Autos, die alleine einparken, Smartphones, die automatisch ein Gesicht erkennen, Sprachassistenten, die Fragen beantworten oder Rasenmäher, die ihren Weg alleine finden: Künstliche Intelligenz (KI) gibt es schon lange nicht mehr nur als Science Fiction im Film, sie ist im Alltag angekommen. Die Bundesregierung steckt allein 2019 eine halbe Milliarde zusätzlich in Maßnahmen zur KI-Förderung. Was für einige der große Fortschritt bedeutet, schürt bei anderen Unsicherheit. Doch muss das sein? Und was ist KI überhaupt?
„KI ist grundsätzlich ein Teilbereich der Informatik“, erklärt Katrin Habenschaden. Mit KI lernen Maschinen aus Erfahrungen, stellen sich auf neu eingehende Informationen ein und bewältigen Aufgaben, die Denkvermögen erfordern. „Die KI bietet viele Chancen, aber auch Risiken. Obwohl mir das Wort Intelligenz an dieser Stelle nicht gefällt. Intelligent sind nur wir Menschen.“ Alles andere seien schnell-lernende Systeme, die die Möglichkeit haben eine große Datenmenge zu verarbeiten.
Eine flächendeckende KI gebe es aktuell noch nicht, betont Johannes Högl. „Computer sind zwar enorm schnell, aber strunzdumm. KI bedeutet nach meinem Verständnis, dass ein Rechner tatsächlich intelligent und selbstlernend ist und nicht aufgrund von vorgegebenen Algorithmen Entscheidungen trifft. Dieses Feld können wir momentan noch nicht ansatzweise greifen. Unser menschliches Hirn funktioniert auf der Basis, dass wir selbst reflektieren können. Computer können das momentan noch nicht.“
Trotzdem schürt das Thema sehr viele Ängste. Grundsätzlich sei es wichtig, KI nicht nur in Gut oder Schlecht einzuteilen, meint Katrin Habenschaden. „Wenn etwa die medizinische Diagnostik weiterentwickelt wird, ist das eine wirklich große Chance.“ Gingen die Entwicklungen allerdings in eine andere Richtung, dann greife KI viel zu tief in die Lebenswirklichkeit der Menschen ein. „So wie beispielsweise in China“, sagt Katrin Habenschaden. „Das geht in Richtung Überwachung des Einzelnen.“
Geht es nach Florian von Brunn, dann müsse man dafür nicht extra nach China schauen. „Google weiß von den meisten von uns, wohin wir fahren, was wir im Internet suchen oder kaufen.“ Und in der Tat: Viele Menschen überlassen den großen privaten Konzernen wie Facebook, Amazon und Co. ein Feld, das Zugriff auf die intimsten Lebensbereiche erlaubt. „Wir nutzen das Ganze fast alle“, betont Dr. Evelyn Ehrenberger. „Aufgrund des Sammelns vieler Daten weiß Google zum Beispiel besser als mein Navi, wo genau der Stau ist. Und das nutze ich, wodurch auch ich gleichzeitig ein Teil des Systems bin.“ Das Ganze habe viel mit Bequemlichkeit zu tun. „Wir nutzen es, ohne viel darüber nachzudenken.“
Wer die Angebote dieser großen Konzerne nutze, liefere Daten, erklärt auch Johannes Högl. „Das ist die Entscheidung eines jeden Einzelnen. Es ist zwar bequem, aber im Grunde lügen wir uns damit selbst in die Tasche. Das eine tun und das andere nicht lassen – jeder trägt einen Teil Verantwortung.“ Und natürlich sei hier die Politik gefordert, weil sie vernünftige Rahmenbedingungen setzen müsse. „Ich neige nicht dazu, Politiker per se in Schutz zu nehmen, aber sie sind auch diejenigen, die zwangsläufig immer hinterherlaufen. Es geht darum, zu reagieren und zu schauen, was zu tun ist. Das ist ihre notwendige Aufgabe.“
Das sieht Katrin Habenschaden ähnlich: „Eine wichtige Voraussetzung ist, dass jeder selbst entscheiden kann. Und hier setzt die Verantwortung der Politik an. Ich bin dagegen, die Verantwortung an die Verbraucher zurückzuspielen. Wir haben als Politiker viel bessere Hebel, wenn wir gewisse Rahmenbedingungen schaffen wollen.“ Jedes Individuum habe seine Freiheit, so Johannes Högl. „Doch wo hört diese Freiheit auf? Nämlich da, wenn ich anfange, die Freiheit eines anderen zu beschneiden oder anzugreifen.“ Im Grunde müsse es so sein, dass alles, was in der analogen Welt, auch im digitalen Raum gelte. „Und die Politik muss die Spielregeln so setzen, dass sie vernünftig sind.“
