Veröffentlicht am 04.03.2019 10:22

Dr. Stuhlberger, ein verdienter Arzt in Allach

Bild 3 (Foto: J. Tausch)
Bild 3 (Foto: J. Tausch)
Bild 3 (Foto: J. Tausch)
Bild 3 (Foto: J. Tausch)
Bild 3 (Foto: J. Tausch)

Für das Schreiben dieses Artikels gibt es verschiedene Gründe. Der Allacher Heimatforscher Josef Tausch, der mir immer wieder mit seinen detaillierten Kenntnissen zur Allacher Geschichte zur Seite steht, wohnt in der Stuhlbergerstraße und hat in mühsamer Arbeit viele biografische Daten aus dem Leben von Stuhlberger (Bild 1) gesammelt.

Ich selbst habe einige, nicht immer stimmige, Hinweise auf diesen Arzt in den „Erinnerungen aus meinem Leben. Kindheit und Jugend“ von J. Huber erhalten: „Aber Autos gab es nur zwei in Allach, das vom Dr. Stuhlberger und jenes vom Dr. Yblagger. Beide fuhren so selten in der Woche, so daß ein Auto immer lange vorbei war, wenn wir Kinder es in der Südenstraße (heute Vesaliusstraße, W.D.) kommen hörten und ans Eck gelaufen waren, um es zu sehen. Nur eine Staubwolke verriet noch, daß ein Auto beim Baumann vorne vorbeigefahren war.“ Während Dr. Stuhlberger in der Kassenärztlichen Vereinigung bereits etabliert war, wurde Dr. Yblagger erst zum Februar 1926 aufgenommen. Zu dieser Zeit gab es in Allach sicher schon mehr als zwei Autos! Im Münchner Straßenverzeichnis von Hans Dollinger hatte ich gefunden: „Jakob Stuhlberger (1867-1940) war Arzt in der ehemals selbständigen Gemeinde Allach und behandelte die ärmeren Leute häufig kostenlos.“

Noch interessanter wurde Stuhlberger für mich, als ich erfuhr, dass dieser aus Ering/Inn stammte, einem niederbayerischen Ort, in dem ich als Heranwachsender von 1947 bis 1957 bei meinen Eltern lebte. Das Geschäft der Familie Stuhlberger, hier das Haus im Jahre 1956, war von unserer Wohnung nur ca. 50 m entfernt (Bild 2).

Jakob Stuhlberger am 17. Juli 1867 in Ering als 9. von 10 Kindern des Kaufmanns Franz Paul Stuhlberger und seiner Frau Franziska geboren und katholisch getauft worden. Er studierte in München, heiratete im September 1894 in München in St. Peter Frau Anna Hirschmann (geb. 1872) aus Deggendorf, erhielt im Dezember 1898 seine Approbationsurkunde als Arzt und das Bürger- und Heimatrecht im Oktober 1901 (Bild 3, 1899), als er mit seiner Familie bereits in Milbertshofen wohnte und sicher auch schon als Arzt praktizierte.

Die Stuhlbergers sind eine alte niederbayerische Familie. Der Vater des Dr. Stuhlberger war in Pocking geboren und starb in Ering, seine Mutter stammte aus Rotthalmünster und wurde ebenfalls in Ering begraben. Auch seine Frau war ja eine Niederbayerin, ihr Vater ein Deggendorfer und die Mutter aus Breitenberg im südlichen Bayerischen Wald. Diese familiären Angaben scheinen mir, der ich als geborener Passauer und bis 1957 in Niederbayern lebend, stolz auf meine Heimat bin, wichtig zum Bild der Stuhlbergerstraße in Allach zu sein. So ist für den Leser sicher auch das farbige „Wappen der Familie Stuhlberger“ (Bild 3) interessant. Das Wappen stammt aus dem 14. Jahrhundert und weist die Familie als altes, vornehmes, ursprünglich aus Ungarn stammendes Geschlecht aus.

Die Familie Stuhlberger wohnte bis 1914 in Milbertshofen in der Kantstr. 1. Dr. Stuhlberger wurde dort 1906 Vorsitzender des 1905 gegründeten Turnvereins Milbertshofen und damit auch zu einer in Sportkreisen bekannten Persönlichkeit. Sein Sohn Hans war im September 1894 geboren, sein Sohn Fritz im November 1895. Von Hans liegen ein Zeugnis der Milberthofener Schule aus dem Jahr 1901/02 und Zeugnisse der Königlichen Gisela-Kreisrealschule München aus den Jahren 1908-1910 vor.

Warum Stuhlberger im September 1914 nach Allach wechselte, ist unbekannt. In diesem Zusammenhang ist ein Bericht des „Pasinger Würmtal-Boten“ vom Sonntag, den 8. November 1914 (Bild 4), der hier zitiert werden soll, besonders wichtig:

„ In Allach hat sich der praktische Arzt Herr Dr. Stuhlberger niedergelassen. Wie notwendig die Anwesenheit ärztlichen Beistandes in den Orten Untermenzing und Allach mit rund 3000 Einwohnern ist, hat die am 23. v. Monats erfolgte, unerwartete Niederkunft der Gattin des Schmiedegesellen Franz Bieringer bewiesen. Die Frau hatte sehr schwer entbunden und ist ihre Rettung nur der äußerst raschen und sorgfältigen Hilfeleistung des Herrn Dr. Stuhlberger, Bahnhofstraße, zu verdanken. Dazu kommt, daß St. nicht zuletzt mit Rücksicht auf den Umstand, daß der Ernährer der Familie im Felde steht, für seine ärztlichen Bemühungen in der Rechnungsausstellung sehr bescheiden war, sondern auch auf eine Honorierung der späteren Besuche verzichtete. Wie es für die Einwohnerschaft nachgerade Pflicht ist, die ortsansässige Geschäftswelt als Steuer- und Umlagenzahler in jeder Art und Weise zu unterstützen, so sollte man sich die Wohltat der Anwesenheit eines Arztes am Orte im Bedarfsfall erst recht zunutze machen und denselben bei Krankheitsfällen in der Familie zur Sicherung seiner Existenz rufen lassen. Mit welchen Verdrießlichkeiten es verbunden ist, wenn ein Arzt am Orte fehlt, hat die Einwohnerschaft seit Jahren unliebsam genug empfunden.“

Die vollständige Wiedergabe der Meldung wurde gewählt, weil man darin die soziale Ader von Stuhlberger an einem sehr eindrucksvollen Beispiel dargestellt findet und zugleich erfährt, in welcher Straße er seine Praxis hatte. Sicherlich folgten im Laufe der Jahre noch viele Beispiele seiner ortsbekannten sozialen Einstellung, sonst wäre nicht 1952 eine Allacher Straße nach ihm benannt worden.

Nach Auflösung seiner Allacher Praxis aus Altersgründen ist Dr. Stuhlberger und Frau nach Dachau in ein eigenes Haus in der Schleißheimer Str. 58 gezogen, in dem auch Sohn Hans, vermutlich ohne Familie wohnte (Bild 5). In Dachau wurde Dr. Stuhlberger im Café Thoma Mitbegründer und Leiter der „Schachfreunde Dachau“. Man spielte in den folgenden Jahren meistens gegen Allach und Untermenzing. Dr. Stuhlberger verstarb am 15. Februar 1940 und seine Frau Anna am 18. Dezember 1941 in Dachau. Beide wurden auf dem Allacher Friedhof begraben, das Grab ist schon längere Zeit aufgelöst und wurde von der Familie Seci übernommen.

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