Veröffentlicht am 24.02.2018 13:37

„Der Markt ist in weiten Teilen Bayerns leergefegt”


Johannes Beetz
Johannes Beetz
Chefredakteur
seit 1999 bei der Gruppe der Münchner Wochenanzeiger
Mitarbeit im Arbeitskreis Redaktion des Bundesverbands kostenloser Wochenzeitungen (BVDA)
Gewinner des Dietrich-Oppenberg-Medienpreises 2017 (Stiftung Lesen)
Die GEW drängt das Kultusministerium zum Handeln. (Foto: gew)
Die GEW drängt das Kultusministerium zum Handeln. (Foto: gew)
Die GEW drängt das Kultusministerium zum Handeln. (Foto: gew)
Die GEW drängt das Kultusministerium zum Handeln. (Foto: gew)
Die GEW drängt das Kultusministerium zum Handeln. (Foto: gew)

Bayernweit sind letzte Woche rund 450 Lehrer an den Grund- und Mittelschulen in den Ruhestand gegangen, sagt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern (GEW). Das Kultusministerium wird gut die Hälfte dieser Stellen mit Zweitqualifizierern, also Lehrkräften aus Realschulen und Gymnasien, besetzen können, so die GEW. Wie sollen die restlichen Lücken gefüllt werden?

Die Grund-, Mittel- und Förderschulen leiden nach wie vor unter einem massiven Lehrkräftemangel. Jetzt kommen die Pensionierungen und die Krankheitswelle hinzu, warnt Ruth Brenner, Sprecherin der GEW Landesfachgruppe Grund- und Mittelschulen in Bayern und ergänzt: „Der Markt ist in weiten Teilen Bayerns leergefegt. Gut 200 weitere Stellen mit qualifizierten Kollegen zu besetzen ist ein Ding der Unmöglichkeit. „Wie die GEW festgestellt hat, fehlen bereits jetzt also ohne Pensionierungen und Krankheitswelle zahlreiche Kollegen, die mobile Reserve sei längst fest verplant.

„Viele Lehrer sind jetzt an der Belastungsgrenze”

Ab dieser Woche werde sich die Situation weiter verschärfen - auf dem Rücken der Lehrer. Daher fordert die GEW ein Ende der „Flickschusterei, die massiv zu Lasten der Schüler, Eltern und Lehrkräfte geht”. Notwendig sei ein stichhaltiges Konzept zur Lösung des Problems und der politische Wille, die notwendigen Mittel dafür bereitzustellen.

Brenner kritisiert Kultusminister Spaenle, da dieser keine Lösungsvorschläge zum Lehrkräftemangel vorlege, aber eine umfassende Digitalisierungskampagne an Schulen und dazu zahlreiche Qualifizierungsmaßnahmen der Lehrer ankündige: „Ohne die sicherlich wichtige Digitalisierung grundsätzlich in Frage zu stellen, täte das Ministerium gut daran, den massiven Lehrkräftemangel prioritär anzugehen und sich dann einem strukturierten Programm zur Umsetzung der Digitalisierung zu widmen.”

Viele Lehrer seien jetzt an der Belastungsgrenze. Zusätzlich zu Vertretungen und den vielschichtigen Aufgaben wie z.B. Ganztag und Inklusion sollen sie nun auch die Digitalisierung an Schulen stemmen und das angesichts fehlendem Personal.

Was schlägt die GEW vor?

Die Bildungsgewerkschaft artikuliert deshalb zum wiederholten Mal ihre Vorschläge:

Über ein gleiches Eingangsgehalt für alle Lehrkräfte (A13 / E13) muss die Attraktivität der Arbeit an den Grund- und Mittelschulen erhöht werden. Dass dies möglich sei, machen mehrere Bundesländer bereits vor.

Eine dauerhafte Lösung des Problems von Mangel an Lehrern und gleichzeitiger Arbeitslosigkeit von Lehrkräften strebt die GEW über eine Reform der Lehrerbildung in Richtung von Stufenlehrkräften an (diese werden nicht mehr strikt getrennt nach Schularten ausgebildet, sondern nach Jahrgangsstufen der Schüler). Das Prinzip der Fachlichkeit wird beibehalten. So könnten die Pädagogen gut in verschiedenen Schularten arbeiten.

Als kurzfristig mögliche Maßnahme schlägt die GEW Bayern vor, dass der Lotsendienst (Grundschullehrkräfte an Realschulen und Gymnasien) künftig von Real- und Gymnasiallehrkräften übernommen wird.

Das Ministerium widerspricht

Das Bayerische Bildungs- und Wissenschaftsministerium weist die Aussagen der GEW zurück und verspricht stattdessen, es werde „alle zum Schulhalbjahr 2017/2018 alle ausscheidenden Lehrkräfte an den Grund- und Mittelschulen ersetzen.”

Die angespannte Situation auf dem Markt von Lehrkräften für Grund- und Mittelschulen erklärt das Ministerium „nicht zuletzt aus dem massiven Zustrom an jungen Zuwanderern in den Jahren 2015 und 2016”. Eine Lehrerausbildung nehme einen Zeitraum von 6 bis 7 Jahren in Anspruch und lasse sich nicht im Handumdrehen korrigieren. Dennoch könne Bayern „alle Lehrerstellen besetzen – und zwar mit ausgebildeten Lehrkräften”, sagt das Ministerium.

Rückgriff auf Beurlaubte und Pensionisten

An den Grund- und Mittelschulen scheiden in Bayern zum Schulhalbjahr 2017/2018 rund 600 Lehrkräfte mit einem Beschäftigungsumfang von rund 440 Vollzeitstellen aus, der allergrößte Teil von ihnen gehe in den Ruhestand.

Um diese Lücken in Grund- und Mittelschulen zu füllen, werden Realschul- und Gymnasiallehrkräfte, die in ihrer Schulart keine Beschäftigung gefunden haben, qualifiziert. Diese „Umschulung” nimmt zwei Jahre in Anspruch. Dazu kommen Lehrkräfte, die aus der Beurlaubung in den Schuldienst zurückkehren, aber auch Pensionisten, die in einem begrenzten Umfang freiwillig Dienst tun.

600 gehen - 100 kommen

Während 600 Grund- und Mittelschullehrer in Bayern zum Halbjahr ausscheiden, kündigen die Minister Markus Söder und Ludwig Spaenle neue Stellen für rund 100 Lehrer für diese Schulen an - allerdings erst im nächsten Schuljahr. Mit den 100 Lehrerstellen sollen die Schulleiter entlastet werden: Sie hätten damit im kommenden Jahr eine Stunde mehr Zeit für ihre Leitungsaufgaben, glauben die Minister. Zudem könnten schon ab April etwa 75 Verwaltungsangestellte die Schulleiter bei organisatorischen Aufgaben unterstützen - wenn die versprochenen Stellen besetzt werden.

north