Die Lebensumstände unserer Urgroßeltern haben sich in der Regel nicht allzu sehr von denen unserer Großeltern unterschieden. Längst aber ändern sich in immer engeren Takten Lebensumfelder, technische Möglichkeiten und soziale Einflüsse. Nie zuvor klafften die Ausgangsbedingungen und in der Folge die angesammelten Lebenserfahrungen der Generationen so weit auseinander wie heute: Unsere Eltern wurden in eine vollständig anders gestaltete Welt hineingeboren als unsere Kinder.
An technischen Veränderungen (wie denen des Telefons) lässt sich dieser Wandel besonders gut ablesen. In allen Lebensfeldern sind tiefgreifende Veränderungen spürbar. Der im Abschmelzen der Bevölkerungspyramide sichtbar werdende demographische Wandel (mit all seinen Folgen von Fachkräftemangel bis Altersarmut) ist die augenfälligste und vielleicht am meisten Angst machende davon.
Lange funktionsfähige Strukturen wie die klassische Familie oder die traditionelle Rollenverteilung unter den Geschlechtern, die die Gesellschaft über Jahrzehnte stabilisiert haben, sind zerbrochen, ohne dass es gelungen wäre, sich auf tragfähige neue Formen des Miteinanders zu einigen.
In einer Welt, die sich von überholten Dogmen gelöst hat und in der alles machbar und jeder Weg offen scheint, wächst die Unsicherheit. Die unüberschaubare Vielzahl an Perspektiven und an - unter großen Opfern erkämpften - persönlichen Freiheiten erschweren auf der anderen Seite die Orientierung. Sie stellt uns ständig vor große Herausforderungen und verlangt immer wieder, Grundsätzliches neu zu bewerten und zu entscheiden.
In dieser Situation finden sich alle Generationen mit ihren sich oft widersprechenden Erfahrungen und Perspektiven, Ängsten und Hoffnungen wieder. Gleichwohl haben sie alle zusammen für den weit überwiegenden Teil der Bevölkerung eine zuvor kaum denkbare Lebensqualität erreicht. Dieser hohe Standard und die soziale wie politische Stabilität sind in einer Zeit, in der die Gesellschaft an vielen Stellen brüchiger zu werden scheint, ohne den Zusammenhalt der Generationen nicht zu bewahren.
Die Aufgabe, von unterschiedlichen Standpunkten aus und mit entgegengesetzten Blickrichtungen zueinander zu finden, ist indes weder für die junge noch für die alte Generation neu. Bekannt ist die Sokrates zugeschriebene und seit über zwei Jahrtausenden erhobene Klage über eine „respektlose” Jugend. Umgekehrt finden sich nur höchst selten Jugendliche, deren erklärtes Lebensziel ist es ist, wie die eigenen Eltern zu werden.
Gelingen kann die fundamentale Aufgabe, dennoch – sie ist es millionenfach, seit Menschen Kinder bekommen und großziehen. Wie, das erzählt Mark Twain: Zu ihm kam ein 17-Jähriger, der über seinen Vater klagte. „Ich verstehe mich nicht mit ihm. Es gibt jeden Tag Streit. Er ist starrsinnig.” Twain antwortete: „Ich kann Sie gut verstehen. Als ich 17 Jahre alt war, war mein Vater genauso starrsinnig. Aber haben Sie Geduld mit so alten Leuten. Nach zehn Jahren, als ich 27 war, da hatte er schon so viel dazugelernt, dass man sich ganz vernünftig mit ihm unterhalten konnte. Und wenn ich heute, wo ich 37 bin, manchmal keinen Rat weiß, frage ich manchmal meinen alten Vater. So können die sich ändern!”
Wenn Alt und Jung zusammenhalten, muss sich niemand vor gesellschaftlichen Herausforderungen oder familiären Veränderungen fürchten. Dann darf sich jeder darauf verlassen: Du bist nicht allein!
Das möchten wir in dieser Schwerpunktausgabe zeigen. In diesem Samstagsblatt und den folgenden Ausgaben über die Feiertage und den Jahreswechsel stellen wir die Ansichten der verschiedenen Generationen zu 25 besonders wichtigen Themen zusammen. Wir lassen viele Menschen zu Wort kommen, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Alt und Jung verständlich machen.
Dieses „Generationen füreinander” wird zudem unser redaktioneller Schwerpunkt 2017 sein, in dem wir über viele Beispiele aus den Nachbarschaften, Vierteln und Gemeinde berichten werden, wie dieses Füreinander auch in einer vorgeblichen „Single-Stadt” tagtäglich funktioniert.
Hier geht es weiter:
In unseren Generationen-Ausgaben schildern Vertreter der drei verschiedenen Alterssstufen, wie sie die Dinge sehen. Hier gelangen Sie zu allen 21 Themen von Ehe bis Medien, vom Sterben bis Datenschutz.
Zwischen den Generationen gibt es gewaltige Unterschiede, aber eben auch viele Gemeinsamkeiten. Zahlen und Statistiken belegen dies. Ein viel greifbareres Bild von Entwicklungen und Übereinstimmungen zeigen jedoch die Antworten „echter Menschen” auf ganz alltägliche Fragen.
Die Münchner Wochenanzeiger haben ihren Lesern vom achtjährigen Grundschüler bis zur 84-jährigen Rentnerin dieselben 32 Fragen gestellt. Lesen Sie ihre Antworten hier!