Veröffentlicht am 10.08.2020 13:02

Ärztesterben in Aubing


Von Patrizia Steipe
Die ärztliche Versorgung in Aubing wird immer schlechter. (Foto: pst)
Die ärztliche Versorgung in Aubing wird immer schlechter. (Foto: pst)
Die ärztliche Versorgung in Aubing wird immer schlechter. (Foto: pst)
Die ärztliche Versorgung in Aubing wird immer schlechter. (Foto: pst)
Die ärztliche Versorgung in Aubing wird immer schlechter. (Foto: pst)

Aubing droht ein dramatisches Ärztesterben. Mehreren Ärzten wurden die Mietverträge gekündigt und es gibt derzeit keine zeitlich passende Perspektive für neue Räume in Aubing oder Freiham. Es handelt sich um Praxen in der Wiesentfelser Straße und in der Riesenburgstraße. Dabei ist die Ärztedichte in Aubing im Verhältnis zum Münchner Durchschnitt sowieso schon gering. Egbert Scherello hatte dem Bezirksausschuss 22 in der letzten Sitzung eine Statistik präsentiert, die es in sich hatte. Basierend auf den Zahlen des neuen „Statistischen Jahrbuchs 2020“ hatte er ausgerechnet, dass ein Arzt in Aubing dreimal mehr Patienten versorgen müsse wie im Münchner Durchschnitt. Betreut ein Arzt statistisch gesehen 392 Münchner, muss er sich im Stadtbezirk Aubing-Lochhausen-Langwied um 1.067 kümmern. Besonders viele Ärzte fehlten bei den Haus- und Kinderärzten und es sind genau solche, die jetzt ihre angestammten Praxen verlassen üssen.

Tanja Goldbrunner und ihre Kollegin Meike Tissen betreiben die Hausarzt-Praxis in der Wiesentfelser Straße seit 2017. Da das Ladenzentrum abgerissen werden soll, wurde den Ärzten Ende 2021 gekündigt, aber auch „die Apotheke, eine internistische Praxis, Zahnarztpraxen und Physiotherapie“ müssen gehen, zählte das ehemalige BA-Mitglied Christian Stockmann auf. Er befürchtete eine „massive medizinische Unterversorgung von tausenden Patienten und Patientinnen in unserem Stadtgebiet“. Seit 2017 ist Goldbrunner auf der Suche nach neuen Praxisräumen im Viertel – gefunden hat sie nichts. Rund 250 Quadratmeter groß müssten die Räume nämlich schon sein. Vor allem mit dem aktuellen Hygienekonzept müsse es die Möglichkeit geben, dass sich kranke Patienten nicht gegenseitig in einem engen Wartebereich anstecken. „Uns werden aber ständig die Türen vor der Nase zugehauen“, ärgert sie sich. Auch wenn in Freiham neue Räume entstünden, wären diese erst Monate nach ihrer Kündigung fertig. „Da ist mindestens ein Jahr Differenz. Wo sollen wir in der Zwischenzeit hin?“, so Goldbrunner, die gerne in der Nähe ihrer älteren und chronisch kranken Aubinger Patienten bleiben würde.

Stadt soll attraktive Praxen anbieten

Laut der Statistik von Scherello müssten in Freiham 76 neue Ärzte angesiedelt werden, um die wachsende Bevölkerung zu versorgen. Doch da bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Ärzte auf München gesamt und nicht auf einzelne Stadtviertel verteilt werden, werde nichts unternommen, um Ärzte an den Stadtrand zu binden. Hier müsste die Stadt tätig werden und durch die Wohnungsbaugesellschaften attraktive Praxen vorhalten. „In Freiham müssen wir aus geplanten Wohnungen Arztpraxen machen“, mahnte Scherello. „Die Kündigung der städtischen Wohnungsgesellschaft GWG und die gleichzeitige gesetzliche Verpflichtung der Daseinsvorsorge ohne für die aktuelle Sitatuation Alternativen aufzuzeigen, ist ein Widerspruch in sich und geht zu Lasten der örtlichen Bevölkerung“, mahnte Stockmann. Der BA sieht dies ähnlich. Christina Stelzer (CSU) erinnerte an Versuche des Gremiums an der Situation der fehlenden Kinderärzte etwas zu verbessern – vergeblich.

In ein paar Monaten muss ein weiterer Kinderarzt wegen der Kündigung in der Riesenburgstraße seine Praxis aufgeben. „Zum Jahresende haben Ärzte aus dem Ärztehaus die Kündigung erhalten. Ich werde gehen“, erklärte Kinderarzt Peter Feiereisen. Wohin, weiß er noch nicht, bisher hat er noch keine Räume gefunden. „Wir werden hier am Außenrand ärztlich im Stich gelassen“, befürchtete BA-Vorsitzender Sebastian Kriesel. Jetzt soll die Situation in einem Runden Tich mit den Wohnungsbaugesellschaften, den Stadtplanern, dem Gesundheitsreferat, der Präventionskette Freiham und anderen Beteiligten besprochen werden. „Spätestens in einem Monat erwarten wir eine Einladung“, so Kriesel.

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