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Veröffentlicht am 16.12.2020 12:45

Erfahrung trumpft auf


Johannes Beetz
Johannes Beetz
Chefredakteur
seit 1999 bei der Gruppe der Münchner Wochenanzeiger
Mitarbeit im Arbeitskreis Redaktion des Bundesverbands kostenloser Wochenzeitungen (BVDA)
Gewinner des Dietrich-Oppenberg-Medienpreises 2017 (Stiftung Lesen)
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war 1992 bis 1996 sowie 2009 bis 2013 Bundesjustizministerin. Heute ist sie stv. Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung. (Foto: FNF_Tobias Koch)
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war 1992 bis 1996 sowie 2009 bis 2013 Bundesjustizministerin. Heute ist sie stv. Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung. (Foto: FNF_Tobias Koch)
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war 1992 bis 1996 sowie 2009 bis 2013 Bundesjustizministerin. Heute ist sie stv. Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung. (Foto: FNF_Tobias Koch)
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war 1992 bis 1996 sowie 2009 bis 2013 Bundesjustizministerin. Heute ist sie stv. Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung. (Foto: FNF_Tobias Koch)
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war 1992 bis 1996 sowie 2009 bis 2013 Bundesjustizministerin. Heute ist sie stv. Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung. (Foto: FNF_Tobias Koch)

Geteilte Freude ist doppelte Freude: Ist das nicht ein etwas blauäugiges Versprechen? Sich zu ärgern geht ohnehin viel leichter als sich herzlich zu freuen. Kann man sich in einem schwierigen Jahr wie dem zu Ende gehenden überhaupt freuen - und sei es nur über Kleinigkeiten? Was ist „Freude” überhaupt? Wir haben unsere „Trümpfe” gebeten, „mit Freude” zurück und nach vorne zu sehen:

„Freude hat keine Altersgrenze”

Ulrike Mascher:

Freude hat keine Altersgrenze und keine Mindestgrößenangabe. Zugegeben, Kinder sind vielleicht spontaner – auch beim Freuen. Ich kann mich dafür auch über kleine Momente freuen. Im Herbst zum Beispiel, beim Blick aus meinem Küchenfenster, über das goldgelbe Laub, das in der Sonne aufleuchtet. Und jedes Jahr im Advent freue ich mich auf das gemeinsame Backen mit meiner Schwester: Honiglebkuchen und Vanillekipferl! Das Backen gehört für mich einfach zu einer schönen Weihnachtszeit. Optimismus und Freude sind für mich eng verknüpft.

Wenn ich ans nächste Jahr denke, dann hoffe ich auf ein „gut geimpftes“ Pfingstwochenende. Am liebsten würde ich mich auf einer Radltour an der Donau sehen. Freude, am besten geteilte Freude, wirkt auch nachhaltig. Es ist immer schöner, etwas gemeinsam mit Freunden zu unternehmen. Ich freue mich zum Beispiel über die Fotos, die dann entstehen, und weiß, dass ich damit auch viel später noch viele schöne Erinnerungen und Freude haben werde, die wir miteinander teilen können. Nörgeleien liegen mir grundsätzlich nicht. Ich finde es viel angenehmer, jemanden zu loben oder mich bei jemandem zu bedanken. Das schafft eine freundliche Grundstimmung und ein gutes Miteinander.

„Freude erlebe ich erst richtig in der Begegnung”

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Freude macht zufrieden und gehört zum sich Wohlfühlen dazu. Freude im stillen Kämmerlein ist auch ganz schön, aber Freude erlebe ich erst richtig in der Begegnung mit anderen Menschen. Wenn andere Menschen sich freuen und wenn ich etwas dazu beitragen kann – mit einem Rat, mit Hilfe, mit dem Reden über aktuelle Probleme, dann fühle ich mich auch wohl und freue mich.

Ab März 2020 gab es immer weniger Gelegenheiten zur Begegnung. Die Corona-Pandemie hat uns besonders in unseren Kontakten sehr stark eingeschränkt. Sie hat unser tägliches Leben verändert, manche Menschen einsam gemacht, manche müssen sich um ihre wirtschaftliche Existenz sorgen und besonders Alleinerziehende müssen Unglaubliches im Home Office mit Home schooling leisten. Sorge, Angst und Unsicherheit über die Zukunft und darüber, wann die Pandemie überwunden ist, geben im Moment wenig Anlass zur Entspannung.

Und dennoch gibt es Anlass zur Freude. Darüber, dass in der Nachbarschaft die gegenseitige Hilfsbereitschaft groß ist. Darüber, dass es kreative Musikangebote gibt – im Freien und mit Abstand. Darüber, dass sich junge Menschen so toll auf die ständigen Veränderungen im Schulbetrieb einstellen und digital voranpreschen. Darüber, dass sich der Gastwirt um die Ecke immer wieder neue Gerichte zum Abholen einfallen lässt. Darüber, dass sich Ärzte und Pflegekräfte so aufopferungsvoll um Erkrankte kümmern. Darüber, dass im harten Lockdown die Buchhändlerinnen und Buchhändler alle Formen der telefonischen und digitalen Bestellung sowie Abhol- und Bringservice nutzen. Ihre Beratung macht mir Freude und überzeugt mich immer wieder, dass es auch ohne Online-Einkauf geht.

Die positive Seite der Beschränkungen ist, dass es mehr Zeit zum Lesen und für die Musik gibt, wenn auch zuhause und nicht in einem vollen Konzertsaal. Krimis ohne allzu lange Unterbrechung in sich reinzuziehen, lässt die Spannung intensiv geniessen und macht Freude, wenn die Lösung in die Nähe der eigenen Vorstellungen kommt. Das klassische Musikangebot im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist beeindruckend und rechtfertigt angemessene Rundfunkgebühren. Beethoven erfreut hoffentlich sehr viele Menschen nach einem stressigen beruflichen Tag mit seiner „Ode an die Freude” und gibt ihnen viel Kraft.

„Schon schwierig, aber erreichbar”

Dr. Walter G. Demmel:

Die Freude ist schwierig, könnte man in Anlehnung an Sokrates (469-399 v. Chr.), einen der bedeutendsten Philosophen des griechischen Altertums sagen. Sokrates vertrat die innere Freude, die Eudaimonia, also dass menschliches Glück aus innerer Freude resultiert und nicht aus dem Genuss äußerer Lustbarkeiten besteht.

Freude ist aber auch schwierig, wenn wir Epikur (341-270 v. Chr.), den griechischen Begründer der hedonistischen Lehre zu Hilfe nehmen. Er predigte den Rückzug aus der verderbten politischen Öffentlichkeit in den eigenen Garten, also ins Private. Gelassenheit ist für ihn die höchste Lust und Freude.

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