Veröffentlicht am 25.11.2020 17:43

Erich Klapproth, der Bruder der „Schwarzen Rosa“


Von Walter G. Demmel
Bild 2 (Foto: Polizeibericht/ Stadtarchiv München)
Bild 2 (Foto: Polizeibericht/ Stadtarchiv München)
Bild 2 (Foto: Polizeibericht/ Stadtarchiv München)
Bild 2 (Foto: Polizeibericht/ Stadtarchiv München)
Bild 2 (Foto: Polizeibericht/ Stadtarchiv München)

Ein Artikel im Internet, der der bekannten Allacher/Karlsfelder Malerin Edeltraut Klapproth (1909-2005) gewidmet ist, beschäftigt sich zur Hälfte mit ihrem, nur historisch interessierten Kreisen bekannten Mann Erich Klapproth. Aus bildrechtlichen Gründen bringe ich hier nicht Erich Klapproth, sondern die „Schwarze Rosa“, die Schwester Erichs und Großmutter von Frau Rabisch bei der frühkindlichen Kopfwäsche (Bild 1). Da Erich Klapproth nicht nur in den Tagen vor dem Einmarsch der Amerikaner in Allach eine auffällige Rolle spielte, habe ich mich entschlossen, den Mann von Edeltraud Klapproth genauer zu betrachten, als ich dies in meinem Buch „Münchener Vorstadtgeschichten. Allach-Untermenzing“ mit dem Einmarsch der Amerikaner in Allach 1945 (S. 54-57) getan habe.

Um Klapproth (1894-1945) zu charakterisieren, muss man unbedingt kurz in seine Entwicklung zurückgehen. In ihrem lesens- und beachtenswerten Buch „Am Unterlauf der Würm“ schreibt Edeltraud Klapproth nur kurz: „1931 heiratete ich Erich Klapproth und zog mit ihm nach Ostpreußen.“ Sie hatte also aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen diesen Mann fürs Leben gefunden, dessen Tod sie und ihre Kinder mit äußerster Hartnäckigkeit mit „gefallen im Krieg“ gegen alle objektiven Nachweise bezeichneten. Auf die Wahrheit wird hier noch eingegangen werden.

Dieser „Gefallene“ taucht aber schon vor dem Einmarsch der Amerikaner in Allach am 29.04.1945 als aktiv Handelnder auf (Bild 2). Durch diesen Münchner Polizeibericht vom 28.04.1945 wird klar, dass er sich in Allach aufhielt und wieder einmal brutal vorging. Das Geheimnis, das Erich Klapproth schon vor seiner Hochzeit umgab, schildert Birgit Rabisch in einem höchst interessanten Tatsachenroman mit dem Titel „Die Schwarze Rosa“ (Bild 3), in dem sie mit viel Gefühl das Schicksal einer jungen Frau, Rabischs Großmutter, schildert, die den beschönigenden Erklärungen ihres Verlobten Paul Schulz verfällt und schließlich sogar die Verbrechen ihres Bruders Erich rechtfertigt. Die Abgründe, die sich hier in den Jahren der Weimarer Republik auftun, werfen ein entsprechendes Licht auf Erich Klapproth. Wusste seine spätere Frau dies alles, bevor sie ihn heiratete und ihm zwei Kinder in Allach, drei in Berlin und drei in Sejny/Polen gebar? Und warum wurde sie zur unverständlichen Leugnerin seines nachgewiesenen Todes in Karlsfeld?

Um Erich Klapproth zu charakterisieren, muß man kurz in seine Biografie schauen, wie sie Rabisch in ihrem Roman schildert oder wie sie bei Wikipedia beschrieben ist. Er war der Älteste von acht Kindern des armen Hauswebers Christoph K. in Schadeleben im Salzlandkreis, arbeitete zunächst in der häuslichen Webarbeit, mit der die ganze Familie beschäftigt war. Etwa mit 14 Jahren fing er dann eine Schnapsbrenner-Lehre an, die er aber abbrach und sich nach anderen Beschäftigungen umsah. Schon in der Schule hatte es kaum einen Tag gegeben, an dem Erich keinen Streit angezettelt hatte. „Da er nicht nur stark, sondern auch aufbrausend war“, schreibt Frau Rabisch, „galt er bald als unverbesserlicher Raufbold”.

