»Der Tod gehört zum Leben« – der Satz ist schon ziemlich abgegriffen, eine reine Binsenweisheit. Und dennoch: Die meisten Menschen machen es sich nicht bewusst, dass jeder irgendwann sterben muss. Abstrakt vielleicht. Aber konkret?
Sterben kann auf viele verschiedene Arten ablaufen. Glücklich, wer einschläft und einfach nicht mehr aufwacht. Doch Sterben kann auch lange dauern. Elend lange. Ist es dann unpassend, die letzten Tage so schön wie möglich zu gestalten? Nein, das Gegenteil ist der Fall, weiß Brigitte Franz (58) aus München. Sie ist ehrenamtliche Hospizhelferin, »Sterbebegleiterin«. Doch was ist das eigentlich?
Hospizhilfe, das hat fast nichts mit Sterben zu tun. Das Sterben ist der Anlass für die Arbeit der Hospizhelfer und das ist tragisch genug. Warum aber in der Traurigkeit versinken und die letzten Tage mit schweren Gedanken verbringen? Hospizarbeit bedeutet Leben. Es bedeutet, mit dem Leben, das man gehabt hat, seinen Frieden zu machen und voller Glück zurückzublicken.
Brigitte Franz ist ein durch und durch lebensfroher Mensch. Sie selbst hat vor zweieinhalb Jahren ihren Mann durch Krankheit verloren. »Hospiz war für uns ein Fremdwort«, erzählt sie. »Wir waren ganz auf uns allein gestellt.« Diese Situation war für die 58-Jährige so prägend, dass sie den Entschluss gefasst hat, anderen Menschen in ähnlichen Situationen zu helfen. So hat sie zum Christophorus Hospiz Verein in der Effnerstraße gefunden. Über ein Jahr wurde sie auf ihre Tätigkeit vorbereitet, machte ein Praktikum und hatte dann ihre erste Aufgabe. Daran ist Brigitte Franz gewachsen. Sie hat die Hospizarbeit als etwas Wertvolles kennengelernt. Persönliche Erlebnisse bestärken sie dabei: »Ich habe hier ein Ehepaar kennengelernt. Die Frau war sehr krank und ist gestorben. Bei einer der Gedenkveranstaltungen, die beim Hospizverein regelmäßig stattfinden, habe ich den Witwer wiedergetroffen.« Sie hätten sich unterhalten und dann habe der Mann gesagt: »Wir haben uns so gut aufgehoben gefühlt.«
»Die beiden haben’s genossen«, bringt es Brigitte Franz auf den Punkt. Das Glück, noch ein paar schöne gemeinsame Stunden zu verbringen, überwiegt jedes Leid, jede Trauer.
»Wir wollen gestalten und gemeinsam erleben«, ergänzt Sepp Raischl, Fachliche Leitung der ambulanten und stationären Hospizhilfe und der Bildung beim Christophorus Hospiz Verein. Er hat erlebt, dass Menschen zu dem Verein kommen, die dann meinen, »andere ›machen‹ mein Sterben«, doch das stimmt nicht. Im Haus an der Effnerstraße gibt es auch ein stationäres Hospiz. Für Menschen, die Pflege brauchen. Für Menschen, denen die Schulmedizin nicht mehr helfen kann und die deshalb nicht in einem Krankenhaus bleiben können. Diese Pflege umfasst das volle Programm bis hin zur medizinischen Betreuung.
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Hospizhilfe ist die Indikation einer unheilbaren Erkrankung, die auf absehbare Zeit zum Tod führen wird. Das ist technisch, eigentlich gefühllos. Aber das Hospiz ist nicht nur ein Ort des Lebens, sondern auch eine Einrichtung mit einer Verwaltung, mit Richtlinien. Das miteinander zu vereinen, ist alles andere als leicht.
Eine weitere Voraussetzung ist geradezu banal, aber sie muss erfüllt sein: Der Patient muss die Hospizhilfe selbst wollen. Wenn die Familie sich um alles kümmert, der Betroffene selbst die Hilfe aber ablehnt, ist dessen Entscheidung maßgeblich.
Hospizhilfe wird jedoch immer mehr anerkannt. »Wir haben jährlich 1.000 Anfragen, etwa 900 kommen tatsächlich für die Hospizhilfe infrage. 250 von ihnen können wir aufnehmen«, erklärt Raischl. Über 16 stationäre Plätze verfügt das Hospiz – ein offenes Haus ohne feste Besuchszeiten. Obwohl den meisten Patienten dort nicht mehr viel Lebenszeit bleibt, entwickeln sie und ihre Angehörigen oft ein »Zuhause-Gefühl«.
Das Hospiz ist für die Betroffenen völlig kostenlos. Dabei verursacht die Arbeit immense Kosten. Rein betriebswirtschaftlich ist das Hospiz ein Defizitbetrieb, der nicht zu tragen wäre. Krankenkassen, öffentliche Förderungen, Spenden – damit lässt sich der Betrieb aufrechterhalten. Ein Hospiz ist kein Geschäftsmodell, sondern gelebte Nächstenliebe. Nur deshalb funktioniert es.
Das Hospiz wird von einer gemeinnützigen GmbH betrieben, zur Absicherung des Trägervereins. Die festangestellten Mitarbeiter werden natürlich ganz normal bezahlt. Die ehrenamtlichen Hospizhelfer arbeiten völlig unentgeltlich. Auslagen werden erstattet, das war’s. Es ist der Idealismus, der die Helfer antreibt. Und dafür müssen sie sich auch mal ganz merkwürdige Thesen von Bekannten und Verwandten anhören.
Eine Bekannte von Brigitte Franz hat den Wunsch geäußert, miteinander doch nicht mehr so engen Kontakt zu pflegen. Manche Menschen aus der Umgebung des Hospizes betrachten die Einrichtung als wertmindernd für ihre Immobilie. Über solche Reaktionen können Brigitte Franz und Sepp Raischl nur bitter lachen. Verstehen können sie sie nicht.
Der Tod muss einen Platz im Leben haben, dann verliert er seinen Schrecken. Viel einfacher ist es natürlich, das Thema Tod zu tabuisieren, zu verschweigen. Aber es hilft nicht. Andere Dinge helfen. Den Tod auszulachen. In seinem Angesicht dennoch fröhlich zu sein. »Zuletzt hatte ich eine Patientin, die sich nicht mehr gut bewegen konnte«, berichtet Brigitte Franz. Vor lauter überschäumender Freude und Glücksgefühlen hätten sie einmal dennoch quer durch den Flur getanzt. Die Patientin ist inzwischen gestorben. Aber sie hat gelebt und sie war trotz des nahenden Todes glücklich, vielleicht nur für einen kurzen Moment. Dafür sind die Hospizhelfer da. Und sie sind nicht alleine.
Der Hospizverein kümmert sich um die Helfer, ist rund um die Uhr als Ansprechpartner da. Denn die Arbeit kann belastend sein. Gleichzeitig ist sie erfüllend. Das kann man nun glauben – oder selbst erfahren. Der Christophorus Hospizverein bildet jährlich 35 bis 40 Hospizhelfer aus.
Wer sich für diese Aufgabe interessiert, erfährt mehr im Internet unter www.chv.org oder direkt beim Verein unter Telefon 0 89 / 13 07 87-0.