Veröffentlicht am 31.08.2021 08:45

Zwangsarbeiterlager I-IV von Krauss-Maffei in Allach


Von Walter G. Demmel
Bild 1 (Foto: Ausschnitt Titelblatt Obermenzinger Hefte)
Bild 1 (Foto: Ausschnitt Titelblatt Obermenzinger Hefte)
Bild 1 (Foto: Ausschnitt Titelblatt Obermenzinger Hefte)
Bild 1 (Foto: Ausschnitt Titelblatt Obermenzinger Hefte)
Bild 1 (Foto: Ausschnitt Titelblatt Obermenzinger Hefte)

In den „Obermenzinger Heften“ (Bild 1) S. 26-28 erschien im Dezember 2020 mein Artikel unter dem Titel „Zwangsarbeiterlager in Allach“, mit der Ankündigung, in der nächsten oder übernächsten Ausgabe eine vollständige Darstellung Allacher Zwangsarbeiterlager anzubieten. Die wird nun wiederum in der Dezemberausgabe 2021 der Hefte erfolgen Dieser Artikel soll das Grundgerüst oder die Kurzfassung des Obermenzinger Beitrags sein.

Allach hatte eine Reihe von Arbeitslagern, die nach der Befreiung der Insassen im April/Mai 1945 für unsere deutschen Flüchtlinge und Heimatvertriebenen aus dem Nord- und Südosten des ehemaligen Deutschen Reiches bereitgestellt wurden. Erst in den vergangenen Jahren habe ich auf viele Nachfragen hin begonnen, mich intensiver mit den Allacher Lagern zu beschäftigen und kann nun für meine Leser und eine breitere Öffentlichkeit einige interessante Ergebnisse vorstellen. Zunächst müssen wir davon ausgehen, dass der weitaus größte Teil der ausländischen Arbeitskräfte nicht freiwillig nach Deutschland kam und damit die Bezeichnung „Zwangsarbeiter“ die einzig zutreffende ist. Wenn nun von bekannten Zwangsarbeiterlagern die Rede sein wird, dann sind das die Lager I-IV, die zunächst unbekannten Lager anderer Firmen sind noch für dieses Jahr geplant.

Das Lager I war in nächster Nähe des Allacher Arbeitgebers Krauss-Maffei und bestand aus den beiden Teillagern I und I a direkt gegenüber dem erst errichteten Verwaltungsgebäude in der Krauss-Maffei-Str. 2 (Bild 2). KM selbst zeigt in „180 Jahre KraussMaffei“ im Kapitel „Im Schatten von Dachau: Zwangsarbeit und Gewaltverbrechen“ endlich die notwendige Aufklärung über die Vorgänge im Werk und die haltlosen Zustände in seinen Arbeitslagern I-IV auf, vor allem aber in I und I a. auf. Die Zwangsarbeiter waren aber in allen vier Lagern menschenunwürdig untergebracht. So wurde der leitende Arzt des damaligen Landesarbeitsamts auf viele Klagen hin zur offiziellen Begehung befohlen und erstellte anschließend einen schonungslosen Bericht, in dem er von völlig verdreckten Toiletten, von schmutzstarrenden Betten und von fehlendem warmen Wasser schrieb. Im Lager I zog der Gestank von den Toiletten durch alle Wohn- und Schlafräume.

Nach den Angaben im KM-Buch waren unter den 8.960 ab 1942 Beschäftigten bei KM 1.425 Kriegsgefangene und 3.588 Fremdarbeiter, alle aber Zwangsarbeiter. Bei diesen hatten die Franzosen mit 49% den größten Anteil, gefolgt von den Polen und Russen mit 33% und nur 6% Italienern. Aber auch Häftlinge aus dem Dachauer KZ wurden eingesetzt. Eine informative Tabelle dazu finden wir in „180 Jahre...“ und diese hier im Bild 2.

Die Anzahl der Zwangsarbeiter bei KM wuchs während des Krieges immer stärker, deshalb mussten in Allach möglichst schnell mehr Lager errichtet werden. Das waren allein für KM drei neue Lager und führte 1942 zum Bau des Lagers II in der Ludwigsfelder Straße (Bild 3). Über dieses Lager erschien im Januar 2021 mein Artikel „Kindheitserinnerungen an das Lager II ...“ Meine Zeitzeugin lebte als junges Mädchen im Haus ihrer Eltern in ca. 400 m Entfernung von diesem Lager und erlebte 1943 auch den Tod vieler Lagerinsassen durch einen sicher unerwarteten Sprengbombenabwurf bei einem Fliegerangriff auf München Nord, der eigentlich dem nahen Rangiergelände zugedacht war. Die im Lager Anwesenden waren in den nur für einen Splitterschutz gebauten Erdbunker geflüchtet (Bild 4) und deshalb verloren. Zu dessen Ausgrabung kam ich zufällig, als gerade der im Bild sichtbare Eingang zum Deckungsgraben freigelegt war.

