Mamas Milch ist für Babys das Allerbeste. Das gilt auch und insbesondere für Frühgeborene, die vor der 32. Schwangerschaftswoche bzw. mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 Gramm auf die Welt kommen. Die optimale Nahrung kann ihre Zeit im Krankenhaus verkürzen und führt wissenschaftlich erwiesen zu einer besseren Lebensqualität auchim Erwachsenenalter. Doch für die Kleinsten ist die „eigene“ Muttermilch nicht immer sofort verfügbar – so können beispielsweise Erkrankungen, die ursächlich für eine Frühgeburt sein können, auch die Milchbildung verzögern. Die beste Alternative für Frühgeborene, bis die eigene Mutter Milch hat, ist dann Frauenmilch – also überschüssige Milch von Müttern, die nicht für die Ernährung des eigenen Kindes benötigt wird. Diese kann von Kliniken zugekauft werden – die präferierte Lösung ist jedoch eine hauseigene Milchbank.Auch Fertigmilch, sogenannte Formula-Nahrung auf Kuhmilchbasis, ist für Frühgeborene geeignet, gerade aber die kleinsten Frühgeborenen sollten Frauenmilch erhalten.
Eine solche eigene Frauenmilchbank hat die Neonatologie der München Klinik nun im Februar in Harlaching eröffnet. Sie versorgt in der Startphase bereits die Frühgeborenen inder Neonatologie in Harlaching und perspektivisch auch am Schwesterstandort Schwabing von Geburt an mit Frauenmilch. „Wir haben in den letzten Jahren medizinisch extrem viel erreicht, um auch kleinsten Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 750 Grammeinen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Aber: Medizin kann keine Muttermilch „machen“. Eine klinikeigene Frauenmilchbank ist daher der Goldstandard in der Versorgung von Kindern, für die noch keine eigene Muttermilch verfügbar ist“, freut sich Prof. MarcusKrüger, Chefarzt der Neonatologie in der München Klinik Schwabing und Harlaching. Stationsleitung Sabrina Weigel ergänzt: „Das Ziel ist, alle unsere Frühgeborenen unmittelbar nach der Geburt optimal zu versorgen. Neben hochspezialisierter Medizin und Pflege nimmt hier die bestmögliche Ernährung einen immer größeren Stellenwert ein. Zu einer modernen Neonatologie gehört daher unbedingt eine Frauenmilchbank.“
Sabrina Weigel hatte das Projekt initiiert und gemeinsam mit dem Projektteam aus vielen Bereichen, u.a. Technik, Hygiene und Labor, umgesetzt. Sie ist stolz auf diesen neuen Versorgungsbaustein, für den in Deutschland einige bürokratische Hürden überwunden werden müssen. So hat die Klinik in einem über einjährigen Prozess u.a. eine offizielle Genehmigung als Lebensmittelhersteller erhalten, um die Frauenmilchspenden empfangen, verarbeiten, lagern und an die Frühgeborenen weitergeben zu dürfen. Die Frauenmilch erhält einen Barcode, auf dem Status und Haltbarkeit genau ersichtlich sind, und wird in einem eigens eingerichteten, separaten Raum unter höchsten Hygiene-, Sicherheits- undQualitätsstandards gelagert. Mit ihrer eigenen Frauenmilchbank, erst die zweite ihrer Art im Raum München, trägt die MüK auch zum Aufbau eines Frauenmilchbank-Netzwerks in deutschen Neonatologien (Frauenmilchbank Initiative e.V.) bei. Bislang hatte die MüKFrauenmilch von Milchbanken aus ganz Deutschland bezogen, um die Ernährung ihrer Frühgeborenen mit Frauenmilch zu gewährleisten.
Bei der Geburt passt die Natur das Angebot der Mama an den Bedarf ihres Kindes haargenau an: In den ersten Tagen nach der Schwangerschaft schützt die dickflüssige Vormilch beispielsweiseauch in kleinen Mengen vor Infektionen und ist reich an Nährstoffen, die reife Muttermilch versorgt das Kind wiederum bis zum sechsten Monat mit allem, was es braucht. Doch im Falle einer Frühgeburt können Faktoren wie Erkrankungen oder ein Intensivaufenthalt der Mutter die Milchbildung verzögern. Hier setzt das Konzept der Harlachinger Frauenmilchbank an und funktioniert im klinikinternen Kreislauf: Die Frauenmilch für die kleinen Frühgeborenen spenden Mütter von mittlerweile älteren Kindern, die ebenfalls in Harlaching als Frühchen zur Welt kamen und in der ersten Zeit gespendete Frauenmilch erhalten hatten. Wenn die Mütter der Frühgeborenen zueinem späteren Zeitpunkt ausreichend Muttermilch haben, können sie selbst zur Spenderin werden und anderen Familien dabei helfen, die Zeit nach der Geburt zu überbrücken. Das neonatologische Personal geht auf Mütter zu, die einen Vorrat an Muttermilch von mindestens 1 Liter für ihr eigenes Kind angelegt haben, und informiert über den Ablauf einer potentiellen Spende. Wenn sich die Mutter auf der Basis für eine Spende ihrer Milch entscheidet, wird sie vom neonatologischen Team umfassend unterstützt und bei Fragenberaten. Stationsleitung Sabrina Weigel betont: „Das eigene Kind hat immer Vorrang. Bei jeder Frauenmilchspende haben wir zunächst den Vorrat für das eigene Kind der Mama im Blick.“
Die Milchbildung der Mutter für ihr eigenes Frühgeborenes wird an beiden Standorten schon in der Geburtshilfe in den Frauenkliniken unter Leitung der Chefärzte Dr. Olaf Neumann (Schwabing) und Prof. Christoph Scholz (Harlaching) begonnen, indem zertifizierte Stillberaterinnen die Mutter beraten. Hier zeigt sich auch die enge und wichtige Verzahnung von Geburtshilfe und Neonatologie in den beiden Perinatalzentren.
Muttermilch ist ein wahres Wunder der Natur, deren vielfältige Inhaltsstoffe bis heute nicht gänzlich entschlüsselt sind. Deshalb kann sie auch nicht künstlich in Gänze nachempfundenwerden. Zahlreiche Studien haben bestätigt, dass vor allem die frühe Ernährung von Frühgeborenen mit Mutter- bzw. Frauenmilch zu einem besseren Wachstum und einer besseren Entwicklung führt als kuhmilchbasierte Formula-Nahrung. Die optimale Ernährung, das heißt laut WHO Muttermilch als erste Wahl und Frauenmilch von überwachten Spenderinnen als zweite Wahl, senkt bei Frühgeborenen nachweislich das Risiko schwerer Infektionen, verbessert die kognitiven Fähigkeiten im Erwachsenenalter, senkt das Allergierisikound erhöht die Lebensqualität. Auch stationäre intensivmedizinische und chirurgische Behandlungen kann die richtige Ernährung verkürzen. Von den Fachgesellschaften wird daher übereinstimmend die Ernährung mit gespendeter Frauenmilch empfohlen, sofern keine eigene Muttermilch vorhanden ist.