Im Erkerzimmer, da traf man sich zu den Sonntagsgesprächen. Mit Kurt Eisner, Sozialist, Pazifist und erster Ministerpräsident des Freistaates Bayern. Das Haderner Anwesen von Kurt Eisners zweiter Ehefrau Else Belli in der damaligen Lindenallee wurde zum Treffpunkt der Elite, zur Denkfabrik. „In diesen Gesprächen ging es um die Zukunft Bayerns und die Frage 'wie wollen wir die Republik gründen?'”, sagt Sepp Rauch. Der Hobbyhistoriker ist Mitglied des Geschichtsvereins Hadern e.V. und Kurator einer ganz besonderen Ausstellung: „Schlaglichter! Kurt Eisners Haderner Zeit.” Bis 23. November ist die Ausstellung im Stadtteilkulturzentrum Guardini90 (Guardinistr. 90) zu sehen.
Seit 1910 wohnte Kurt Eisner in der Lindenalle 8 (heute Pfingstrosenstraße 8), 1917 heiratete er Else Belli. Wenn sich der enge Kreis zu den Sonntagsgesprächen traf, dann wurde erst einmal musiziert. Doch es waren keine Arbeiterlieder, die geschmettert wurden. Bach und Beethoven standen auf dem Programm, Kurt Eisner am Klavier, Else Belli an der Violine. „Beide hatten den Anspruch, dass auch Arbeiter Zugang zur Hochkultur des Landes erhalten sollen”, sagt Sepp Rauch. Zu den regelmäßigen Gästen gehörten unter anderem Carl Kröpelin, Schlosser und Werkzeugmacher, die Buchhalterin Betty Landauer sowie Richard Kämpfer, Handlungsgehilfe, und Mann von Hedwig Kämpfer, Münchner Bäckerstochter und ab 1919 Münchner Stadträtin.
Dass die Besucher der Ausstellung diesen besonderen Blick aus Haderner Sicht auf Kurt Eisner bekommen, ist der aufwändigen Recherchearbeit des Geschichtsvereins Hadern e.V. zu verdanken. Und kleinen Schätzen, die im Zuge der Forschung zutage traten, wie ein Interview mit Otto Graf (Landtagsabgeordneter von 1920 bis 1923) aus dem Jahr 1970, in dem er als Zeitzeuge über die Sonntagstreffen berichtete. „Sepp Rauch und ich hatten hatten vor eindreiviertel Jahren ein Gespräch und haben beschlossen, diese Ausstellung zu machen”, so Frauke Bristot. Im November steht ja auch ein besonderes Ereignis an: In der Nacht zum 8. November 1918 rief Kurt Eisner in der ersten Sitzung der Arbeiter- und Soldatenräte im Mathäserbräu die Republik Bayern als Freistaat aus.
Gemeinsam mit Christa Bühl, Günther Gerstenberg, Wolfram Kastner, Wolf-Dieter Krämer, Alfons Kunz und Karin Pohl-Rauch ging es an die Recherche. Für das Lektorat und die Transkriptionen war Cornelia Naumann zuständig. „In einem ersten Treffen haben wir die Überschriften festgelegt, zu denen wir recherchieren wollen. Im zweiten Treffen haben wir festgestellt, welche zusätzliche Überschriften noch dazu gekommen sind”, sagt Sepp Rauch und lacht. Rund 18 Monate habe man sich intensiv mit Kurt Eisner und dem Leben in Hadern beschäftigt. Zutage kam dabei nicht nur Kurt Eisner als Politiker, sondern auch Kurt Eisner als Familienvater. „Er hat leider oft den Ruf als Rabenvater weg”, sagt Sepp Rauch. „Kurt Eisner war in erster Ehe mit Lisbeth Hendrich verheiratet, mit der er fünf Kinder hatte.” Zwei dieser Kinder, Ilse und Hans Kurt, habe er mit nach Hadern genommen. Gemeinsam wohnten sie mit Else Belli, die mit Kurt Eisner zwei Töchter hatte, als Patchworkfamilie in der Lindenallee. Aus dieser Zeit stammt ein weiteres interessantes Zeugnis: Adolf Friedrich Purger war ein Nachbarsjunge, der mit Hans Kurt das Gymnasium besuchte. In seinen Erinnerungen zeichnete er das Bild Kurt Eisners als liebevollen Familienvater, der den Kindern die Pflanzen erklärte.
Und dann gab es auch noch das. „Ich wollte zur Ausstellungseröffnung unbedingt Enkel von Kurt Eisner einladen”, sagt Sepp Rauch. Doch die galt es erst einmal zu finden. Also setzte sich der Hobbyhistoriker ans Telefon. Ganz pragmatisch. Er wählte sich von Eisner, zu Eisner, zu Eisner. „Beim 35. Anruf hatte ich Erfolg”, frohlockt er. Eine Enkelin und zwei Enkel aus der Familienlinie von Lisbeth Hendrich sagten zu, zur Vernissage zu kommen.
„Schlaglichter! Kurt Eisners Haderner Zeit” ist montags bis samstags von 10 bis 12 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 17 bis 19 Uhr geöffnet (auch in den Schulferien und an Allerheiligen).