Gegraben wurde aber auf dem gesamten Gelände durch eine Kampfmittelbeseitigungsfirma, weil KM-Wegmann, die Panzerbauer, einen Teil der großen verpachteten Fläche als ökologische Ausgleichsfläche freigeben musste. Angeblich hatte man bei KMW von einem Lager auf diesem Gelände nichts gewußt und deshalb auch nicht die zuständige Stelle beim Landesamt für Denkmalpflege benachrichtigt. Nun soll zumindest eine Informationstafel an das Lager II erinnern.

Lager III : Ein Franzosenlager hatte KM an der Lochhauser Straße, das eine besonders exponierte Lage hatte, weil sich die Baracken auf dem Damm befanden, den man 1942 für den dann eingestellten Bau der Reichsautobahn nach Ulm aufgeschüttet hatte. Das vorliegende Bild (Bild 5) stammt aus dem Jahr 1946, zeigt also bereits deutsche Flüchtlinge. Bilder aus der Kriegszeit liegen leider nicht vor. An das vermutlich 1956 aufgelöste Lager III erinnert heute ein Gedenkstein, der wiederum eine eigene Geschichte hat, die in einem anderen Artikel erzählt werden wird. Der Text, der hier wiedergegeben wird, lautet: „Auf diesem Gelände stand das Lager III. 1.300 französische Gefangenen des 2. Weltkrieges waren darin untergebracht. Nach 1945 fanden in den Holzbaracken ca. 1.500 Vertriebene und Flüchtlinge aus den damaligen deutschen Ostgebieten für viele Jahre eine Bleibe. Der Stein soll an alle erinnern, die hier lebten, litten und hofften.“

Auch dieses Lager III ist als Zwangsarbeiterlager noch nicht hinreichend erforscht, was sich auch darin zeigt, dass Andreas Heusler vom Stadtarchiv München, der für das gesamte Münchner Stadtgebiet über 130 Lager gefunden hat, dieses Lager III nicht erwähnt. Wichtig und nützlich wären hier Aufzeichnungen ehemaliger Lagerinsassen, die aber bisher noch nicht aufzufinden waren. „Nur die Lager III (französische Zivilarbeiter) und IV (sowjetische Kriegsgefangene) hatten eine nach Status und Nationalität einheitliche Belegschaft“, heißt es im KM-Buch. So mussten sich die französischen Arbeiter im Lager III in einem Bach waschen, wie die Autoren im KM-Buch schreiben, weil es in den Baracken keine Waschgelegenheit gab. Da es aber in der Gegend weit und breit keinen Bach gab, konnte nur die nahe Würm ihre Waschstelle sein. Sie schliefen zum Teil auf blankem Holz, weil sogar Strohsäcke fehlten. Das Lager auf dem Autobahndamm war der Witterung nach jeder Richtung hin schutzlos ausgesetzt. Für das Lager war, weil es sich meist um Zivilarbeiter handelte, nicht wie bei Kriegsgefangenen die Wehrmacht, sondern das betroffene Unternehmen, also KM zuständig.

Auch zum Lager IV gibt es wenige und dazu noch ungenaue Informationen. Das Lager, das ja von KM Russenlager genannt wurde, scheint im unmittelbaren Anschluss an Lager II bestanden zu haben und ein Lager der Reichsbahn gewesen zu sein. Das Landesamt für Denkmalpflege stellte mir dieses Bild zur Verfügung, auf dem die beiden eng benachbarten Lager II und IV (Bild 6, grün) zu sehen sind. Auch hier wäre eine Fundstelle gewesen, die auch nicht gemeldet wurde. Meines Wissens wurde vor Jahren auch dort eine ökologische Ausgleichsfläche geschaffen und die Lagergrundfesten in aller Stille beseitigt. Eventuell ist hier nicht KMW, sondern KM der Grundeigentümer, der hier rigoros mit unserer Vergangenheit umging.

Mit vertieften Nachforschungen könnte auch dieser Punkt vermutlich geklärt werden. Nach meinen kartengestützten Vorstellungen stand das Lager IV auf dem Areal, wo die Tafel für KM, Siemens und KMW steht.

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