familie sein, bei dem über längst Vergangenes und Aktuelles geredet und vielleicht auch gelacht wird. Wenn jedoch erst etwas Schlimmes passiert und der Tod erst kürzlich passiert ist, dann denke ich 'zieht dieser Tag die Angehörigen auch nochmal extrem runter' und das Herz wird schwer. Es erlebt jeder Mensch eine eigene Gefühlssituation. Schlimm finde ich es aber, wenn so mancher den Tag nur noch als 'Friedhofsrallye' bezeichnet.”

„Hoher Stellenwert”

Christa Hoffmann-Posluszny: „ Für mich haben solche Gedenktage einen hohen Stellenwert, obwohl ich wöchentlich unser Familiengrab besuche. Meine engere Familie ist leider schon verstorben. Ein Großvater ist in Görlitz 1945 begraben worden (starb ein Tag vor der Flucht), das Grab wird von mir noch aufrechterhalten und immer noch besucht wenn ich nach Polen fahre. Ich bin als Auslandsdeutsche 1943 in Polen geboren, 1945 sind meine Eltern geflüchtet und wir haben noch Verwandte, die in Polen wohnhaft sind. Wir besuchen uns immer noch gegenseitig. Mütterliche Großeltern samt Tante sind in Frankenberg/Sachsen verstorben, sie sind nach der Flucht dort sesshaft geworden, das Grab existiert nicht mehr. In der Zeit der DDR bin ich wegen eines Grabbesuches von den vorgeschriebenen Transitstrecken abgewichen, hab jedes Mal damit einen Gefängnisaufenthalt riskiert. In Polen existieren noch die Gräber meiner Schwiegereltern und auf dem deutschen Friedhof in Lodz/Polen meiner mütterlichen Vorfahren. Habe diese auch schon besucht. In München sind meine Eltern, eine Großmutter und Ehemann begraben, 200 m entfernt liegt das Grab des Bruders meines Vaters mit Ehefrau. Früher war der 1. November auch der Auftakt für die Wintersaison, um die Pelze auszuführen. Schon allein deshalb war das für viele Frauen ein Event. Heute sind Pelze nicht mehr sehr akzeptiert und die Witterung lässt eher Frühlingsgefühle aufkommen. Obwohl evangelisch, haben wir anfänglich noch an diesem Tag der Toten gedacht, dann haben wir uns dem bayrischen Gedenktag angeschlossen.”

„In keiner Weise verloren gegangen”

Maria Jahn: „ Ich hoffe, es schreiben Ihnen richtig viele Trauernde und Bürger aus München eine deutliche Meinung zu Ihrer unsensiblen/unchristlichen Umfrage. Die kirchliche Tradition ist am 1.11. in keiner Weise in Bayern verloren gegangen. Über viele Jahrhunderte galt Allerheiligen nur den Heiligen in der katholischen Kirche. Allerseelen (2.11.) war der genaue (abgeschaffte) Feiertag, um an verstorbene Angehörige, Freunde, Nachbarn, etc. besonders zu denken/für diese zu beten. Längst ist das Toten-Gedenken zusammengefasst auf den 1.11. Im Zeitalter der Ökumene gibt es am 1.11. mittlerweile verschiedenste Feierlichkeiten für Verstorbene in den Kirchen und auf den Friedhöfen – nicht mehr nur für Katholiken.

Ich bete mit Familie an Allerheiligen für meinen erst vor 5 Monaten verstorbenen Vater und finde es einfach schrecklich, dass am 31.10. überall in der Stadt Partylaune wegen Halloween herrscht und viele junge Leute den 1.11. nur noch dringend zum Ausschlafen zu nutzen wissen. Schlimm ist vor allem, dass Gläubige den 31.10. und den 1.11. nicht mehr besinnlich/still genug begehen können aufgrund Halloween bzw. der diversen Halloween-Folgen. Ich gehe in den feierlichen Gottesdienst in unserer Pfarrgemeinde und bin gerade schon dabei (rechtzeitig vor Allerheiligen) mit meinen Geschwistern das Grab unserer Eltern und Großeltern zu schmücken. Danach ist der Gang zum Friedhof und die Veranstaltung samt Gräbersegnung ein wichtiges Ritual an Allerheiligen; eine einzigartige spirituelle Stimmung auf Friedhöfen, die bei uns in keiner Weise an Bedeutung verloren hat und durch nichts und niemand gestört werden sollte. Traurig ist (nicht nur an Allerheiligen) die Vielzahl an ungepflegten Gräbern in unserer oberflächlichen Welt.

Halloween sollte meines Erachtens in Deutschland unbedingt an einem neutraleren anderen Tag abgehalten werden, damit am 31.10. und 1.11. Stille im Ort herrscht. Vielleicht schreiben Sie darüber mal? Es passt nicht zusammen, dass man am 31.10. abends/nachts und 1.11. frühmorgens als Christ sich erst mal damit beschäftigen muss, die immer dreister werdenden Zerstörungen durch Halloween zu melden bzw. zu beseitigen.”

Früher schlimm, heute schön

Evelyn Salerno: „ Allerheiligen war für mich als Kind ein jährlich wiederkehrender Alptraum. Damals lag am 1. November meistens schon Schnee und so harrte man zähneklappernd in viel zu dünnen Stiefelchen vor dem Familiengrab aus und wartete darauf, dass der Pfarrer und die Ministranten Weihwasser spritzend und Weihrauch schwenkend die Gräber segneten. Auch heute gehe ich noch zum Gräberumgang, damit unser Familiengrab nicht so verwaist ausschaut. Gott sei Dank ist der Tag mittlerweile oft freundlich und herbstlich warm, so dass man die Stunde auf dem Friedhof genießen kann. Man trifft Verwandte und alte Bekannte, ratscht, begutachtet die schön herausgeputzten Leute und lässt sich die Sonne auf den Kopf scheinen. Nur meine Kinder und Enkelkinder zwinge ich nicht, an diesem kirchlichen Fest teilzunehmen. Ich bin froh, dass sie freiwillig häufig ans Grab gehen und der Uromi selbstgebastelte Kreuze und Kerzen bringen.”

„Verblödelte Form”

Stefan Hartmann: „ Allerheiligen und der dazugehörige Totenkult haben sich aus der Tradition der Kirche entwickelt, haben aber nichts mit dem Bild von Christentum zu tun, das uns das Neue Testament vorzeichnet - im Gegenteil. Somit ist es aus christlicher Sicht nicht schade drum, wenn Allerheiligen an Bedeutung verliert. Bedenklich ist aber, dass der einmal ernst gemeinte Toten-Gedenktag immer mehr durch seine amerikanisch verblödelte Form unter dem Namen Halloween ersetzt wird.”

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