Veröffentlicht am 18.07.2018 21:31

„In die Seele blicken lassen”


Johannes Beetz
Johannes Beetz
Chefredakteur
seit 1999 bei der Gruppe der Münchner Wochenanzeiger
Mitarbeit im Arbeitskreis Redaktion des Bundesverbands kostenloser Wochenzeitungen (BVDA)
Gewinner des Dietrich-Oppenberg-Medienpreises 2017 (Stiftung Lesen)
„Wir ergänzen uns gegenseitig.” Janine Klose und Manuel Wolfsteiner vor ihrem Porträt. (Foto: job)
„Wir ergänzen uns gegenseitig.” Janine Klose und Manuel Wolfsteiner vor ihrem Porträt. (Foto: job)
„Wir ergänzen uns gegenseitig.” Janine Klose und Manuel Wolfsteiner vor ihrem Porträt. (Foto: job)
„Wir ergänzen uns gegenseitig.” Janine Klose und Manuel Wolfsteiner vor ihrem Porträt. (Foto: job)
„Wir ergänzen uns gegenseitig.” Janine Klose und Manuel Wolfsteiner vor ihrem Porträt. (Foto: job)

Behinderte solle man vor allem als Menschen sehen - als Menschen, die eine eigene Geschichte haben. Das unterstrich Thomas Pape, Vorstandsvorsitzender der Stiftung ICP, bei der Eröffnung der Ausstellung „Erzähltes Leben” im ICP an der Garmischer Straße. Dort sind in der großen Glashalle in den nächsten Wochen Porträts von Teilnehmern des Münchner Förderzentrums MFZ zu sehen. Die großformatigen Bildern werden ergänzt von Texten, die aus Interviews mit den Menschen zu ihren Wünschen, ihren Gedanken, ihrem Leben entstanden. So sind sehr interessante und bewegende Geschichten entstanden.

Optimale Begleitung

Die Stiftung ICP München (Integrationszentrum für Cerebralparesen, vor 60 Jahren als Spastikerzentrum gegründet ) kümmert sich in ihren Einrichtungen um Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Cerebralparese. Ein vielseitiges Betreuungsangebot für alle Lebensphasen stellt sicher, dass die Menschen mit Behinderung optimal gefördert werden. Grundprinzip ist es, die Betroffenen beruflich sowie auch sozial zu integrieren. Dabei unterhält die Stiftung ICP München verschiedene Einrichtungen. Allein im ICP in der Garmischer Straße erhalten rund 450 Kinder und Jugendliche eine ganzheitliche Förderung und ein vielseitiges, individuelles Betreuungsangebot.

Bei der Förderung ergänzen sich Sonder- und Heilpädagogik zusammen und Therapien. Die Betreuung – in der integrativen Kinderkrippe und dem Kindergarten sowie später in Förderschule, Tagesstätte und Wohnheim bis in der Ausbildung im Berufsbildungswerk - stellt darüber hinaus sicher, dass die Kinder und Jugendlichen optimal versorgt sind. Ganz wichtig für ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben ist dabei die Erlernung eines Berufs. Diese Möglichkeit bietet das Berufsbildungswerk (BBW) des ICP. Zudem können die jungen Erwachsenen, die an einer Ausbildung des BBW teilnehmen, im Internat oder Außenwohngruppen wohnen, wodurch sie zusätzlich Schritt für Schritt mehr Selbstständigkeit lernen.

Selbstständigkeit zählt

Zur Stiftung ICP gehört auch das MFZ Münchner Förderzentrum. In dieser Spezialeinrichtung für Erwachsene mit infantilen Cerebralparesen oder anderen neuroorthopädischen Erkrankungen sind Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), Förderstätte, Wohnpflegeheim und Therapie zusammengefasst. Je nach Schwere der Behinderung arbeiten die Menschen entweder in der WfbM, wo sie wirtschaftlich vermarktbare Produkte herstellen, sich so ein Gehalt verdienen und einen Rentenanspruch erwerben, oder in der Förderstätte, in der sie nützliche und kreative Produkte fertigen. Im Wohnpflegeheim des MFZ wohnen die Menschen in einer Gemeinschaft zusammen. Dabei werden Selbstständigkeit und Selbstbestimmung ebenso gefördert wie die Entwicklung jedes Bewohners.

„Die Schätze nicht vergessen”

Mit Teilnehmer des MFZ führte Renate Klose (Stiftungsrat ICP) Interviews für die Ausstellung „Erzähltes Leben”. Die langjährige MFZ-Mitarbeiterin Dalija Basic fotografierte die interviewten Menschen. Aus ihren Bildern und den wichtigsten Aussagen der Abgebildeten ist eine ungewöhnliche Ausstellung geworden - ein facettenreiches Bild der Menschen, die im MFZ gefördert werden und wohnen.

„Oft geht unter, dass Sie Wünsche haben, ihr Leben führen, Talente besitzen”, räumte Thomas Pape bei der Eröffnung der Ausstellung gegenüber den Porträtierten ein, „die Schätze aus ihrem Leben sollen aber nicht vergessen werden!” Deshalb werde man künftig jungen Menschen, die den Beruf des Heilerziehungspflegers lernen, als erstes das zur Ausstellung herausgegebene Büchlein in die Hand geben: Dort sind alle Bilder und Geschichten zusammengetragen. Pape dankte den Initiatorn des Projekts und den Teilnehmern für ihre Offenheit: „Sie lassen andere Menschen in ihre Seele blicken. Jeder Mensch sollte so dargestellt werden wie Sie: als liebenswerte Menschen.”

„Ich bin glücklich”

Renate Radmacher

Ich habe eigentlich alles. Ich bin glücklich im MFZ und ich kann ja nicht mehr als glücklich sein. Es gibt hier viele gute Menschen. Ja, ich bin wirklich zufrieden. Ich habe alles. Das ist mein schönstes Leben, das ich so noch nie gehabt habe.

„Ich stolz auf meine Selbständigkeit”

Gerhard Ganesch

Ich mag die Berge und Seen. Ich mag auch Konzerte und gehe ins Kino. Ich fahre auch gerne draußen spazieren. Ich unternehme viel und bin stolz auf meine Selbständigkeit. Aber meine Behinderung schränkt mich sehr ein. Leider kann ich unterwegs meinen Talker nicht benutzen, um mich zu verstsändigen. Die Leute sind in Eile und wollen nicht warten, bis ich eine Bitte geschhrieben habe. Ich werde reduziert auf den Rollstuhl und meine Behinderung. Das ist sehr, sehr bitter.

„Das hat mir keiner zugetraut”

Christoph Holzmair

Ich arbeite im MFZ und habe es geschafft, in ein eigenes kleines Apartement zu ziehen. Ich habe einen Pflegedienst, der mir hilft. Aber ich kann mein Leben selbst gestalten. Ich bin stolz darauf, dass ich das geschafft habe. Das hat mir keiner zugetraut. Hier im MFZ organisiere ich den Bewohnerstammtisch, das macht mir viel Freude. Das zu organisieren gibt mir eine innere Zufriedenheit. Wenn jemand Probleme hat, dann kann jeder zu mir kommen und wir versuchen, die Probleme zu lösen.

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