Die meisten von ihnen sind normalerweise auf Verbrecherjagd, ermitteln im Drogenmilieu oder bekämpfen Cyber-Kriminalität. Einige üben auch einen anderen Beruf aus. Doch an diesem Abend stehen sie vor einer gemeinsamen Herausforderung: dem plattdeutschen Klassiker „Dat du min Leevsten büst”. Referats- und berufsübergreifend sozusagen. Es ist Probeabend des Frauenchors der Münchner Polizei. Tatort Ettstraße. Ein Besuch bei singenden Polizistinnen, Nicht-Polizistinnen und Dr. Evi Haberberger, ihrer Chorleiterin.
„Da war etwas falsch.” Evi Haberberger unterbricht den Gesang. „Die vierte Strophe bitte noch einmal.” Die Damen gehorchen, rund 30 Münder öffnen sich. „Kummt denn de Morgenstund, kreiht de ol Hahn. Leevster min Leevster min, du muss jetz gahn! Leevster min Leevster min, du muss jetz gahn!” erklingt es im Proberaum des Polizeipräsidiums München. Es ist die heiße Phase vor dem Konzert in Hamburg. Da muss jeder Ton sitzen. 27 Sängerinnen werden in der Laeiszhalle dabei sein. „Der Männerchor Hamburg lädt sich jedes Mal einen anderen Frauenchor ein”, sagt Evi Haberberger und lacht. Diesmal also die Münchnerinnen.
Der Frauenchor der Polizei München ist ein junger Chor. Vor fünf Jahren wurde er gegründet. Immer wieder hatte es zuvor Anfragen von singbegeisterten Frauen beim Männerchor der Polizei gegeben. „Der Männerchor ist über 100 Jahre alt”, sagt Evi Haberberger. Es sei nicht möglich gewesen, Frauen aufzunehmen. „Da hätte man das ganze Repertoire umschreiben müssen.” Also wurden die Frauen selbst aktiv. „Die Polizeiseelsorge kam auf mich zu, weil man dort wusste, dass ich Chorerfahrung habe”, blickt Evi Haberberger zurück.
Chorerfahrung – das umschreibt nur einen kleinen Aspekt aus dem Leben der promovierten Mathematikerin. „Musik ist mein zweites Leben”, sagt sie. „Ich habe schon immer musiziert.” Bereits mit fünf Jahren begann die gebürtige Bayreutherin mit dem Klavierspielen, nahm mehrmals am Wettbewerb „Jugend musiziert” teil und wurde hier auch Landessiegerin. Nach dem Abitur begann sie 1992 ein Mathematikstudium an der Universität Bayreuth und übernahm die Leitung des Gospelchors der Uni. Von 1999 bis 2002 promovierte Evi Haberberger im Bereich der Diskreten Mathematik. Seit dieser Zeit wirkt sie im Opernstudio Oberfranken zunächst im Chor, dann als Solistin, mit. Ihre Gesangsausbildung startete sie im Jahr 2000 bei Anneliese Meyer-Adam. Ab 2002 übernahm sie für sieben Jahre die Leitung des Kirchenchors der Gemeinden Hl. Geist/Laineck/Bindlach.
Mit dem Doktortitel in der Tasche – und das ist das andere Leben der Evi Haberberger – bewarb sie sich zunächst beim Polizeipräsidium Oberfranken und wechselte dann zum Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) in das Strategische Innovationszentrum. Seit Anfang 2014 ist Evi Haberberger Sachgebietsleiterin des neu gegründeten Sachgebiets „Zentralstelle Cybercrime” im BLKA.
Dann kam also der Ruf nach einem eigenen Frauenchor der Polizei. Anna Iwanowski, 1. Vorsitzende des Chors, und Evi Haberberger, übernahmen die Organisation und scharten alsbald rund 30 Gründungsmitglieder um sich. Die erste Probe war am 26. Februar 2013 im Musiksaal der Lukasschule in Laim. Inzwischen proben die Sängerinnen jeden Dienstagabend im Rapportsaal des Polizeipräsidiums in der Ettstraße. Der Chor ist mittlerweile auf über 40 Damen zwischen 20 und 71 Jahren angewachsen. „Aber natürlich können nicht immer alle zur Probe kommen. Viele Kolleginnen arbeiten ja im Schichtdienst”, sagt Evi Haberberger. Die meisten Sängerinnen seien bei der Polizei tätig. „Sie arbeiten im Landeskriminalamt, im Ministerium, in den einzelnen Polizeiinspektionen und bei der Kripo. Das sind gut 70 Prozent. Die übrigen 30 Prozent kommen von außen”, erklärt die Chorleiterin.
Der Frauenchor der Münchner Polizei ist offen für alle, die Tätigkeit bei der Polizei nicht Voraussetzung für eine Aufnahme in den Chor. Hier geht es darum, den Ton zu halten. „Wer bei uns mitsingen möchte, kann sich gerne per Mail melden. Dann schauen wir nach einem passenden Einstiegstermin”, sagt Evi Haberberger. Vier bis sechs Wochen kann jede „Choranwärterin” zum Probesingen kommen. „Dann sucht sie sich ein Stück aus, das sie gemeinsam mit einer Gruppe singt und es wird entschieden, ob es passt oder nicht.”
Rund 15 Auftritte hat der Chor im Jahr – öffentliche und interne. Jedes Jahr laden die Frauen am 6. Januar zum Dreikönigskonzert ein. Außerdem gibt es meist ein Sommerkonzert, ein Weihnachtssingen im Polizeipräsidium und einen Auftritt beim Empfang der Stadt München für die neuen Polizeibeamten des Präsidiums München.
Zurück zur Probe. „Bitte den Ton halten und nicht irritieren lassen. Der ist ein bisschen fies”, sagt Evi Haberberger. Noch einmal geht es durch die vierte Strophe von „Dat du min Leevsten büst”, dann ist die Chorleiterin zufrieden. Es folgt „O fortuna” aus Carl Orffs Carmina Burana. Normalerweise werden die Frauen am Klavier von Pianist Gregor Wossilus begleitet, doch an diesem Abend konnte er nicht zur Probe kommen. Kein Problem für Evi Haberberger, die nun selbst in die Tasten greift. Es wird unterbrochen, nochmal angefangen, erklärt und vor allem viel gelacht. Evi Haberberger entgeht kein falscher Ton. Sie feilt gemeinsam mit den Sängerinnen daran, bis alles sitzt. Mit viel Elan und Esprit.
Wer den Frauenchor der Münchner Polizei gerne live erleben möchte, hat am Samstag, 21. Juli, zum Jubiläumskonzert Gelegenheit dazu. Beginn ist um 19 Uhr in der Hochschule für Musik und Theater (Arcissstr. 12). Karten gibt es bei MünchenTicket und in den Büros der Münchner Wochenanzeiger in der Fürstenrieder Str. 5-9 sowie am Luise-Kiesselbach-Platz 31.
Weitere Infos unter www.frauen-polizeichor.de im Internet.