Veröffentlicht am 05.05.2021 13:20

Auch die Digitalisierung kann zu Vereinsamung führen

Einsamkeit sei bereits vor Corona ein Thema von hoher Brisanz gewesen, das durch die Pandemie zusätzliche Dringlichkeit erfahren habe, betonte die Landesvorsitzende des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF), Astrid Paudtke, bei der digitalen Landestagung.

SkF-Bundesvorsitzende Hildegard Eckert wies darauf hin, dass unter der aktuellen Situation besonders die Menschen litten, die in Armut lebten.

Tendenz steigend

Die Psychologin Susanne Bücker von der Ruhr-Universität Bochum ging in ihrem Vortrag darauf ein, dass gerade junge Menschen unter 18 unter den Kontaktbeschränkungen litten. Hätten sich vor der Pandemie rund ein Drittel der Jugendlichen „manchmal“ oder „oft“ einsam gefühlt, so sei diese Zahl 2020 noch einmal angestiegen. Doch auch alle anderen Altersgruppen fühlten sich infolge der Pandemie deutlich einsamer als zuvor: Frauen häufiger als Männer und Menschen über 80 Jahren besonders stark. Insgesamt fühlt sich jeder sechste Mensch in der Pandemie einsam.

Einsamkeit habe verschiedene Ursachen, etwa die zunehmende Zahl von Einpersonenhaushalten. Während diese 1999 noch 33,6 Prozent aller Haushalte ausgemacht hätten, so gab es 2019 bereits 42,3 Prozent Einpersonenhaushalte - Tendenz steigend. Die zunehmende berufliche Mobilität mit häufigen Umzügen erschwere den Aufbau dauerhafter sozialer Kontakte. Auch die Digitalisierung könne zu Vereinsamung führen, denn sie ersetze keine persönlichen Kontakte. Einsamkeit habe nachweislich negative Auswirkungen auf die Gesundheit, betonte Susanne Bücker: Einsame Menschen hätten eine bis zu 20 Prozent kürzere Lebenserwartung.

Spaltung der Gesellschaft

Jürgen Rinderspacher, Lehrbeauftragter am Institut für Ethik, Zeitverwendung und Zeitökonomie an der Universität Münster, befasste sich mit der Zeiterfahrung in der Pandemie. „Die Zeit, die man nicht mit Personen in gewünschten Situationen verbringen konnte, ist unwiderruflich verloren“, erklärte er. Auch wenn viele Menschen durch Homeoffice und Kontaktbeschränkungen Zeit gewonnen hätten, so empfänden sie diese Zeit nicht immer als persönlichen Gewinn. Zeit könne aber auch für die persönliche Muße genutzt werden.

Zwei Punkte nimmt Rinderspacher bei der Zeiterfahrung in der Pandemie als problematisch wahr: Zum einen die zunehmende Entkoppelung der individuellen von der kollektiven Zeitplanung. Es werde so immer schwieriger, sich auf gemeinsame Auszeiten zu einigen. Zum anderen, dass sich eine gesellschaftliche Spaltung bei der Muße zeige. Hier kämen vor allem besser Verdienende zum Zug, die im Home-Office arbeiten könnten. Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen müssten während der Pandemie vielfach mehr arbeiten als vorher, ohne mehr Lohn zu erhalten.

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