Wir gehören zusammen: Ein Miteinander ist in nahezu allen Bereichen unseres Alltagslebens gefragt - und es gelingt in der Regel ganz gut. Unsere Trümpfe haben sich Gedanken über die Grundlagen dieses Miteinanders gemacht: Wie sieht es im Alltag aus? Wie fühlen sich Migranten bei uns? Und gibt es wirklich den neidvollen Blick der Generationen aufeinander?
„Vorsicht, frisch integriert”, so hieß ein Programm des türkischen Kabarettduos „Knobi Bonbon”, das ich vor rund 30 Jahren als junger Radiomacher besprechen durfte. Es war umwerfend komisch. Darin zeigt ein bereits seit langem in Deutschland lebender Türke seinem frischen Nachkömmling, was es bedeutet, typisch deutsch zu sein. In einer Szene üben sie die Begrüßung zwischen Bekannten am frühen Morgen. Der gerade zugezogene Ali zelebriert eine ausschweifende Begrüßungsarie mit Umarmungen und einem nicht enden wollenden Wortschwall. Sein Partner korrigiert ihn und zeigt, wie das hierzulande gehandhabt wird: mit zackigen Schritten aneinander vorbei und einem knappen und strengen Zuruf „Morgen!”
Das Kabarettduo hat uns Deutschen indirekt einen köstlichen Spiegel vorgehalten. Einen Spiegel, der uns auch viel über unsere „innere Integration” verrät. Wie gehen wir um mit unseren Nachbarn, Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen, Vereinsmitgliedern, Mitmenschen? Kennen wir unsere Nachbarn in den Wohnblöcken dieser Stadt überhaupt? Sind wir in die Hausgemeinschaft integriert? Wissen wir, was unser Arbeitskollege außerhalb der Bürozeit tut? Welche Probleme er hat, was ihn beschäftigt, freut oder belastet? Gehören wir zur Bürogemeinschaft? Nehmen wir außerhalb der reinen Tennisstunde am Vereinsleben teil? Oder meiden wir es, weil es dort auch einen Rollstuhlfahrer gibt, der gar Hilfe brauchen könnte? Oder einen sexuell anders Orientierten, der mich im Gespräch vielleicht endgültig überzeugen könnte, dass meine immer noch vorhandenen Vorbehalte absurd sind?
Vielleicht täte es uns gut, uns in dieser verindividualisierten Gesellschaft mal Gedanken über das zu machen, was uns zusammenschmiedet: Neben einer freiheitlich demokratischen Grundordnung jene Werte, die von christlichen Motiven wie „Liebe Deinen Nächsten” bis zum fundamental-bajuwarischen Leitmotiv „Leben und leben lassen” reichen.
Wenn wir diese Integration schaffen, dann gelingt uns auch die Integration von Fremden. Und zwar frei von extremen Haltungen und missionarischem Einsatz. Weder der feindselige Generalverdacht des „Sozialschmarotzers” noch die kindlich-naive „Wir-haben-uns-alle-lieb-Romantik” bringt uns weiter. Vielmehr Humanismus, Weltoffenheit und gesunder Pragmatismus, geprägt von Geben und Nehmen, von Fördern und Fordern, von Rechten und Pflichten. Damit wir das Kabarett ins wirkliche Leben überführen und dafür die „Vorsicht” aus dem Titel streichen können …
Integration ist ein wichtiges Thema für das künftige Miteinander in unserer Gesellschaft. Damit das klappt, ist das Erlernen der deutschen Sprache enorm wichtig! Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass, wenn man in ein fremdes Land kommt und die Sprache nicht spricht, man auf das Niveau eines Kleinkindes zurückfällt und auch so behandelt wird. Damit treibt man die Menschen im günstigsten Falle dazu, dass sie Schattengesellschaften bilden, die schwer aufzulösen sind; im schlimmsten Falle dazu, sich an Leute anzuschließen, die sie in die Arme jener treiben, die außerhalb unserer Gesetze stehen.
Genauso wichtig ist aber auch die Bildung, hier besonders die Ausbildung zu einem Beruf. Damit können die Menschen nicht nur ihre Familie ernähren, dies gibt ihnen auch das nötige Selbstbewusstsein und das Vertrauen in ihre eigenen Kräfte.
Als ehemaliger Flüchtling kann man sich vorstellen, wie schwer es sein mag, in ein fremdes Land mit einer gänzlich anderen Kultur zu kommen; die eigene Kultur ist weggefallen, die Gewohnheiten müssen geändert werden, man hat Heimweh, vor allem hat man Familienmitglieder und Freunde verloren und zum Teil unvorstellbares Schweres erlebt.
Die Anpassung ist schwer! Wir sollten uns nicht als Gönner und Migranten als Almosenempfänger sehen. Machen wir nicht die Fehler, die wir bisher oft gemacht haben, sondern nehmen wir die neuen Mitbürger mit offenen Armen in unsere Gesellschaft auf, behandeln sie mit Respekt und auf Augenhöhe. Nur so wird es ein vertrauensvolles künftiges Miteinander geben.
In Talkshows wird es immer wieder bemüht: das Bild der „gierigen Rentnergeneration”. Einspieler zeigen grauhaarige Frauen und Männer, die ihren Freizeitvergnügungen nachgehen, oder die „Silberhaarigen”, die sich auf dem Kreuzfahrtschiff den Wind durch die gepflegte Frisur streichen lassen. Nach solchen Bilder wird provokant gefragt: Und wer zahlt das alles? Die Antwort wird auch gleich geliefert: Die Jungen, die im Alter dann keine so freundlichen Aussichten mehr haben.
Mit diesen Bildern soll Stimmung gemacht werden. Zum Glück stelle ich aber fest, dass das nicht funktioniert.
Die Realität in den Familien sieht nämlich ganz anders aus. Viele junge Mütter können ihren Beruf konzentriert und beruhigt ausüben, weil die Großmutter liebevoll für die Enkel sorgt. Viele Ältere verlassen sich bei Problemen mit dem Computer gerne auf Rat und Hilfe ihrer Enkel. Auch bei finanziellen Sorgen, großen oder kleinen, stehen die Generationen füreinander ein. Hier sind es oft die Älteren, die die Jungen unterstützen oder auch mal kleine und große Wünsche erfüllen.