Veröffentlicht am 14.09.2020 10:52

„Es gibt keinen Stempel“


Von red
Thomas Götz ist Rektor des Adolf-Weber-Gymnasiums in Neuhausen. (Foto: sb)
Thomas Götz ist Rektor des Adolf-Weber-Gymnasiums in Neuhausen. (Foto: sb)
Thomas Götz ist Rektor des Adolf-Weber-Gymnasiums in Neuhausen. (Foto: sb)
Thomas Götz ist Rektor des Adolf-Weber-Gymnasiums in Neuhausen. (Foto: sb)
Thomas Götz ist Rektor des Adolf-Weber-Gymnasiums in Neuhausen. (Foto: sb)

Während des Corona-Lockdowns im Frühjahr und den Auswirkungen der Pandemie war gerade im ersten Halbjahr 2019 an einen Schulalltag, so wie man ihn kennt, nicht zu denken und der Start ins Schuljahr 2020/21 gestaltet sich alles andere als normal. Wie hat sich das alles eigentlich auf die Schüler, vor allem auf die der Abschlussklassen, ausgewirkt? Gibt es bei den Schulabgängern des Schuljahres 2019/20 eine Art Corona-Stempel? „Das glaube ich nicht“, sagt Thomas Götz, Rektor des Adolf-Weber-Gymnasiums (AWG) in München. „Natürlich hat sich die Situation durch Corona merklich verändert. Aber unser Abiturschnitt lag heuer um 0,01 Prozent schlechter als im Vorjahr.“

„Das Abitur war auf dem Niveau des Vorjahres“

Am AWG haben nach Angaben des Schulleiters genauso viele Schüler Abitur gemacht, wie im Schuljahr zuvor. Der einzige Unterschied: „Wegen Corona gab es niemanden, der nicht zum Abitur zugelassen war, und auch niemanden, der durch die Prüfungen gefallen ist“, betont Thomas Götz. Und auch die Vorbereitungszeit auf das reine Abitur sei auf dem Niveau des Vorjahres gewesen. „Das war nicht signifikant schlechter, würde ich sagen. Der Schuljahrgang 2019/20 hat sich sein Abitur ganz normal verdient“, meint der Rektor.

Chance Homeschooling

Doch eine Veränderung macht Thomas Götz fest: nämlich die Vorbereitungszeit auf das zweite Schulhalbjahr. „Das war aufgrund der Schulschließung natürlich anders. Aber meine Kollegen in der Q12 waren für die Schüler online gut zu erreichen und konnten sie so gut unterstützen.“ Für den Schulleiter war es eigenen Angaben zufolge sehr interessant, dass Schülern, die die Chance des Homeschoolings online ergriffen haben, „sich effektiv vorbereiten konnten und mehr Lernzeit für das Abitur zur Verfügung hatten“, sagt er. „Die Schüler der Oberstufe konnten selbstständig das Unterrichtsmaterial erarbeiten. Die Online-Beschulung ermöglicht zudem, dass individueller gearbeitet werden kann und sich die Schüler individuell an die Lehrer wenden können. Man ist im Grunde viel näher dran.“

„Zusatzangebote für die Schüler“

Doch eine Sache bereitet dem Gymnasialrektor Sorge. „Wir stellen uns schon die Frage, wie wir mit den aktuellen 12. Klassen umgehen, die im vergangenen Schuljahr im Grunde ein halbes Jahr versäumt haben“, erklärt Thomas Götz. „Aufgrund der Corona-Pandemie war es nicht möglich, im Online-Unterricht so viel zu schaffen, wie im Präsenz-Unterricht. Deshalb haben wir Zusatzangebote für die Schüler angeboten.“ Er selbst gehe davon aus, dass es auch für den Abschlussjahrgang 2020/21 keinen Corona-Stempel geben werde. „Abstempeln sollte man ja im Grunde nie jemanden, auch wenn das Abitur vielleicht etwas entspannter wird, weil bestimmte Themen ausgeschlossen werden. Aber das weiß ich noch nicht. Das Abitur ist sicherlich auch dann anspruchsvoll, wenn es reduziert werden sollte“, betont der Schulleiter.

„Corona-Pandemie eine große Herausforderung“

Insgesamt ist die Corona-Pandemie eine große Herausforderung für Schulen. „Die Schließungen im Frühjahr waren für uns im Grunde schon absehbar. Deshalb haben wir uns zwei Fragen gestellt: zum einen, wie geht es überhaupt weiter, zum anderen, wie können wir das Thema Online-Beschulung von 0 auf 100 hochfahren?“ Am AWG sei man technisch als Schule zwar hochmodern aufgestellt, „aber auf Homeschooling waren wir nicht vorbereitet. Das war eine große Herausforderung.“ Zu Beginn habe man versucht mit der Online-Plattform „mebis“ zu arbeiten, doch weil die Website wegen des Ansturms große Probleme hatte, „haben uns aus dem Nichts neu aufstellen müssen und ein Schülerportal eingeführt. Das war – in einer Nacht- und Nebelaktion- ein Riesenschritt für uns.“

