Veröffentlicht am 01.06.2015 09:06

„Es muss immer wieder jemanden geben, der neugierig ist und etwas wagt”


Johannes Beetz
Johannes Beetz
Chefredakteur
seit 1999 bei der Gruppe der Münchner Wochenanzeiger
Mitarbeit im Arbeitskreis Redaktion des Bundesverbands kostenloser Wochenzeitungen (BVDA)
Gewinner des Dietrich-Oppenberg-Medienpreises 2017 (Stiftung Lesen)
„Wir brauchen vielleicht eine neue Einstellung!” Dr. Richard Musil, Oberarzt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU. (Foto: job)
„Wir brauchen vielleicht eine neue Einstellung!” Dr. Richard Musil, Oberarzt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU. (Foto: job)
„Wir brauchen vielleicht eine neue Einstellung!” Dr. Richard Musil, Oberarzt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU. (Foto: job)
„Wir brauchen vielleicht eine neue Einstellung!” Dr. Richard Musil, Oberarzt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU. (Foto: job)
„Wir brauchen vielleicht eine neue Einstellung!” Dr. Richard Musil, Oberarzt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU. (Foto: job)

Wer wagt, gewinnt? Über Risiken und Sicherheit sprach Johannes Beetz mit Dr. Richard Musil, Oberarzt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU.

Bindung macht Kinder sicher

Warum gehen manche Menschen ohne viel nachzudenken große Risiken ein, während andere sich selbst bei banalen Dingen nur schwer entscheiden können?

Richard Musil: Das hängt von vielen Faktoren ab: Alter, Geschlecht, genetische Faktoren, familiäres und soziales Umfeld. Wenn wir durch unsere Eltern eine sichere Bindung haben, können wir uns mehr zutrauen und entwickeln eine größere Bereitschaft, Dinge auszuprobieren. Gelingt diese Bindung nicht so gut, sind wir vielleicht eher ängstlich und zurückhaltend. Klappt sie gar nicht, kann es sein, dass man sich ständig ausprobieren muss und man eher in extremem Maß waghalsig wird.

Frauen: „Besser vorbereitet”

„Frauen sind besser vorbereitet und überschätzen sich nicht so schnell. Sie überprüfen ihre Fähigkeiten und erreichen die Ziele, die sie sich vornehmen”, meinte der Bergsteiger Ralf Dujmovits nach dem Tod von elf Kletterern einer Himalaya-Expedition 2008. In solchen Extremsituationen verlieren – relativ – mehr Männer als Frauen ihr Leben. Sie haben ebenfalls angesprochen, dass Frauen und Männer unterschiedlich mit Risiken umgehen.

Richard Musil: Diesen Unterschied gibt es auf jeden Fall. Studien zeigen durchgehend, was Verkehrsunfälle, Drogen, Alkohol, gesundheitsgefährdentes Verhalten angeht: Männer sind immer einen Tick risikobereiter. Die Frauen haben zumindest hier im Westen stärker aufgeholt, aber die Männer sind in ihrem Verhalten immer ein bisschen riskanter.

Männer: „Immer noch einen Schritt weiter”

Kann man das erklären?

Richard Musil: Das kann man nicht wirklich in einem Satz. Es gibt hormonelle Einflüsse und das hat Auswirkungen auf das Temperament, was eine wesentliche Rolle spielt. Es gibt sozial typisch männliches und typisch weibliches Verhalten. Männer wollen oder müssen sich in ihrer Peer Group vielleicht anders beweisen, sie haben mehr Imponiergehabe und versuchen, immer noch einen Schritt weiter zu gehen - um zu zeigen, wer im Endeffekt der Tollste, der Stärkste ist. Ich denke, das ist evolutionär und gesellschaftlich bedingt.

„Wir wollen unsere Grenzen kennenlernen”

Und wie wirkt sich das Alter aus? Sind Jugendliche tatsächlicher risikiofreudiger als Erwachsene, wie es Unfallzahlen nahelegen?

Richard Musil: Jugendliche sind gefährdeter. Die meisten Studien dazu gibt es zum Straßenverkehr und da müssen junge Erwachsene ja auch ganz andere Versicherungsprämien zahlen. Sie sind zum einen noch nicht so erfahren, aber eben auch nochmal risikofreudiger.

Wir wollen und wir müssen uns in unserer Entwicklung ja erst einmal ausprobieren: Wir wollen in unserer Kindheit und Jugend unsere Grenzen kennenlernen. Mit zunehmendem Alter wissen wir, wo sie liegen, und können uns entspannter verhalten.

„Scheitern” hängt von der Bewertung ab

Gewisse Wagnisse einzugehen ist also unverzichtbar für unsere Entwicklung - müssen wir dabei auch scheitern dürfen?

Richard Musil: Es scheint, dass wir Menschen in unserer Entwicklung einen Vorteil hatten, weil wir Sachen ausprobiert und besser oder schlauer gemacht haben als die Wesen um uns herum. Es gab immer einen, der etwas Neues gewagt und so Neues erschlossen hat. Wäre Kolumbus nicht bereit gewesen, über das Meer zu fahren, hätten wir Amerika nicht „entdeckt”.

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