Feuer und Glut, lodernde Flammen, Schrecken: Besonders im Mittelalter wurde das Fegefeuer oft bildlich dargestellt. Das Fegefeuer – Inbegriff des Grauens. Doch was hat es mit diesem Ort zwischen Himmel und Hölle eigentlich auf sich? Wir fragten nach: „Hinter dem ,Licht am Ende des Tunnels' wartet auf die meisten von uns wohl das Fegefeuer, glauben Christen. Aber Moment mal: Von Fegefeuer ist in der Bibel nirgends die Rede. Woher kommt die Vorstellung und was will sie uns heute sagen?”
Ralf Honig, Pfarrer der ev.-luth. Gethsemanegemeinde: Die Vorstellung eines Reinigungsorts, an dem die Toten ihre Vergehen abbüßen, war in der Antike verbreitet. Die Auseinandersetzung damit hat in der alten Kirche zur Lehre vom Fegefeuer geführt bis hin zum mittelalterlichen Ablasshandel: durch Gebete und Opfer sollten die Strafen im Fegefeuer gemildert werden. Martin Luther hat sich gegen diese käufliche Vergebung gewendet. Beim Apostel Paulus (1. Korinther 3, 11-15) gibt es einen biblischen Bezug zur Vorstellung eines Reinigungsfeuers: Wir werden nach unserem Tod konfrontiert mit unseren Taten, was durchaus schmerzhaft sein wird. Nur das Gute wird dann bei Gott Bestand haben, das Böse nicht. Nicht die Guten werden also von den Bösen getrennt, sondern das Gute in uns von dem Bösen in uns. Wir werden „wie durchs Feuer hindurch” gerettet. Diese Reinigung ist die Vorbereitung auf ein Leben in Gottes neuer Welt. Für mich ist das eine schöne Vorstellung: Wir werden dem Bild gleichgestaltet, das Gott schon immer von uns hat – und alle anderen übrigens auch! Wir werden sie neu sehen mit Gottes Augen der Liebe und aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen!
Rainer Maria Schießler, Pfarrer der kath. Pfarrei St. Maximilian: Das Fegefeuer sollte immer schon Angst machen! Als wenn der Tod nicht allein schon als Bedrohung genügen würde. Da erwartet einen dann gleich danach sozusagen ein Gruß aus der Hölle, ein postmortaler Folterkeller! Mit Angst kann man Menschen bekanntlich gefügig machen, was ja im Mittelalter leidlich gut gelungen ist, so erfolgreich, dass bis heute der Begriff Fegefeuer nur negativ besetzt ist, auch bei modernen Gläubigen. Dabei spricht schon der lateinische Begriff für Fegefeuer „Purgatorium” eine ganz andere Sprache. Das Wort klingt eher entspannend, therapierend und wohltuend. Durch gute Taten und vermehrte Gebete der Hinterbliebenen im Diesseits hoffte man, das Leiden der Verstorbenen im Jenseits verkürzen zu können. Dass die Kirche des Mittelalters damit Kasse gemacht hat und aus dem Fegefeuerglauben immenses monitäres Kapital geschlagen hat, ist eine Grundschuld, die ihr bis heute zu Recht schwer angelastet wird. Das Gebet für die Verstorbenen aber verfolgt eine ganz eigene Richtung: die anamnetische Solidarität der Lebenden mit den Toten, d.h. in der Erinnerung der Verstorbenen in unseren Gebeten wollen wir uns mit ihnen ganz konkret verbinden. Das Purgatorium ist daher keine erste Strafanstalt nach dem Ableben, sondern ein letzter großer Gnadenakt, der dem Verstorbenen zuteil wird, in dem seine vollendungsbedürftige und fragmentarische Biographie in den Status der Vollendung geführt wird. Einfach ausgedrückt: Weil man sich als Verstorbener damit so schwer tut, wird hier das letzte Kapitel seines Lebensbuches zu Ende geschrieben – und hoffentlich auch seine bis dahin unbeantworteten Fragen geklärt.
Rupert Graf zu Stolberg, Weihbischof im Erzbistum München und Freising: Viele kennen die Situation: Wenn ein Kind etwas angestellt hat, dann versucht es, seinen Eltern aus dem Weg zu gehen, um nicht mit dem eigenen schlechten Gewissen konfrontiert zu werden. Genau dieses Rumschleichen und Herumdrucksen beschreibt der Begriff Fegefeuer, wenn es darum geht am Ende des Lebens Gott gegenüberzutreten. Dann wird es auch so einiges geben, was wir im Leben verbockt haben, wo wir Chancen nicht genutzt haben. Der Dramatiker Friedrich Hebbel bringt es so auf den Punkt: „Der ich bin grüßt trauernd den, der ich sollte sein!” Das Fegefeuer ist genau der Ort, wo uns diese Trauer genommen wird, wo wir von dem Schmerz über das, was im Leben schiefgelaufen ist, befreit werden, damit wir Gott nicht aus dem Weg gehen müssen, sondern ihm und seiner großen Liebe begegnen dürfen. So wie jedes Kinder erleichtert ist, wenn es von seiner Mutter in den Arm genommen wird mit den Worten „Ich verzeih' dir”.
Detlev Kahl, Pfarrer im Pfarrverband Mittersendling und Dekan im Dekanat Forstenried: „Licht am Ende des Tunnels”, das ist ein Wunsch, den zurzeit wohl so jeder von uns hat. Aber das Fegefeuer am Ende des Lebens, glauben wir eigentlich wirklich daran oder noch schlimmer, befürchten wir das? Tatsächlich ist biblisch keine Rede davon. Fegefeuer ist leider auch sehr unglücklich ins Deutsche übersetzt: Das lateinische Wort von Purgartorium ist eher gemeint als ein Läuterungsort. Darum geht es meines Erachtens beim Fegefeuer. Bevor wir in die Heiligkeit Gottes endgültig eintreten können, braucht es halt eine gewisse Form von Läuterung, von Reinigung. Denn keiner von uns ist ohne Schuld. Aber das hat nichts mit Feuer zu tun, sondern vielleicht mehr mit einem Stückchen Geduld, was auch nicht so leicht zu ertragen ist. Aber das hat ja eine Ewigkeit Zeit und wir können gewiss sein, dass wir an diesem Ort ja schon bei Gott sind!
Barbara Sellmaier, Gemeindereferentin im Pfarrverband Mittersendling: Das Fegfeuer, immer wieder höre ich bei Trauergesprächen auch die Frage nach dem Fegfeuer. Braucht Gott denn so etwas? Hat diese religiöse Tortur der Mensch wirklich nötig? Meine Vorstellung vom Fegfeuer ist, dass der Mensch im Angesicht Gottes heil (geheiligt) wird. Alle Verstrickungen, die das Leben einem jeden von uns auferlegt, sind aufgelöst. Erlösung von allem bedeutet auch eine klare – vielleicht sogar ganz neue Sicht auf das eigene Leben. Das eigene gelebte Leben wird in der Liebe Gottes aufgedeckt und aufgeklärt. Jeder spürt und sieht was das Leben ihm/ihr bereitgestellt hätte. Jeder wird spüren, wem er Schmerzen und Enttäuschungen zugeführt hat. Eine erlöste Sichtweise auf das eigene Leben macht es offensichtlich. Dieser Blick auf das eigene Leben wird weh tun, vielleicht sogar wie „Feuer brennen“ und es gilt ihn auszuhalten. Doch der Liebe Gottes dürfen wir immer gewiss sein.