KI verändert auch die Arbeitswelt. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang etwa die Frage, wie sinnvoll sie zum Beispiel in der Pflege sein kann – oder braucht nicht doch nach wie vor viel mehr „Menschlichkeit“? „Pflegeroboter werden oft als ein düsteres Bild an die Wand gemalt“, sagt Katrin Habenschaden. „Aber wenn dadurch den Altenpflegern im Verwaltungsbereich etwas abgenommen wird, haben sie mehr Zeit, um sich um die Menschen zu kümmern. Das ist positiv.“
Gleiches gelte für Routinetätigkeiten in der Altenpflege, wie etwa das Messen der Vitalfunktionen, ergänzt Dr. Evelyn Ehrenberger. „Wenn das ein Pflegeroboter übernimmt, bleibt mehr werthaltige Zeit für das Gespräch mit den Patienten. Das ist gerade in der Altenpflege wichtig.“ Allerdings sei in diesem Bereich noch viel Entwicklung nötig. „Es darf nicht darum gehen, die menschliche Ansprache zu ersetzen“, betont Florian von Brunn. „Menschen müssen sich immer um Menschen kümmern.“
KI sei eine technologische Entwicklung, deren Fortschritt auch immer in den sozialen Kontext eingebunden werden müsse, meint Maximilian Schober. „Dieser Fortschritt ist von Menschen gemacht, die sich dabei etwas gedacht haben. Das wirft die Frage auf, wie wir damit umgehen und was für Implikationen es für uns hat. Es gibt eine Verbindung zwischen der Technik auf der einen Seite und der Gesellschaft auf der anderen Seite.“ Denn die Gesellschaft habe die Technik hervorgebracht und lasse sich davon beeinflussen. „Wir können es nicht getrennt betrachten.“ Seiner Ansicht nach ist es wichtig, die Themen Medienpädagogik und -bildung stärker zu etablieren, gerade wenn es um das Übernehmen von Verantwortung gehe. „Gerade im Hinblick auf KI und Big Data müssen wir nicht nur Kinder und Jugendlichen, sondern auch Erwachsene in den Blick nehmen.“
Mit einer eigenen Medienpädagogik arbeitet zum Beispiel das Jugendzentrum „Trafixx“ in der Baierbrunner Straße 57. „Bei uns können die Kinder und Jugendlichen einen Computerführerschein machen“, erzählt Jakob Steenbock. „Sie lernen dabei, wie sie sich sicher im Internet bewegen und wie Programme bedient werden. Außerdem können sie lernen, wie man eigene Apps schreibt.“ Komplett vor den Gefahren im Netz schützen, könne man sie aber nicht. „Außerhalb unseres Hauses nutzen sie ihre Smartphones blind. Es wird einfach nur konsumiert.“ Deshalb sei es wichtig, als Erwachsener eine Vorbildfunktion zu übernehmen. „Wir alle können Einfluss ausüben. Wenn jeder an sich selbst arbeiten würde, bräuchten wir vieles nicht diskutieren.“
Und auch die Wissenschaft ist gefordert, betont Dr. Evelyn Ehrenberger. „Sie muss das Thema so übermitteln, dass die Allgemeinheit keine Angst davor hat und es keine Vorbehalte gegenüber KI gibt. Grundsätzlich ist es eine technische Entwicklung, die in vielen Bereichen einen positiven Impact für die Zukunft haben wird.“ Deshalb müssten die Risiken und Chancen ohne Emotionen abgewogen werden. „Es ist ein Ineinandergreifen von Technik und Gesellschaft. Und das Ganze muss für die Menschen transparent dargestellt werden.“ Deshalb sei es richtig, in diesem Zusammenhang mehr Bildung zu fordern. „Wir brauchen Konzepte, die das Thema logisch erklären, ohne dass sie mit Angst besetzt sind.“
Die Menschheit habe es im Grunde seit der Industrialisierung nicht ganz geschafft, „sich in die Folgen unseres Handelns für die Zukunft hinein zu denken“, meint Florian von Brunn. „Zum Beispiel bei den Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit.“ Deshalb sollte man mit der KI sehr nachdenklich und vorsichtig umgehen. „Solche Veränderungen setzen einen guten demokratischen Diskurs voraus.“ Letztendlich sei es entscheidend, dass Intelligenz immer an den Menschen gekoppelt ist. „Denn es sind Menschen, die die Verantwortung für ihre Taten und ihr Handeln übernehmen müssen.“