„Wir wissen nicht, was kommt“

Insgesamt werde es auch im kommenden Schuljahr spannend, sagt der Rektor, „weil wir nicht wissen, wie genau es weitergeht und was noch kommen wird. Wir haben hier zum Beispiel kein flächendeckendes Wlan. Das wäre einer meiner großen Wünsche für die unmittelbare Zukunft. Es sind ja auch schon digitale Konzepte entwickelt worden und die gilt es jetzt umsetzen. Da wird sich sicher noch einiges tun in Zukunft und das ist auch positiv.“ Insgesamt hatten nur 28 der 840 Schüler des Adolf-Weber-Gymnasiums das Klassenziel nicht erreicht. Sitzenbleiben musste aufgrund von Corona aber niemand. „Wir haben Maßnahmen ergriffen und zum Beispiel auch Ersatzprüfungen angeboten“, erzählt Thomas Götz. „Niemand ist durchgefallen, alle konnten auf Probe vorrücken. Wir werden weiter Fördermodule anbieten, damit die Schüler eventuelle Lücken schließen können.“ Zudem gebe es Schüler gegeben, die freiwillig die Klasse wiederholen. „Das sehen wir aus pädagogischer Sicht als durchaus sinnvoll an.“

„Gemeinsames Miteinander”

Die Corona-Situation sei für alle am AWG eine extreme Herausforderung gewesen – egal ob Schüler, Eltern oder Lehrer und Schulverwaltung. „Die Schulgemeinschaft insgesamt war sehr gefordert. Wir haben aber auch einen großen Schritt für ein gemeinsames Miteinander gemacht“, betont Thomas Götz. Mit dem, wie er es nennt, „epochalen Modell“ der Beschulung, das heißt eine Woche Präsenzunterricht vor Ort im Gymnasium, eine Woche Online-Beschulung zu Hause, könne man grundsätzlich weiterarbeiten, meint der Rektor. „Wir müssen erstmal abwarten und schauen, wie es schlussendlich weitergeht.“ Und einen Wunsch an die Politik hat Thomas Götz auch noch: „Staat und Land sollten es schaffen, das Onlineschooling flächendeckend möglich ist.“

„Vollwertige Abschlüsse“

Michael Piazolo, bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus:

„Die bayerischen Schulabschlüsse sind ein wertvolles Qualitätssiegel und stehen in ganz Deutschland für Können, Durchhaltevermögen und Fleiß. Das gilt für dieses besondere Jahr genauso wie für alle anderen Jahre vorher. Hinter uns liegt kein einfaches Jahr: Wir alle standen mit den bayernweiten Schulschließungen im März vor großen Herausforderungen. Vieles musste neu durchdacht und geregelt werden. Abschlüsse mit Corona-Stempel wollte ich unbedingt vermeiden. Ich habe deshalb dafür gekämpft, dass die Schülerinnen und Schüler vollwertige Abschlüsse machen können. Die Abschluss- und Abiturprüfungen haben wir in den Frühsommer verschoben, um die Zeit der Schulschließungen auszugleichen. In Kleingruppen fokussierten sich die Schülerinnen und Schüler also ab dem 27. April auf Kernfächer und dabei besonders auf prüfungsrelevante Themen. Mit Erfolg: Die aktuellen Notenschnitte und Bestehensquoten der verschiedenen Schularten sind vergleichbar mit denen der Vorjahre, manchmal sogar noch besser.

Bei aller Freude über diese Ergebnisse gab es natürlich auch im Schuljahr 2019/20 Schülerinnen und Schüler, bei denen es nicht ganz für den Abschluss gereicht hat. Die Gründe hierfür sind wie in jedem Jahr sehr unterschiedlich. Ich möchte den betroffenen Schülerinnen und Schülern Mut machen, am Ball zu bleiben. Es gibt immer die Möglichkeit eines zweiten Anlaufs oder viele Alternativmöglichkeiten zur Gestaltung des beruflichen Werdegangs. Wichtig ist, nie aufzugeben. Insgesamt finde ich es sehr beeindruckend, dass wir alle gemeinsam – Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrer, Verwaltungsangestellte und Schulleitungen – die Schule am Leben gehalten haben. Dafür danke ich allen sehr herzlich.“

„Wir haben Vorbereitungen getroffen“

Stadtschulrätin Beatrix Zurek, Leiterin des Referats für Bildung und Sport der Landeshauptstadt München:

„Für rund 162.500 Schülerinnen und Schüler hat am 8. September das neue Schuljahr begonnen. Der Freistaat gibt für den Unterricht in Zeiten der Corona-Pandemie einen Drei-Stufen-Plan vor, der sich am lokalen Infektionsgeschehen orientiert. Für weitere Phasen des Homeschoolings hat die Landeshauptstadt München als Sachaufwandsträgerin für die öffentlichen Schulen in München Vorbereitungen getroffen. Den Schulen steht das Tool 'MS Teams for Education' zur Verfügung. Schülerinnen und Schüler, die zuhause kein geeignetes Endgerät haben, erhalten Leihgeräte, bei Bedarf mit SIM-Karte. Die ersten 6000 Tablets als Leihgeräte wurden seit dem Frühjahr bereits beschafft, über 2.000 weitere Geräte folgen. Damit setzt sich die Stadt München für Bildungsgerechtigkeit ein. Das pädagogische Personal profitiert von einem umfangreichen Qualifizierungsangebot des städtischen Pädagogischen Instituts – Zentrum für Kommunales Bildungsmanagement.“

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