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Veröffentlicht am 21.11.2019 20:05

Jeder achte Akkuroller fährt mit Atomstrom


Johannes Beetz
Johannes Beetz
Chefredakteur
seit 1999 bei der Gruppe der Münchner Wochenanzeiger
Mitarbeit im Arbeitskreis Redaktion des Bundesverbands kostenloser Wochenzeitungen (BVDA)
Gewinner des Dietrich-Oppenberg-Medienpreises 2017 (Stiftung Lesen)
Die Nachhaltigkeitsbilanz der Scooter ist vor allem im Gegensatz zum Fahrrad fragwürdig - und das Leihen ein vergleichsweise teurer Spaß. (Foto: ADAC e.V.)
Die Nachhaltigkeitsbilanz der Scooter ist vor allem im Gegensatz zum Fahrrad fragwürdig - und das Leihen ein vergleichsweise teurer Spaß. (Foto: ADAC e.V.)
Die Nachhaltigkeitsbilanz der Scooter ist vor allem im Gegensatz zum Fahrrad fragwürdig - und das Leihen ein vergleichsweise teurer Spaß. (Foto: ADAC e.V.)
Die Nachhaltigkeitsbilanz der Scooter ist vor allem im Gegensatz zum Fahrrad fragwürdig - und das Leihen ein vergleichsweise teurer Spaß. (Foto: ADAC e.V.)
Die Nachhaltigkeitsbilanz der Scooter ist vor allem im Gegensatz zum Fahrrad fragwürdig - und das Leihen ein vergleichsweise teurer Spaß. (Foto: ADAC e.V.)

Seit Juli sind Elektroroller im Straßenverkehr zugelassen. In München verdienen inzwischen sechs Verleiher von E-Scootern damit ihr Geld. Sie wollen wie die Firma Tier „den nachhaltigsten Mobilitätsservice anbieten” oder sehen sich wie das amerikanische Unternehmen Bird als „umweltfreundliche Alternative zu Autofahrten”, die „mit dem nachhaltigsten E-Roller der Industrie helfen, Städte lebenswerter zu machen”. Aber wie nachhaltig sind die - gegenwärtig etwa 6.000 - Münchner Batterieroller wirklich?

Das Fahrrad wäre viel besser

E-Scooter sind im Vergleich zum Pkw zwar eine nachhaltigere Mobilitätsoption, aber bei weitem nicht so umweltfreundlich wie das Fahrrad, urteilt der ADAC. Dies liegt vor allem daran, dass für die Batterieherstellung und -entsorgung beträchtliche Ressourcen notwendig sind, ebenso wie für das Einsammeln der E-Scooter über Nacht zum Aufladen und die anschließende Neuverteilung über das Geschäftsgebiet mit konventionell angetriebenen (Diesel-) Transportern. Hinzu kommt, dass die E-Scooter derzeit fast ausschließlich in den Kernbereichen großer Städte angeboten werden, also dort, wo die Ziele häufig fußläufig gut erreichbar sind und in der Regel ein sehr gutes Angebot an Bussen und Leihfahrrädern zur Verfügung steht. Diese Verkehrsmittel sind nicht nur nachhaltiger, sondern – zumindest auf mittlere und längere Distanzen – auch noch billiger, da für jede E-Scooter-Fahrt eine Grundgebühr von einem Euro und ein Minutenpreis von 15 bis 25 Cent fällig werden, so der ADAC.

Die Hälfte verbraucht fossile Brennstoffe

Geht man davon aus, dass die Batterieroller über das ganz normale Stromnetz aufgeladen werden (für München wollte nur einer der sechs Anbieter, Tier, seinen konkreten Strommix offenlegen), dann kann man den vom Umweltbundesamt ermittelten deutschen Strommix auch der Ökobilanz der Akkuroller zugrundelegen: 11,7 Prozent unseres Stroms werden über Nuklearenergie erzeugt, die Hälfte (48,9 Prozent) über fossile Brennstoffe wie Kohle und Gas und ein Drittel (35,3 Prozent) über erneuerbare Rohstoffe (Daten von 2018).

Sprich: Die Hälfte aller „nachhaltigen” E-Scooter verbraucht fossile Brennstoffe und praktisch jeder achte Roller rollt mit Atomstrom. Die „ökologischen Fußabdrücke” dieser Gefährte sind also durchaus handfest.

Antworten gibt es vorerst nicht

Wir haben das städt. Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) gefragt:

- Wird durch E-Scooter die Zahl von Autofahrten oder von ÖPNV- und Fahrradfahrten reduziert?

- Werden durch Akkuroller Fahrten ausgelöst, die vorher nicht unternommen oder zu Fuß bzw. Rad zurückgelegt wurden?

- Ist die CO2-Bilanz der Akkuroller demnach negativ (also positiv) oder positiv (also negativ)?

Das hat das RGU geantwortet:

Da die E-Scooter erst seit Mitte 2019 in München im Einsatz sind, gibt es von Seiten der Stadt München bisher keine Studien dazu, für welche Fahrten die E-Scooter, die ja meist im Leihbetrieb unterwegs sind, genutzt werden und welche Verkehrsmittel – oder Fußwege – sie ersetzen. Antworten auf diese Fragen soll eine Studie geben, mit der das KVR beauftragt ist und die im Laufe des Jahres 2020 durchgeführt werden soll.

„Sauberer Strom” ist noch lange nicht erreicht

Wir haben allen sechs Rollerverleihern die gleichen Fragen gestellt (und um eine Rückmeldung innerhalb von 17 Tagen gebeten). Voi, Tier und Bird antworteten.

Lime versprach „im Laufe der nächsten Tage unsere aktuelle Pressemitteilung zu dem Thema Nachhaltigkeit” - hielt die Zusage aber nicht. Circ und Jump hüllten sich nachhaltig in Schweigen.

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