Aufgrund eines Hinweises wurde durch die Gemeinde Karlsfeld bei drei neunstöckigen Gebäuden in der Nähe des Karlsfelder Bahnhofs festgestellt, dass die bereits bei der vorherigen Feuerbeschau 2017 festgestellten Mängel im baulichen Brandschutz – wohl auch coronabedingt – nur teilweise beseitigt wurden. Dies hat das Landratsamt Dachau mitgeteilt. Eine gemeinsame Ortsbesichtigung von Gemeinde, Landratsamt und Hausverwaltung habe kürzlich weitere gefährliche Mängel gezeigt: Der rechtlich vorgeschriebene zweite Rettungsweg ist in den drei betroffenen Gebäuden für viele Wohneinheiten nicht vorhanden. Die grundsätzlich mögliche, ersatzweise Sicherstellung durch eine Drehleiter der Feuerwehr war aufgrund der räumlichen Situation, den Stellplätzen sowie dem Baumbewuchs nur für einige wenige Wohnungen darstellbar.
Ein sogenannter „Anleiterversuch“ der örtlich zuständigen Karlsfelder Feuerwehr habe zudem gezeigt, dass insgesamt 41 Wohnungen weder mit Steckleitern noch mit der Dreheiter erreicht werden konnten. Die Kontrolle des ersten Rettungsweges durch das Treppenhaus ergab gravierende Mängel, insbesondere eine Vielzahl von nicht rauch- und feuerfesten Wohnungstüren. Nach Bewertung der örtlichen Feuerwehr sowie der Kreisbrandinspektion bestehe somit eine ernste Gefahr, da eine Rettung von Personen aus den nicht erreichbaren Wohnungen im Brandfall nicht sichergestellt werden könne und die Wohnungen selbst auch keinen Schutz vor den lebensgefährlichen Rauchgasen bieten.
Man habe die zuständige Hausverwaltung über das Ganze informiert. Im Rahmen eines Ortstermins mit der Gemeinde Karlsfeld und dem Landratsamt, der Feuerwehren, des Technischen Hilfswerks (THW), einem Vertreter des Kreisverbindungskommandos der Bundeswehr, dem Hausverwalter, einem hinzugezogenen Architekten sowie dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Wohnungseigentümergemeinschaft, habe man die bestehende Gefahr sowie mögliche sofort umsetzbare Lösungen diskutiert. Die – bereits 2017 geplante – Anlage der Feuerwehrzufahrten um die Gebäude solle nun schnellstmöglich realisiert werden, dauere aufgrund des Umfangs jedoch einige Wochen. Die Hausverwaltung hat nach Angaben des Landratsamtes Dachau zugesagt, bis dahin provisorische zweite Rettungswege in Form von Rettungstreppen durch eine Gerüstbaufirma aufstellen zu lassen.
Um die aufgrund der Lebensgefahr notwendige Räumung der 41 Wohnungen vermeiden zu können, einigten sich die Behörden mit der Hausverwaltung und den Bewohnern auf temporäre Brandschutzmaßnahmen; insbesondere da die Schaffung von Zufahrtsmöglichkeit für die Drehleiter durch das THW und die Bundeswehr kurzfristig nicht als realistisch eingestuft wurde. Neben einer nächtlichen Brandwache und dem Anbringen von Rauchmeldern auf allen Stockwerksfluren stellt die Karlsfelder Feuerwehr zwei Überdrucklüfter zur Verfügung, um das Treppenhaus im Brandfall umgehend entrauchen zu können.
Außerdem wurde durch temporäre Halteverbote sichergestellt, dass ein sogenanntes Hubrettungsfahrzeug der Werksfeuerwehr MTU, das im Regelfeuerwehrdienst nicht eingesetzt werden könne, im Notfall die Bewohner aus den von der Drehleiter nicht erreichbaren Wohnungen retten kann. Die entsprechenden Versuche der Werksfeuerwehr zogen sich bis kurz vor 21 Uhr hin und das alarmierte THW Dachau musste einen größeren Baum auf dem Grundstück fällen, um die Erreichbarkeit der Wohnungen sicherzustellen. Aufgrund dieser temporären Maßnahmen konnten Feuerwehr und Landratsamt den Vollzug der Nutzungsuntersagung der Wohnungen bis zum Aufbau der Nottreppen aussetzen.
Dachaus Landrat Stefan Löwl und Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe waren ebenfalls vor Ort und sprachen selbst zu den Betroffenen: „Es geht uns um Ihre Sicherheit und um Ihr Leben, sollte es brennen.“ Die meisten Bewohner zeigten Verständnis für die Situation sowie die Einsatzbereitschaft und den besonnenen Umgang seitens der Feuerwehren und Rettungs- sowie Hilfsdienste.