Gemeinsam lernen bringt alle weiter: Diese Erfahrung hat die Luise-Kiesselbach-Grundschule gemacht. Mit dem Schuljahr 2010/11 wurde diese inklusive Grundschule unter dem Dach des ICP für 60 Kinder eröffnet. In vier kleinen Klassen (für jede Jahrgangsstufe eine) werden jeweils 15 Kinder unterrichtet - immer fünf von ihnen mit Förderbedarf.
Kleine Klassen, viel Personal, intensives Betreuung und eine funktionierende Nachmittagsbetreuung: Dieses Konzept hat sich als erfolgreich erwiesen, freut sich Dr. Hans Beyrle (er ist der Vorstandsvorsitzender der Stiftung ICP, deren gemeinnützige Tochter IKF Integrative Kinderförderung die Grundschule trägt). Die Übertrittsquote belegt den Erfolg mit Zahlen: Als zum Ende des Schuljahres 2013/14 die ersten 15 Viertklässler die inklusive Schule verließen, die dort auch eingeschult worden waren, konnten acht von ihnen auf weiterführende Schulen wechseln. „Das sind tolle Resultate”, so Beyrle, „ich habe Respekt vor dem, was Schüler, Eltern und Lehrer geleistet haben - alle arbeiten zusammen!”
Doch es gibt ein Problem: Die Grundchule ist staatlich genehmigt (sonst hätte sie den Unterricht gar nicht aufnehmen können), aber nicht staatlich anerkannt. In der Regel bekommt eine private Schule diese Anerkennung, wenn sie zwei „Abschlussjahrgänge” vorweisen kann. Im Sommer wird auch an der Luise-Kiesselbach-Grundschule dieser zweite Jahrgang seine Zeugnisse in Händen halten - die Anerkennung ist trotzdem fraglich.
„Unser Ziel ist, diese Anerkennung bald zu bekommen”, so Dr. Beyrle. Das Kultusministerium hat jedoch signalisiert, dass es im Fall der ICP-Schule noch einen dritte Jahrgang abwarten will. Grund sind ausgerechnet die kleinen Klassenstärken, die sich für den Lernerfolg der Kinder als so vorteilhaft erwiesen haben. Mit zwei „Abschlussjahrgängen” kann die ICP-Stiftung jedoch den Erfolg von „nur” 30 Kindern belegen, andere Privatschulen mit 25 Kindern je Klasse können auf 50 Schüler verweisen. Eine ähnliche Vergleichszahl erwartet das Ministerium aus dem ICP.
Für die Kinder ist die fehlende staatliche Anerkennung ihrer Schule lästig: Sie müssen, wenn sie nach der vierten Klasse an eine weiterführende Schule wollen, zum Probeunterricht in der Wunschschule - gerade für behinderte Kinder keine einfache Situation in einer völlig fremden Umgebung.
Die Eltern vermissen die fehlende staatliche Anerkennung. Manche von ihnen können aber auch die finanzielle Belastung durch die Fahrtkosten nicht mehr stemmen. Behinderte Kinder (z.B. Rollstuhlfahrer) müssen oft mit Taxi oder Fahrdienst zur Schule gebracht werden. Im Schnitt kostet das pro Kind 4.000 bis 5.000 Euro im Jahr, so Dr. Beyrle. Bei Förderschulen (hier weren nur Kinder mit Förderbedarf unterrichtet) übernimmt der Staat diese Kosten. Doch die Luise-Kiesselbach-Schule ist keine Förderschule, sondern eine inklusive Schule (Kinder mit und ohne Förderbedarf lernen hier mit- und voneinander) - der Staat übernimmt hier nur Fahrtkosten von etwa 400 Euro pro Kind und Jahr.
„Das kann man so nicht stehen lassen”, unterstreicht Hans Beyrle, „es werden zwar rechtliche Barrieren abgebaut, doch in der Praxis zeigen sich neue Barrieren.” Er spricht damit die 2010 erfolgte Anpassung des BayEUG (Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen) an: Seit damals stehen Schülern mit Förderbedarf die „normalen” Schulen offen. Das war ein wichtiger Schritt Richtung Inklusion - den im Alltag aber nicht viele behinderte Kinder mitgehen können, weil die Regelung der Fahrkosten nicht entsprechend angepasst wurde.
Diese Diskrepanz hat schmerzliche Folgen für die ICP-Schule und manche ihrer Schüler. „Wir spüren das”, erzählt Dr. Beyrle: Erste Kinder werden aus der inklusiven Schule abgemeldet, weil ihre Eltern die finanzielle Belastung nicht länger tragen können oder ihnen die immer noch ausstehende Anerkennung der Schule fehlt. „Es tut weh, wenn Familien abspringen, die unser Konzept voll überzeugt hat”, sagt Dr. Beyrle. Und dieses Konzept überzeugt nach wie vor: 45 Eltern haben Interesse für das kommende Schuljahr angemeldet. „Wir hätten drei neue Klassen bilden können”, berichtet Hans Beyrle.
An einen Ausbau der Schule ist momentan aber nicht gedacht. Priorität für die ICP-Stiftung ist, „die Inklusionsbarriere zu beseitigen”, wie Hans Beyrle unterstreicht. Dazu hat die Stiftung die Situation der Familien und der inklusiven Schule dem Landtag geschildert und eine Petition eingereicht. Ziel ist die Änderung des Schulfinanzierungsgestzes und die Erstattung der Fahrtkosten für Schüler mit Schwerbehinderung.
Dies würde noch nicht einmal Mehrkosten für die Staatskasse bedeuten, erklärt Dr. Beyrle. Um Fahrtkosten unabhängig von der Schulart zu übernehmen, müsse lediglich die Verlagerung der Kosten innerhalb des Schulwesens geregelt werden.
„Wir glauben daran, dass unsere Schule eine langfristige Perspektive hat”, betont Hans Beyrle. Die ICP Stiftung unterstreicht diese Überzeugung mit einem Neubau: Ihre inklusive Grundschule muss das Gelände der Konrad-Celtis-Schule verlassen und das ICP will ein eigenes Schulgebäude am eigenen Areal errichten. Schon im kommenden Jahr soll der Bau beginnen, hofft Dr. Beyrle.
Zur Anerkennung der Grundschule und der Finanzierung der Fahrtkosten nimmt das Bildungsministerium auf Nachfrage der Münchner Wochenanzeiger folgendermaßen Stellung: