Martin Hänsel, stellvertretender Geschäftsführer der BUND Naturschutz Kreisgruppe München:
Ich mag das Motto Leben und leben lassen, das es uns ermöglicht, viel enger zusammenzuleben, als es sich die meisten Menschen wünschen würden, könnten sie frei wählen. Oft genug funktioniert das nicht reibungslos. Hupende Autofahrerinnen und -fahrer, denen ich nicht schnell genug mit dem Rad fahre, ärgern mich. Warum betrachten sie ihren Anspruch an Geschwindigkeit als einzig gültigen?
Auch gegenüber den vielen Tieren und Pflanzen, die mit uns in dieser Stadt leben, wäre es gut, den eigenen Anspruch etwas zurückzufahren, ihnen gegenüber mehr Respekt zu zeigen. Denn auch unseren Mitgeschöpfen setzt die Enge zu. Ihre ehemals vielfältigen Rückzugsräume gibt es so nicht mehr. Die stillen Refugien und wilden Ecken, in denen der Mensch früher nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit präsent war, sind längst bebaut. Heerscharen von verzweifelt nach Erholung oder sportlicher Betätigung Suchenden überrennen selbst die entlegensten Winkel.
An sich meint es die Natur ja gut mit uns und ist sehr duldsam: Sobald wir nur ein bisschen Rücksicht auf sie nehmen und ihre Ansprüche respektieren, finden viele Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum direkt vor unserer Haustür. Wo der Mensch aber nur an sich denkt, verschwinden die empfindlicheren, anspruchsvolleren oder schwächeren Arten. Bereits ein Mountainbiker, der quer durch die Isarwälder fährt, kann für die ungiftige Schlingnatter tödlich sein. Nämlich dann, wenn sie sich gerade am Boden sonnt und der Radler heranrollt. Damit die Feldlerche verschwindet, muss ein Feld nicht bebaut werden. Eine Handvoll regelmäßig auf dem Feld frei laufender Hunde reicht dafür. Wo der Igel kein Laub mehr findet weil es mit Laubbläsern säuberlich entsorgt wurde, kann er keinen Winterschlaf halten.
Dabei würden sich die meisten Menschen gerne „richtig“ verhalten, doch wie? So schwer ist das nicht: Schutzgebiete werden nicht ohne Grund ausgewiesen. Wer sich hier an die Regeln hält, macht schon viel richtig. Auf den ausgewiesenen Wegen zu bleiben sollte selbstverständlich sein. Tiere brauchen ihre Ruhe. Wenn wir nachts mit Hochleistungslampen und tags mit Drohnen diese Ruhe stören ist es kein Wunder, wenn Uhu, Feldlerche & Co. weichen, weil sie sich nicht noch mehr anpassen können. Dabei suchen wir die Nähe zur Natur. Wir erfreuen uns am Gesang der Vögel, am Blick ins Grüne, erschauern, wenn wir nachts den Ruf einer Eule hören und freuen uns gleichzeitig darüber, dass „da draußen“ noch viel mehr ist, als bloß eine vom Menschen gestaltete Grünanlage. Diese Qualität auch für uns zu erhalten ist ganz einfach: So wie unsere Mitmenschen verdienen auch Tiere und Pflanzen als Mitgeschöpfe unseren Respekt. Sie danken es uns, indem sie unseren Alltag bereichern.