1910 zog die Familie durch Erichs Vermittlung in die Nähe von Posen, wo sie sich unter vollem Einsatz aller Familienmitglieder ein eigenes Heim baute. 1914 wurde Erich Klapproth als 20-Jähriger zur Marine eingezogen und zum Artillerie-Matrosen ausgebildet, wurde dort auch zum besten Pistolenschützen seiner Kompanie. Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft schloss er sich der Schwarzen Reichswehr an. Kein Zweifel besteht, dass Klapproth und andere für die Folterung und Hinrichtung von verdächtigen Mitgliedern der Schwarzen Reichswehr zuständig waren. Klapproth wurde im März 1927 zum Tode verurteilt, das Urteil aber im Februar 1928 zu lebenslanger Haft abgeändert. 1930 wurde nach dem Einzug der NSDAP-Abgeordneten in den Deutschen Reichstag ein Amnestiegesetz erlassen, womit alle wegen ihrer Fememorde Verurteilten freigelassen wurden. 1933 wurde er nach dem Gleichschaltungsgesetz v. 7. 4. 1933 als einer der Ersatzmänner in den Gemeinderat von Allach gewählt (Bild 4). Als Beruf war Landwirt angegeben, der in der damaligen Dachauer Str. 35 wohnte.

Bei Rabisch ist nachzulesen, dass Klapproth nach seiner Haftentlassung bei der SA-Standarte Hochland Sturmführer, nach dem Überfall auf Polen 1939 dort zum NSDAP-Kreisleiter befördert, in Sejny/Polen eine Landwirtschaft mit Fischerei erhielt und damit Gutsbesitzer wurde.

Im August 1944 mußte die Familie Klapproth vor der nahenden Roten Armee in ihre bayerische Heimat zurück flüchten, vermutlich zusammen mit Erich Klapproth, der auch von seinen polnischen Arbeitern gejagt wurde. Im Karlfelder Haus von Edeltrauts Eltern wohnend trat Erich Klapproth Ende April, noch vor dem Einmarsch der Amerikaner, als Leiter des Allacher Volkssturms an die Stelle von Erich Spahn (1896-1945). Dieser war von seinem Stellvertreter Johann Hohenleitner (Jg. 1910) bei einem Streit um die in einer Allacher Scheune eingelagerten Waffen am 28.04.1945 mit vier Kugeln aus einem Maschinengewehr erschossen worden, so berichtet jedenfalls Veronika Diem in ihrer Dissertation. Hohenleitner und Klapproth sollen schon in früheren Jahren befreundet gewesen sein und so einiges voneinander gewußt haben.

Zum Tod Erich Klapprots sei hier ein Bericht des Würmtalbotens vom April 1955 über die Sühneverhandlung vor Gericht zu Grunde gelegt (Bild 5).

Als Erich Klapproth, der als überzeugter Nationalsozialist galt, den Posten des Allacher Volksturmführers übernahm, wurde Hohenleitner sein Stellvertreter. Wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner schlug dieser sich auf die Seite einer Widerstandsgruppe und wurde von den Amerikanern zum kommissarischen Bürgermeister von Allach bestellt, Klapproth aber gefangen genommen und nach einigen Tagen auf Ehrenwort nach Karlsfeld entlassen. Wie dann dieser erschossen wurde, kam zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt erst zur Sprache. „Die Staatsanwaltschaft München II“, so der Würmtalbote,“hatte gegen den 44jährigen Johann Hohenleitner, den 58jährigen Kriminalkommissar a. D. Josef Vogler und den 25jährigen, in Berlin gebürtigen Arbeiter Erich Rate Anklage wegen Mordes und Anstiftung zum Mord erhoben.“ Wie sich die Ermordung Klapproths im Einzelnen tatsächlich abspielte, läßt sich nicht mehr rekonstruieren, sicher ist aber, so Birgit Rabisch: „Am 3. 5. 1945 lag Erich in seinem Blut tot auf der Schwelle seines Hauses, erschossen vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder. Er wurde von seiner Familie im eigenen Garten beerdigt. Mir scheint sich in der Art seines Todes auf makabre Weise seine Vergangenheit als Fememörder zu spiegeln.“

Dem ist doch wohl nichts hinzuzufügen.

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