Wir alle wollen eine geschlechtergerechte Arbeitswelt. Wenn Sie – wie die „gute FeeF im Märchen – mit einem Fingerschnippen drei Dinge in Beruf, Schule, Familie, Gesellschaft oder Politik sofort ändern könnten: Was würden Sie tun, um für ein bisschen mehr Fairness unter den Geschlechtern zu sorgen?
Das wäre wirklich mein Traum – wenn ich mit Fingerschnippen mehr Gerechtigkeit herstellen könnte. Ich hätte auch eine Idee, wo ich anfangen würde, nämlich bei den Kindern. Bei blauen Matschhosen und rosa Kleidchen, bei Backnachmittagen im Mädchentreff und Abenteuerausflügen in den Wald für Jungs. Das ist alles für sich kein Problem, aber mit dem Blick aufs große Ganze ist es einfach unglaublich, wie stark unsere Gesellschaft Menschen von Kindesbeinen an in Geschlechterrollen presst.
Vielleicht fragen Sie sich, was das mit Ihrer Berufswahl zu tun hat. Sehr viel, denn nur weil es diese Geschlechterrollen und Klischees gibt, gibt es auch vermeintliche Männer- und Frauenberufe. Warum sollte ein Junge kein guter Grundschullehrer oder Arzthelfer sein? Warum ein Mädchen keine gute Mechatronikerin oder IT’lerin?
Das Problem ist, dass diese Berufe sehr unterschiedlich bezahlt werden. Die Lücke bei den Gehältern von Männern und Frauen erklärt sich in der Regel nicht damit, dass der Erzieher mehr verdient als die Erzieherin. Aber in technischen Berufen kann man fast immer mehr Geld verdienen als im Sozialbereich. Ich kann Ihnen nur raten, bei der Berufswahl Ihren eigenen Wünschen, Interessen und Talenten zu folgen. Lassen Sie sich nicht von vermeintlichen Männer- oder Frauenberufen abschrecken oder leiten.
Wenn’s ums Geld geht, wird später ein anderer Punkt wichtig: Wer weniger arbeitet, verdient meist auch weniger. Nach wie vor reduzieren Frauen ihre Arbeitszeit stärker als Männer, wenn es darum geht, sich um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu kümmern. An dem Punkt würde ich auch gerne schnippen. Wir brauchen andere Rahmenbedingungen, um eine faire Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zu erreichen. Stichworte sind hier die Abschaffung des Ehegattensplittings oder andere Regeln für Mini-Jobs. Und wir brauchen auch hier eine noch stärkere Veränderung in den Köpfen. Der Mann als Ernährer, die Frau als sorgende Mutter – stellen Sie sich Ihre Zukunft wirklich so vor? Es macht einfach viel mehr Spaß, sich die Arbeit aus beiden Sphären zu teilen – Sorgen und Freude mit der Familie, Herausforderungen und Erfolge im Job.
Einen letzten Fingerschnippser widme ich Corona und wünsche das Virus hinter einen sicheren Schutzwall aus Impfstoffen und Medikamenten. Ich weiß, wie wichtig für junge Menschen das Leben und Erleben ist. Feiern, reisen, Sport oder Freunde treffen. Ich wünsche mir sehr, dass all das bald wieder möglich ist.
Können Sie sich für Ihre Position eine Frau als Nachfolgerin vorstellen?
Selbstverständlich kann ich mir eine Frau als Nachfolgerin im Amt vorstellen. Ich hoffe, dass eine rein männlich besetzte Stadtspitze ohne Bürgermeisterin oder Oberbürgermeisterin nur noch in den Geschichtsbüchern zu finden ist.