Veröffentlicht am 11.12.2020 13:14

„Die schönsten Erlebnisse waren die persönlichen Momente”

Bastian Sinner. (Foto: privat)
Bastian Sinner. (Foto: privat)
Bastian Sinner. (Foto: privat)
Bastian Sinner. (Foto: privat)
Bastian Sinner. (Foto: privat)

Worüber habe ich mich dieses Jahr besonders gefreut? Mir kommt das letzte Jahr irgendwie wie ein sozialer Minimalismus vor: du darfst nur noch 50 Dinge besitzen, du darfst dich nur noch mit fünf Menschen treffen; und genau wie beim Minimalismus schätzt man aber auch dann das, was man hat, deutlich mehr als davor. Und so fällt mir die Antwort auf die Frage, was mir 2020 am meisten Freude bereitet hat, schwer.

Sind es die großen Dinge, wie der Moment, als ich meine letzte Abiturprüfung geschrieben habe, obwohl man doch immer im Hinterkopf hatte, dass man es ohnehin nicht wie all die Jahre zuvor feiern kann, ohne sich rücksichtslos zu verhalten? Sind es die weltbewegenden Dinge, wie der schon längst überfällige Diskurs über strukturellen Rassismus oder der Fakt, dass es nach neuen, zugegebenermaßen optimistischen Berechnungen, tatsächlich noch möglich ist, die Pariser Klimaziele zu erreichen? Und auch wenn das alles zweifelsfrei wichtige Ereignisse waren, so sind, glaube ich, die schönsten Erlebnisse, die persönlichen Momente, in denen ich in den Sommermonaten mit Freunden Wanderungen unternommen habe oder in den Wintermonaten lange nicht gesehene FreundInnen wiedergesehen habe. Auch das erste mal, nachdem es lange Zeit nicht möglich war, wieder Musik zu spielen, war besonders schön und ich glaube vielen Menschen ging es mit ihren Hobbys ähnlich.

Auch sehr schön war für mich der 25. September diesen Jahres, an dem wir zum weltweiten Klimastreik auch in Weilheim eine kurze Demonstration organisierten, zu der sich, trotz Kälte, Corona und natürlich Masken und Abstandpflicht ungefähr 120 Menschen wie selbstverständlich versammelten, um für ihre Zukunft zu demonstrieren.

Das führt mich auch direkt zu dem, worauf ich mich 2021 am meisten freuen würde: Und ja, natürlich freue ich mich, wie jeder Mensch, wenn die Beschränkungen guten Gewissens wieder aufgehoben werden können, aber den Ausdruck, dass ich möchte, dass alles wieder normal wird, kann ich so nicht ganz befürworten. Man muss sich vor Augen halten, dass es uns als Menschheit gelungen ist, noch nicht einmal innerhalb eines Jahres eine globale Bedrohung zu erkennen, zu analysieren und zu bekämpfen, was in der Menschheitsgeschichte bis jetzt sicherlich herausragend ist, aber hoffentlich nicht bleibt. Und ja, natürlich hätte man vieles besser machen können, aber allein die wissenschaftliche Leistung, in einer so kurzen Zeit einen Impfstoff zu entwickeln, ist beeindruckend. Und genau deshalb möchte ich nicht, dass alles wieder normal wird, denn diese alte Normalität hatte auch schlechte Seiten und es wäre jetzt eine Chance, Dinge auch neu zu denken, oder sogar einfach weiter zu übernehmen. Im Kleinen können das Flüge für Geschäftsreisen sein, die durch umweltfreundlichere, billigere und auch ehrlicherweise entspanntere Videoanrufe ersetzt werden können, aber im Großen eben auch die Wertschätzung von sogenannten systemrelevanten Berufen. Wertschätzen kann man hier ganz wörtlich im Sinne der neuen Schätzung des Wertes der Leistung begreifen, die diese Menschen für die Gemeinschaft erbringen und die auch dementsprechend entlohnt werden muss. Aber vor allem sollte man aus der Bewältigung dieser Krise auch mit Bewusstsein und Blick auf die nächste, größere Krise hervorgehen.

Ich wünsche mir, dass die Befürchtungen eines Klimaforschers, der positive Effekt der Corona-Pandemie auf das Klima könnte sich nach der Krise umso stärker umkehren, weil alle zurück in der Normalität eben nicht gelernt haben werden, nicht eintritt. Ich freue mich, wenn wir alle nächstes Jahr in einer neuen vernünftigeren, besseren Normalität ankommen.

north