Fenster und Türen sind mit Brettern vernagelt und die Fassade mit Graffiti besprüht. Das Anwesen in der Westendstraße 35, zu dem Vorder- und Rückgebäude gehören, steht schon seit bald vier Jahren leer. Stadtteilbewohner und Bürgergremium forderten immer wieder das Ende dieses Leerstandes. Demnächst soll hier nun Wohnraum entstehen, der einer besonderen Gruppe von Wohnungssuchenden zur Verfügung gestellt wird: Für zuvor wohnungslose Frauen werden „Lebensplätze“ errichtet. Zur Zielgruppe gehören vor allem alleinstehende Frauen ab 50 Jahren, die lange Jahre ohne Obdach lebten und in verschiedenen Einrichtungen und Notquartieren untergebracht waren. Auch ein Angebot von Unterstützungsleistungen ist im Wohnkonzept enthalten. „Aktuell stehen über 40 Frauen auf der Warteliste für die bestehende Einrichtung“, erklärt Frank Boos, Sprecher des Sozialreferates. Ende 2022 soll das neue Zuhause bezugsfertig sein.
„Die Frauen haben aufgrund langjähriger Wohnungslosigkeit und der damit verbundenen Begleiterscheinungen sehr belastete Biographien“, sagt Frank Boos vom Sozialreferat auf Anfrage. „Ihre Persönlichkeiten sind besonders schutzbedürftig.“ Viele der Frauen, die in ein Appartement in die Westendstraße 35 einziehen werden, lebten zuvor in längerfristigen oder sogenannten akuten Übergangswohnungen der Wohnungslosenhilfe. „Der Schritt direkt von der Straße in eine eigene Wohnung ist in aller Regel zu groß“, erläutert Frank Boos. Die „Lebensplätze“ ermöglichen diesen Frauen, die auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt inklusive Sozialwohnungen keine Chance haben, eine eigene Wohnung zu mieten, ein selbständiges Wohnen in der eigenen Wohnung. „Es handelt es sich hier ausdrücklich nicht um ein Heim“, betont Boos. Zum Wohnkonzept gehört aber ein niederschwelliges Betreuungsangebot. Wer will, bekommt hier Vermittlung von Hilfen bei psychischen Erkrankungen oder Suchtproblematik oder findet Anschluss zu Gemeinschaft, etwa durch gemeinsame Kochveranstaltungen oder ähnliches. „Die Erfahrung aus der bestehenden Einrichtung zeigt, dass es zum Teil Jahre bedarf, bis die Frauen ein ausreichendes Vertrauen aufgebaut haben, um die Angebote anzunehmen“, so Boos.
Eine Einrichtung „Lebensplätze“ gibt es bereits seit 2011 im Lieberweg, Am Hart. Hier wohnen ehemals wohnungslose ältere Frauen in 26 Appartements. Mit der neuen Einrichtung im Westend sollen weitere 32 Wohnungen dazukommen, was den Bedarf in München in etwa decken würde. Betrieben wird die Einrichtung im Lieberweg vom Evangelischen Hilfswerk, die Betreuungskosten werden von der Landeshauptstadt München zu 100 Prozent bezuschusst. Wer die Trägerschaft für die Lebensplätze in der Westendstraße 35 übernehmen wird, steht bislang noch nicht fest. Das Haus aber befand sich früher im Eigentum der Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung (MGS). Der Stadtrat entschied, mit Beschluss von 2016, dass das Objekt an die städtische Wohnbaugesellschaft GWG übertragen wird, die nun die Lebensplätze baut.
Der bauliche Plan sieht vor, dass im Frühjahr mit dem Abbruch des Vordergebäudes begonnen werden soll. Das Rückgebäude wird erhalten und saniert. 28 der neuen Appartements sollen barrierefrei werden. Ins Erdgeschoss des Vorderhauses ziehen Büro, Pforte, Arztzimmer, Pflegebad und Gruppenräume mit Gemeinschaftsküche. Ins Hinterhaus kommen vier nicht barrierefreie Wohnungen, Hausmeisterwerkstatt und Lagerräume. Ende 2022 sollen die neuen Bewohnerinnen in die Westendstraße 35 einziehen können.