Rund zehn Prozent der Bevölkerung Deutschlands kann nicht richtig lesen und schreiben. „Der so genannte funktionale Analphabetismus beschreibt die Tatsache, dass man beispielsweise aus einem einfachen Text keine zusammenhängenden Informationen erschließen kann“, so Andrea Kuhn-Bösch, Fachbereichsleiterin an der Münchner Volkshochschule (MVHS) für die Themen Grundbildung und Alphabetisierung. Gerade für betroffene Jugendliche sei das verheerend, da sie auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum die Chance auf den Berufseinstieg hätten. „Es ist wichtig, dass wir Multiplikatoren haben, die erkennen, wenn jemand von Analphabetismus betroffen ist und kompetente Fachstellen, die sich dann um die Grundbildung dieser Leute kümmern können“, so Kuhn-Bösch. Dies würden unter anderem die BildungsLokale mit ihren Lernwerkstätten leisten, von denen es in München bereits drei an der Zahl gäbe.
Seinen ersten Geburtstag feierte in der vergangenen Woche das BildungsLokal Schwanthalerhöhe (Ligsalzstraße 2). Im Rahmen eines BildungsTalks zur Feier des Jubiläums informierte Andrea Kuhn-Bösch hier unter dem Motto „Von A bis Z: Wo beginnt Bildung? Wo hört sie auf?“ über ihren Fachbereich und stellte die Lernwerkstätten vor, die als Kooperationsprojekt der BildungsLokale mit der VHS angeboten werden. Auch im BildungsLokal Schwanthalerhöhe findet demnach jeden Montag ab 16 Uhr und jeden Freitag ab 9.30 Uhr die Lernwerkstatt statt, in der ein wichtiges Thema eben die Grundbildung ist.
„Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich dabei nicht um einen Kurs oder einen gewöhnlichen Unterricht handelt, wo der Lehrer schlicht Wissen an alle Teilnehmer vermittelt“, erklärte Bildungsberaterin Katja Ojala-Kocak auf dem BildungsTalk anlässlich des Jubiläums. Vielmehr hätten alle Teilnehmer unterschiedliche Voraussetzungen und unterschiedliche Lernziele, auf die im Rahmen der Arbeit in der Lernwerkstatt eingegangen werden könne. „Jeder entscheidet selbst, woran er arbeiten möchte, ob er nun einen Text laut liest oder am Computer das Schreiben übt.“ Betreut werden alle Teilnehmer in der 90-minütigen Lernwerkstatt von einer Bildungsberaterin und einer Lernbegleiterin der VHS.
„Letztendlich wissen Sie nie sicher, wer kommt und müssen auf alles eingerichtet sein“, ergänzte Kuhn-Bösch. „Es ist eine unglaublich spannende Aufgabe, aber hin und wieder auch sehr anstrengend.“ Zudem sei es dem Team des BildungsLokals ein wichtiges Anliegen, die Menschen für die Themen Grundbildung und Analphabetismus zu sensibilisieren, erklärte auch Bildungsberaterin Susanne Loibl. Gerade, wenn man im täglichen Umgang mit Mitmenschen kleinere Anzeichen feststelle, wie etwa Aussagen, dass man seine Brille vergessen oder sich die Hand verletzt habe, solle man mutig sein, den Verdacht auch anzusprechen „Oft sind die Menschen dann ganz erleichtert, wenn sie endlich einmal jemandem ihr Herz ausschütten können und Tipps bekommen, wohin sie sich wenden sollen“, meinte auch Kuhn-Bösch.
Das BildungsLokal Schwanthalerhöhe bietet unter anderem kostenfreie, unabhängige, neutrale und vertrauliche Beratung rund um alle erdenklichen Fragen zum Thema Bildung. Zudem finden zahlreiche Aktionen statt. Weitere Informationen persönlich im BildungsLokal Schwanthalerhöhe (Ligsalzstraße 2) oder unter Tel. (089) 50028130.