Am 28.12.2018 brachte die Süddeutsche Zeitung im Bayernteil die Meldung: „Renaissance der Tracht. In Oberfranken steigt das Interesse an traditionellen Gewändern, es entstehen neue Modelle nach historischen Vorlagen. Ein Bildband verschafft nun einen Überblick über regionale Besonderheiten“. Die Neuerscheinung mit dem Titel „Oberfrankens Trachten“ von W. Appelt/ B. Jauering sollten sich alle Trachtenvereine besorgen (Bild 1). Am 25.01.2019 brachte die SZ den Titel „Wie das Gwand entstand“. Dort war zu erfahren, dass in Bayrischzell ein Lehrer 1883 den ersten Trachtenverein Bayern gegründet hat. Das Bayerische Fernsehen brachte dazu einen sehenswerten Kurzfilm, der noch in der Mediathek gesehen werden kann. Im Historischen Lexikon Bayerns erklärt uns der Passauer Historiker Manfred Seifert am 13.11.2006 die „Trachtenbewegung, Trachtenvereine“ in ihrer Bedeutung für Raum und Zeit. So machten die Wittelsbacher Anfang des 19. Jahrhunderts die ersten Schritte zu einer politisch motivierten Trachtenpflege, Max II. kleidete sich schon selbst in Tracht. Um es kurz zu fassen: Tracht ist was, Tracht war was. Ich musste mich nur kundiger machen und stellte fest, dass Mitglieder der Trachtenvereine mehrheitlich aus kleinbürgerlichen Schichten, der Arbeiterschaft und dem ländlich-bäuerlichen Bereich stammten. In den meisten oberbayerischen Vereinen wurde die Gebirgstracht eingeführt.
So kam ich auf meinen Artikel zum Allacher Alpenrösl. Im Jahr 2020 feiert unser Trachtenverein „100 Jahre Alpenrösl“. Dazu kann man in der Vereinschronik Folgendes lesen: „Es war im Jahre 1920, als eine Handvoll beherzter, heimatverbundener Männer und Burschen sich zusammenfanden, um in Allach einen Trachtenverein zu gründen. In einer Zeit, in der es nur arme Allacher Bürger gab, war es eine schwere Aufgabe, dieses Vorhaben zu verwirklichen. Es bedurfte vieler Vorbereitungen und Zusammenkünfte, bis dann am 20. September 1920 der Gebirgstrachten-Verein „Alpenrösl“ Allach gegründet wurde.“ Auch arme Allacher Bürger tranken Bier ,und so wurde die Gründung in der früheren Angermaier´schen Gastwirtschaft, seit 1919 bei der „Gastwirtschaft von Fritz Wagner“ (Bild 2), auch entsprechend gefeiert.
E. Rudolph führt in seinem Buch „Allach Untermenzing. Die Geschichte eines Stadtteils“ auf S. 136 f. die Geschichte der ältesten Allacher Vereine, Freiwillige Feuerwehr, Krieger- und Veteranenverein und Schützenliesl, ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts zurück und betont, es sei vor allem auf die damalige Industrialisierung in Allach zurückzuführen, dass es zum Aufblühen eines weitverzweigten Vereinslebens nach dem 1. Weltkrieg kam. Im nahen Untermenzing hatte sich 1892 das Sägewerk Kirsch & Söhne, in Allach 1902 die Nahrungsmittelfabrik Diamalt westlich der Bahn und 1907 östlich der Bahn die Bayerische Stahlformgießerei Krautheim, die nach dem 1. Weltkrieg von der Lokomotivfabrik Krauss & Comp. AG übernommen wurde, angesiedelt. „In dem Bemühen, den Fabrikarbeitern neue Lebensperspektiven zu eröffnen, schossen überall Vereine, Bünde und Clubs wie Pilze aus dem Boden“, schreibt Rudolph. Herr Sedlmair, 1. Vorsitzender der Alpenrösler, machte mich zudem auf die starke soziale Funktion der Vereine aufmerksam.