Gerade in der heutigen Zeit scheint der Glaube an die Macht der „Vielen“ wieder groß – sei es als eine Vielzahl von Rechenoperationen binärer Maschinen oder als eine Vielzahl von Personen. Wenn viele sich zusammentun, finden sich die besten Lösungen. Doch stimmt das? Ein positives Beispiel hierfür sei die „Fridays For Future“-Bewegung, findet Florian von Brunn. „Die Jugendlichen sind sehr gut organisiert. Das Ganze ist von Demokratie und Respekt getragen. Was ich an diesem sozialen Prozess sehr spannend finde ist, dass jetzt auch Wissenschaftler und Eltern mit agieren – und zwar gemeinsam mit einem Ziel.“
Dr. Evelyn Ehrenberger sieht dies ähnlich: „Ein positiver Aspekt von Schwarmintelligenz ist das Aufmerksam machen auf Themen, sei es positiver oder negativer Art, um darüber eine größere Gruppe in die Diskussion zu bringen.“ Dem stimmt auch Jakob Steenbock zu: „Die Politik wäre auf vieles gar nicht aufmerksam geworden, wenn sich nicht Einzelne zusammengetan hätten.“ Allerdings dürfe es in Bezug auf die „Fridays For Future“-Demonstrationen nicht so sein, dass nun die Erwachsenen die Oberhand gewinnen, sagt Katrin Habenschaden. „Es hat sich hier ja etwas gebildet, was bei Kindern und Jugendlichen immer vermisst wurden, nämlich das politische Aufstehen. Damit müssen wir ganz sorgsam umgehen.“
Bauchgefühl oder Kopfentscheidung: Worauf setzen Sie bei wichtigen Lebensentscheidungen? Können Sie das an einem Beispiel festmachen? Unsere Gäste antworten:
Dr. Evelyn Ehrenberger: Ich entschiede mit beidem, aber in einer anderen Reihenfolge. Ich analysiere erst die Fakten, was sicherlich daran liegt, dass ich aus der Naturwissenschaft komme. Letztendlich entscheide ich aber niemals ohne meinen Bauch.
Katrin Habenschaden: Bei mir ist ganz klar der Bauch im Vorteil. Das bedeutet nicht, dass ich lax an Entscheidungen herangehe und keine Informationen einsammle. Damit komme ich sehr gut durchs Leben. Das macht mich auch optimistisch, was den Umgang mit Künstlicher Intelligenz angeht.
Johannes Högl: Eindeutig beides. Es geht darum, Fakten zu recherchieren und Handlungsmöglichkeiten herauszuarbeiten und zu gewichten. Wenn die Entscheidung eigentlich klar ist, das Bauchgefühl aber dagegenspricht, fängt das Ganze wieder von vorne an. Im Idealfall entsprechen sich die beiden.
Maximilian Schober: Immer auf beides. Kopf und Bauch funktionieren immer zusammen. Das ist menschlich.
Jakob Steenbock: Jede Entscheidung hat eine emotionale Komponente – zum Beispiel bei der Wohnungssuche. Hier geht es ja immer auch darum, ob man sich wohlfühlt.
MdL Florian von Brunn: Auf beides. Ich habe erstmal eine gewisse Sympathie oder Antipathie für eine Entscheidung. Dann überlege ich aber ganz genau.
Bei unserem Sommergespräch diskutierten:
Dr. Evelyn Ehrenberger, Präsidentin Hochschule der Bayerischen Wirtschaft, Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft e.V.
Katrin Habenschaden, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Münchner Stadtrat und Oberbürgermeister-Kandidatin (Grüne)
Johannes Högl, Geschäftsführer Aktion Sonnenschein
Maximilian Schober, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Abteilung Forschung im JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis
Jakob Steenbock, Leiter Trafixx (Feierwerk)
MdL Florian von Brunn , verbraucherschutzpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion
Dieses Sommergespräch fand im Trafixx in Obersendling (Bauerbrunner Straße 57) statt, einem offenen Kinder- und Jugendtreff des Feierwerks, direkt neben der S-Bahn Haltestelle Siemenswerke. Die kulturelle Kinder- und Jugendfreizeitstätte bietet Kindern von 6 bis 11 Jahren und Jugendlichen von 12 bis 18 Jahren ein vielfältiges Programm auf zwei Etagen.
Respekt meint nichts anderes als guten Willen: Aushalten, dass es andere Bewertungen und Erfahrungen neben den eigenen gibt. Die unmittelbare Folge daraus ist, Mitgefühl empfinden zu können. Jedes familiäre, jedes soziale und politische Problem lässt sich durch das Maß an Mitgefühl definieren, das wir füreinander aufbringen oder eben nicht. Welchen Menschen und Einrichtungen, welchen Leistungen, Fähigkeiten und Tätigkeiten begegnen wir mit Respekt?