Das Wort Integration ist in aller Munde – gerade auch angesichts der zunehmenden Flüchtlingsströme. Nicht nur, aber gerade beim Blick auf das deutsche Schulsystem wird deutlich, dass die Integration von Zuwandererkindern nur schwer gelingt. Doch sollte nicht der Schulerfolg der Gradmesser für das Gelingen von Integration sein? Das zumindest meint Christian Dörr von „Hafis e.V.“ Man müsse doch alles dafür tun, dass sich die Noten und Schulabschlüsse der Zuwandererkinder in nichts mehr von denen der einheimischen Schüler unterscheidet. Zu diesem Zweck hat er 2006 seine „Hausaufgabenbetreuung für internationale Schüler“, kurz „Hafis e.V.“, gegründet.
Bereits seit 17 Jahren arbeiten er und seine Frau Petra Cordua in München mit internationalen Schülern. „Angefangen hat alles in einem Asylbewerberheim“, erzählt Dörr. Damals habe man seine Klienten noch als „Ausländer“ und deren Eltern als „Asylanten“ oder „Gastarbeiter“ bezeichnet. „Von Integration hat damals noch niemand gesprochen, weil alle glaubten, dass die fremdländischen Familien wieder nach Hause gingen. Heute nennt man diese Leute Migranten oder Zuwanderer und ihre Kinder haben einen Migrationshintergrund.“ Mit diesen Bezeichnungen habe man sich schon immer schwer getan und auch um die Bildungschancen dieser Kinder sei es immer noch schlecht bestellt.
Das Asylbewerberheim, im dem 1997 alles angefangen hatte, ist mittlerweile abgerissen worden und auch wenn sich manche Bezeichnungen geändert haben – eines ist nach Ansicht Dörrs nicht anderes geworden: „Zu viele Talente gehen verloren, denn unser Schulsystem ist der babylonischen Sprachvielfalt und der ihr zugrundeliegenden kulturellen Heterogenität nicht gewachsen. Es nimmt auch keine Rücksicht auf die Zweisprachigkeit und die interkulturelle Lebenswelt der Kinder.“ Das Einzige, was auffalle, sei, dass diese Kinder zu wenig Deutsch können. „Wo aber alles als defizitär betrachtet wird – Haushalte, Schulleistungen oder Deutschkenntnisse – geht der Blick auf das Wesentliche verloren und darauf, was bilinguale Kinder schon alles besitzen“, sagt Dörr.
Momentan sucht der Verein dringend Lernpaten, um Zuwandererkinder aus der sogenannten Übergangsklasse (Ü-Klasse) an der Grundschule am Winthirplatz zu unterstützen. „Im letzten Schuljahr hat es noch zwei dieser Ü-Klassen gegeben. Allerdings hat das Schulamt der Schule eine Ü-Klasse weggenommen“, erzählt Dörr. „Die Winthirschule ist beständig am wachsen und die Regelklassen gehen vor.“ Es gebe schlicht und ergreifend keine Räumlichkeiten mehr. Die Ü-Klasse wird von insgesamt 15 Schülern besucht, zwölf davon werden nach der Schule am Nachmittag von „Hafis e.V.“ betreut. „Wir haben hier mit der bekannten Kinderbuchautorin Meike Haas und der Germanistin Amelie Kanellopoulos zwei Lernmentoren, sind aber dringend noch auf der Suche nach ehrenamtlichen Lernpaten, die großes Interesse und Spaß an der Arbeit mit Grundschulkindern haben – und sehr viel Geduld mitbringen“, erklärt Dörr.
Zwei bis drei Stunden sollten sich die Lernpaten an einem Tag der Woche mindestens für die ehrenamtliche Arbeit bei „Hafis e.V.“ Zeit nehmen – und das wenigstens für ein halbes Jahr. „Das kann natürlich auch mehr sein“, so Dörr. Für die Kinder – viele von ihnen sind traumatisiert – sei eine feste Bezugsperson wichtig. „Die Lernpaten intensivieren und differenzieren die Kinder. Uns geht es darum, die Kinder entsprechend ihres Kenntnisstandes zu fördern.“ Grundsätzlich seien die Kinder sehr motiviert, die Sprache zu lernen. „Das haben wir im Laufe der Jahre immer wieder festgestellt“, sagt Dörr. Dass die Arbeit von „Hafis e.V.“ wertvoll ist und Früchte trägt, lässt sich vor allem daran ablesen, dass an den betreuten Grundschulen rund 85 Prozent der Kinder den Übertritt in die Realschule oder auf das Gymnasium schaffen.
Neben der Grundschule am Winthirplatz ist der Verein auch im Hasenbergl an der Ittlinger- und der Eduard-Spranger-Grundschule sowie seit kurzem im Westend an der Grundschule in der Schwanthalerstraße sowie in Pasing in der Grundschule am Schererplatz tätig. Insgesamt arbeitet Hafis e.V. an den Grundschulen nicht nur mit Kindern aus Ü-Klassen sondern auch mit Schülern aus Deutschförderklassen. Eines ist für die Kinder jedoch immer gleich: Sie sind Neuankömmlinge sowohl in München als auch in der deutschen Sprache. In den Deutschlerngruppen werden in Absprache mit den Lehrern die Lernziele des Wochenplans erarbeitet. Damit ist der Nachmittag inhaltlich mit dem Vormittag in der Schule verknüpft. „Im schulanalogen Unterricht bieten wir verschiedene Module an wie Erzähl- und Schreibwerkstatt, Lesen und Nachspielen kleinerer Texte, Diktate und das Erlernen der Grundrechenarten“, betont Dörr.
Wer sich eine ehrenamtliche Arbeit als Lernpate vorstellen kann, der bekommt bei Christian Dörr (Tel. 0177/3002301, Email: christiandoerr67@gmail.com) oder im Internet unter www.lernhilfe-hausaufgaben.de nähere Informationen.