Schon 1921 konnte unter der Patenschaft der „Isartaler“ in Thalkirchen das Stiftungsfest der „Alpenrösler“ (Bild 3) mit Vereinsstandarte gefeiert werden. 1. Vorstand war Alois Tremmel, sicher ein Bayer. Leider kann die Vereinschronik keine Auskunft über die landsmannschaftliche Herkunft der Vorstandsmitglieder oder anderer Vereinsgründer geben. Es ist aber anzunehmen, dass viele Vorstands- und sonstige Vereinsmitglieder dabei waren, die aus den nahen Bergen des bayerischen Oberlands stammten, in der neuen Industrie arbeiteten und in Allach ihre neue Heimat suchten. So kamen viele Kirsch-Leute aus Thüringen, die Diamalt-Arbeiter waren weitgehend Einheimische und die Krautheim-Gießer zunächst nur aus Sachsen, später auch aus Bayern. Zu Krauss, damals noch Krauss & Comp. AG, wechselten angeblich viele Arbeiter aus dem Werdenfelser Land. Krauss, bis 1931 noch in Neuhausen, übernahm erst 1921 die Bayerische Stahlformgießerei Krautheim, an der man seit deren Gründung 1907 beteiligt war.
Einen Hinweis auf die Herkunft der Allacher Tracht finden wir im Vereinsnamen „Alpenrösl“, der zunächst etwas weit hergenommen scheint, aber sicher auch der zunächst gemischten Herkunft der Mitglieder zuzuschreiben ist. Und irgendwie wurde man sich einig. So schreiben die Alpenrösler: „Dahoam im Münchner Nordwesten – verwurzelt mit dem Werdenfelser Land.“ Der Vereinsspruch: „Grüawi san ma“ läßt viel Gemeinsames ahnen.
Zunächst ist jedoch festzustellen, dass in Oberbayern folgende große Trachtengruppen unterschieden werden. Man spricht fachmännisch vom „Gwand“ des Werdenfelser Landes (Bild 4), des Tegernseer, des Miesbacher und des Schlierseer Raumes, des Chiemgaus und des Berchtesgadener Landes. Offensichtlich einigte man sich in Allach nach einiger Zeit auf die Werdenfelser Tracht. 1928 rührte sich auch in Untermenzing was: Im „Gasthaus zur Schwaige“ wurde der Trachtenverein die „Bergler Buam Untermenzing“ gegründet. Ein Jahr später trafen sich die Alpenrösler und die Bergler im Würmtalhof zum Zusammenschluss beider Vereine. Noch heute kann festgestellt werden, dass sich die Bezeichnung „Bergler Buam“ auch in Niederbayern bester Beliebtheit erfreut. Die Untermenzinger Trachtler traten in den nächsten Jahren in aller Stille dem Allacher Verein bei und hielten ihm die Treue.
Das Allacher Vereinsleben der „Alpenrösler“ konnte nach der Unterbindung durch die Nationalsozialisten mit der Genehmigung der amerikanischen Militärregierung neu aufgenommen werden. Es folgten Jahre des Neuaufbaus, das 50. und das 90. Gründungsfest, das mit großen Feierlichkeiten, die ganz Allach auf die Beine brachten, begangen wurde. Der hier abgebildete Festausschuss (Bild 5) mit dem 1. Vorsitzenden Wolfgang Sedlmair (unten rechts) für das Jahr 2020 steckt schon tief in den Vorbereitungen. Als externer Beobachter und interessierter Erforscher der Lokalgeschichte sehe ich noch in unseren Tagen beim Allacher Heimat- und Trachtenverein die Liebe zu Heimat und Brauchtum, die Pflege unseres Dialekts und der Volksmusik mit dem Volkstanz und wünsche ihm 2020 ein Riesenfest.