Für das BR Fernsehen bereitete Frau Carina Bauer einen Beitrag über Münchner Hochbunker vor, in dem die Geschichte dieser Bunker erzählt und ihre heutige Nutzung aufgezeigt wird. Die Sendung war am Sonntag, den 02.09.2018 im Bayerischen Fernsehen zu sehen. Auf der Suche nach Zeitzeugen bat mich Frau Bauer um Hinweise aus meiner Zeitzeugenliste. Der Weg war zunächst beschwerlich, weil ich lange brauchte, um den oder die Richtigen zu finden. Auf diesem Weg kam auch ich zu meinen Bunkergeschichten, die ich hier spontan als Ergänzung zu Frau Bauers Sendung niedergeschrieben habe. Meine von mir befragten Zeitzeugen sind alle „gut über die 80“.
In meinem Buch „MÜNCHENER VORSTADTGESCHICHTEN. Allach-Untermenzing“, das im Werbe-Spiegel Verlag 2017 erschienen ist, findet man auf Seite 214 das Kapitel „Bunker von gestern – und was heute?“, in dem über die Hochbunker unseres Stadtbezirks berichtet und darauf hingewiesen wird, dass München noch bei Kriegsbeginn 1939 auf Luftangriffe völlig unzureichend vorbereitet war.
Den Hochbunker, um den es in meinen Bunkergeschichten geht, hat man im Sommer 1992 mit großem Aufwand, Lärm und Staub abgerissen (Bild 1) und an seiner Stelle ein modernes Wohn- und Ärztehaus aufgebaut. Das vorliegende Foto wurde am 19.09.1988 von einer interessierten Nachbarin, Frau Raab, bei der ich mich auch für viele andere Fotos bedanke, aufgenommen. Man sieht links neben dem Bunker auch die Nachkriegssirene. Der Bunker wurde, wie ich von zwei Untermenzinger Zeitzeugen und Freunden bis heute, Hans-Hugo Helmerichs und Bruno Weibhauser, erfahren habe, in den Monaten zwischen März und Juli 1943 erbaut und stand dann unserer Bevölkerung vermutlich zum 12. Luftangriff auf München vom 16./17.07.1943 zur Verfügung. Noch 40 weitere schwere und schwerste Luftangriffe folgten!
Beide Zeitzeugen erzählten mir, dass sie in den von Bauarbeitern unbewachten Augenblicken schnell bis zur obersten Decke hin geklettert seien, weil man von dort aus einen guten Überblick über ihr Elternhaus und die nächste Umgebung hatte. Da beide in der Nähe wohnten, mußten sie vorsichtig sein, damit die Eltern von ihren Umtrieben nichts mitbekamen. Von den Bauarbeitern verjagt konnte man dann bei den Schulfreunden von diesen Mutproben erzählen und bleibenden Eindruck schinden. Der Bunker war also zunächst Abenteuerspielplatz der beiden. Schon bald aber wurden die beiden getrennt. Herr Weibhauser kam mit einigen anderen Allachern und Untermenzigern in die Kinderlandverschickung (KLV), Helmerichs durfte unerwartet am Ort bleiben und wurde künftiger Dauerbunkerbesucher, von dem später noch die Rede sein wird.
Dazu einige Anmerkungen zur KLV (Bild 2): Sie wurde auf Anordnung Hitlers eingerichtet und vom Reichjugendführer Baldur von Schirach organisiert, als der Krieg nach Deutschland zurückkehrte und die Bevölkerung der Städte unter den alliierten Luftangriffen zu leiden begann. In den streng organisierten Lagern war nationalsozialistische Umerziehung oberstes Gebot und keine freiwillige Maßnahme der Eltern. Herr Weibhauser, der mir das Foto aus dem Jahr 1944 seiner KLV-Klasse in Dießen am Ammersee zur Verfügung stellte, kann dazu viel erzählen, weil er dort ein noch heute erhaltenes Tagebuch geschrieben hat.
Ein Obermenzinger Zeitzeuge, Herr Konrad Koller, der damals in der Freseniusstr. 62 mit seinen Eltern wohnte, beschrieb in „10 Jahre Kindheit in München 1935-1945“ zwei interessante „Annäherungen“ an unseren Untermenzinger Bunker. Lassen wir ihn direkt zu Wort kommen: „Einmal beschloß mein Vater nach mehreren Nachtangriffen, dass wir vorsorglich den Hochbunker an der Allacher Straße aufsuchen sollten, weil es daheim zu unsicher wurde. Die Bomber waren in den vergangenen Nächten fast immer zur selben Zeit gekommen, und deshalb weckte uns der Vater zum gegebenen Zeitpunkt. Es war sternenklar und klirrend kalt. Ich mußte aus den warmen Federn und kam völlig durchfroren mit meinen Eltern am Bunker an. Es war der schönste Sternenhimmel, den ich bis dahin gesehen hatte. Ich setzte mich auf die Stufen und suchte die Sternbilder, deren Form und Namen ich kannte. Es war ein Erlebnis für mich, aber es kam kein einziges feindliches Flugzeug. Am nächsten Tag wiederholte mein Vater die Aktion um die gleiche Zeit unter den gleichen Wetterbedingungen. ‚Klare Nächte bevorzugen sie‘, sagte mein Vater, aber die Feinde erwiesen sich wieder als uninformiert. Der Karl Valentin hätte gesagt: ‚Es wird ihnen doch nichts passiert sein‘. Mein Vater vertagte die dritte derartige Aktion auf den nächsten Krieg.“ Und so kam mein Obermenzinger Zeitzeuge Konrad Koller nie in unseren Untermenzinger Bunker.
Ein anderer Zeitzeuge, Max Eschenweck (Jg. 1930), der mir viele andere Geschichten über Untermenzing erzählte und schrieb, wußte von einem besonderen Fall zu berichten, den er als Schüler mit dem Bunker erlebte, weil ihn der Luftschutzwart beim Vorbeieilen sah und ihn in den Bunker befahl. Eigentlich wollte er noch schnell seine Schulsachen in sein nahegelegenes Elternhaus in der damaligen Moosacher Straße bringen und dann erst in den Bunker gehen. Dies war das einzige Mal, dass Max im Bunker war, da bald auch er über die KLV in Reichenhall landete und dort bis Kriegsende ausharren mußte.
I. Permooser (Bild 3) berichtet vom 13.07.1944, dass der Luftangriff von 9.08 bis 10.22 Uhr dauerte und mit der Firma BMW die Stadtteile Milbertshofen und Allach zum Ziel hatte.
Im Bunker befand sich bei diesem Angriff mit vielen anderen Untermenzigern der näheren Umgebung auch Hans-Hugo Helmerichs, als bei einer gewaltigen Detonation der Bunker kurz wankte und den Insassen bewußt wurde, dass eine Bombe ganz in der Nähe eingeschlagen haben müsse. Und das war im Haus Nr. 8 in der Hermann-Löns-Straße, in dem sich die Tante Eschenwecks, Therese Eschenweck, befand. Die Tote hatte angeblich noch eine Milchkanne bei sich, die sie im Hauskeller in Sicherheit bringen wollte. Für den Weg zum Bunker hatte die Zeit nicht mehr gereicht.