„Ihr wisst’s ja, i hob an Schlag“, ruft Angelika von der Bühne und lacht. Neben ihr stehen Karin und Marion und stimmen mit dem Publikum ebenfalls in ein Gelächter ein. Der saloppe Ausdruck „einen Schlag weg haben“ wird in der Umgangssprache für Menschen verwendet, denen man vorwirft ihre Sinne nicht ganz beisammen zu haben. Die drei Laienschauspielerinnen sind zwar weit entfernt davon, aber ein Fünkchen Wahrheit hat das Ganze eben doch. Alle drei hatten bereits einen Schlaganfall gehabt. Sie haben die Krankheit recht gut überstanden, trotzdem müssen sie seitdem mit Einschränkungen leben. Eine gelähmte Hand, ein gelähmter Fuß, Schwierigkeiten bei der Konzentration, ein vermindertes Gedächtnis, sind nur einige davon. Ihre Behinderungen zu verstecken, kommt für die drei Frauen nicht in Frage. Im Gegenteil: Sie gehen offensiv damit um und werden dabei von Familie und Freunden unterstützt. Unter dem Motto „Das Leben ist ned leicht“ spielen sie seit zwei Jahren Theater. „Westkreuzblosn“ heißt die integrative Theatergruppe, die nicht nur mit, sondern auch für von Schlaganfall Betroffene spielt. Die Westkreuzblosn haben dafür einen Verein gegründet, sammeln Spenden und verteilen bei ihren Auftritten Infobroschüren zugunsten der Deutschen Schlaganfallhilfe, eine Stiftung, die sich für Verbesserungen in der Schlaganfall-Versorgung einsetzt.
An vorderster Stelle steht aber die pure Lust am Theaterspielen. „Das Ganze ist für die Drei eine Art Therapie“, sagt Ludwig Bergmann. Der 61-jährige Raumausstatter ist der Kopf der Gruppe. „Bei uns wird alles ein bisschen improvisiert“, erklärt der Ehemann von Marion Bergmann. „Die drei Frauen haben Glück gehabt, aber manches geht nimmer so“, berichtet er dem Publikum. Die kurzen Kabarettauftritte sind flexibel konzipiert. Oft sitzen die Darsteller – mal als Stammtisch, dann wieder in einer Beratungsszene. Auf dem Tisch vor ihnen liegen dann die Texte, die unauffällig abgelesen werden können. Trotzdem kommt es vor, dass die Schauspielerinnen den Faden verlieren. Dann wird einfach umgedichtet, „dann kommt mal eine ganz andere Pointe als erwartet“, lacht Ludwig Bergmann. Macht nichts, Hauptsache das Ganze macht Spaß.
Die Westkreuzblosn mit ihren heiteren Couplets und Sketchen in Mundart kommen im Viertel gut an. Themen des Stadtteils werden auf’s Korn genommen. Manchmal ist es ein wenig deftig, aber immer mit einem Augenzwinkern. Eines der Paradestücke ist die „Schönheitskönigin von Schneizlreuth“, mit der die Truppe vor kurzem beim Starkbieranstich im Pfarrsaal St. Michael brillierte, übrigens der erste abendfüllende Auftritt für die Schauspieler. Herrlich wie Angelika die gwamperte und gscherte „Miss Schneizlreuth“ mimte. Eine Antithese zu dem heutigen Schönheits-, Jugend- und Perfektionismuswahn. Viel Applaus gab es auch für den Sketch „Eheberatung“ mit dem ewig grantelnden und unzufriedenen Ehepaar, das doch nicht ohne einander kann, oder für die „tafelnde Ritterrunde“, bei der sich im Laufe des Trinkgelages die Zungen immer mehr lösten. In ihrem Tatendrang sind die Westkreuzblosn derzeit kaum aufzuhalten. Die Gruppe übt bereits für die nächsten Aufführungen zum Beispiel beim Frühlingsfest am 21. März, 19 Uhr, beim „Bunten Abend“ am 16. Mai, 19 Uhr, und beim Sommerfest, am 20. Juni, um 19 Uhr, alle im Bürgersaal am Westkreuz.