Seit zwei Jahren ist die Kindertagesstätte „Wunderkind“ in der Gottfried-Keller-Straße geöffnet. „Wir nehmen Kinder von einem Jahr bis zum Ende der Grundschulzeit“, erklärt Initiatorin und Geschäftsführerin Deborah Neuburger, „und zwar ganztags von 8 bis 17 Uhr und freitags bis 16 Uhr.“ Insgesamt 70 Kinder werden betreut. Platz sei für mehr, „aber uns kommt es darauf an, auch Integrationsplätze bereitzustellen. Deswegen ist der Betreuungsbedarf höher und unsere Gruppen sind viel kleiner als in anderen Einrichtungen. Und vor allem: Unser Personalschlüssel ist mit eins zu drei beneidenswert niedrig!“
Die Vorteile davon sind Einzelintegration in den Kindergartengruppen, ein gemischte Gruppe von U3/Ü3, in der viele Geschwister unterkommen und ein Schulhort ebenfalls mit Integrationsplätzen. „Wir arbeiten nach dem Montessori-Konzept. Das hat vielen gefallen. Aber finden Sie mal eine Immobilie für Kinder in der Stadt! Wenn die Hausbesitzer „Kindergarten“ hören, winken viele schon ab“, erinnert sich Neuburger an den steinigen Anfang.
In den Räumen der privaten Akademie für Grafik-Design und Multimedia fand sie ein Zuhause für „Wunderkind“, auch wenn der Umbau, die Auflagen der Stadt und die Bedenken in der Nachbarschaft sie viele Nerven gekostet haben, „der Aufwand hat sich gelohnt.“ Die „Wunderkinder“ können sich nun auf 300 Quadratmetern Fläche ausbreiten, inklusive Platz zum Rennen, Räume für gruppenübergreifende Nutzung, Hauswirtschaftsräume und breite Flure für alle.
Die gelernte Erzieherin bietet genau das Konzept an, was sich viele Eltern wünschen. Denn auch Neuburger hatte als Mutter von drei Kindern früher den Spagat zwischen Arbeits- und knapper Betreuungszeit kaum bewältigen können. „Ich spreche den Eltern mit meinem Konzept aus den Herzen. Da ist ein großes Vertrauen. Wir pflegen einen wirklich freundschaftlichen Umgang. Und ich bin super happy über die Verantwortung und die Chance hier in der Kita.“ Auch oder besonders dann, wenn es um so heikle Geschichten wie die richtige Ernährung, die Wahl des Caterers, den Einkauf der Lebensmittel für die Brotzeit oder die richtigen Tischmanieren geht.
„Unsere Brotzeit ist Bio, Vollwert, frisch. Die machen unsere Hauswirtschafterinnen selber. Mittags kommt ein Kindercaterer und bringt uns 70 Essen“, erzählt Neuburger. Doch oft bleibt etwas übrig. „Das ist zwar selbstverständlich, denn immer mal ist jemand krank und nimmt sein Essen nicht in Anspruch. Oder aber es gibt keine Nudeln in Tomatensoße oder Knödel mit Soße, sondern unpopulären Zucchiniauflauf. Dann essen die Kinder höchstens die Hälfte ihrer Portion.“
Wohin also mit dem Rest?, fragten sich Team und Elternschaft. Es wurde sogar ein öffentlicher Aufruf gestartet, damit die Mittagsmahlzeiten je nach Verfügbarkeit zu Gunsten eines guten Zweckes weitergegeben werden können. „Leider konnten wir keine Kooperation zu einer Hilfsorganisation aufbauen. Dafür sind die Mengen einfach zu unregelmäßig und unkalkulierbar.“ Aber Wegwerfen kam für die „Wunderkiner“ nicht in Frage. „Deswegen verschenken wir die übrig gebliebenen Portionen an Bedürftige, die bei uns klingeln.“
Doch genau dies ist einem anonymen Schreiber ein Dorn im Auge. Der hatte sich in einem Brief an das „Wunderkind“-Team über diese unkomplizierte Herangehensweise beschwert und droht der Einrichtung. „Wir können das nicht verstehen“, meint Neuburger. „Schließlich führen wir ein offenes Haus. Unsere Pforte steht jedem offen, der Fragen hat oder mit uns ins Gespräch kommen will.“ Solch einen Schrecken mit anonymer Drohung brauche niemand. „Die ganze Elternschaft steht hinter unserer Vorgehensweise. Essen weiter zu schenken und nicht wegzuwerfen, ist uns allen eine Herzensangelegenheit.“