Die »Gartenzwerg-Guerilla« kämpft mit Schaufel & Gießkanne

Haidhausen · Blümchen-Anarchie

Hat sich nur für das Foto getarnt: Barbara bei einer Aktion der »Gartenzwerg-Guerilla« am Pariser Platz.	Foto: js

Hat sich nur für das Foto getarnt: Barbara bei einer Aktion der »Gartenzwerg-Guerilla« am Pariser Platz. Foto: js

Haidhausen · Mit Sonnenblumen-Setzlingen, Weidenzweigen und einer Gartenschere bewaffnet sitzt Barbara am Pariser Platz. Sie wartet auf ihre Mitstreiter – eine kleine Gruppe der »Gartenzwerg-Guerillas« trifft sich für eine Aktion. Was die Untergrund-Initiative vor hat, ist illegal. Dennoch vermummen sich die Aktivisten diesmal nicht wie sonst.

Der Grund: Die Haidhauser Bürger begrüßen die eigenmächtigen Bepflanzungen öffentlicher Flächen. Unter den Anwohnern hat die Gruppe bereits Nachahmer gefunden. »Wir tun doch nichts Schlimmes«, sagt Barbara. Gelassen schneidet sie die Blätter von den Weidenzweigen, die sie mitgebracht hat, um ihr selbst angelegtes Beet einzuzäunen. Ihren vollen Namen will sie trotzdem nicht nennen. Der Boden, auf dem ihre Blumen und Kräuter sprießen, gehört nämlich der Stadt. Dort etwas anzupflanzen, ist eigentlich verboten. Dennoch verzichten sie und ihre Helfer auf die Masken, weiße Bärte und Zipfelmützen, das Markenzeichen der »Gartenzwerg-Guerilla«, hinter denen sie normalerweise ihre Identität verstecken.

»Hier haben wir Lilien, Schilf, Mais und Salbei gepflanzt«, erklärt Christine vor der etwa vier Quadratmeter großen Fläche rund um den Baum, der Teil der kleinen Allee in der Pariser Straße ist. Doch mit dem Einsetzen der Pflanzen ist es nicht getan. Regelmäßig pflegen die Hobby-Gärtner ihre illegalen Beete, füllen frische Blumenerde nach und gießen. »Das Wasser dazu dürfen wir bei den umliegenden Geschäften holen«, sagt Sebastian, ein Mitstreiter. Bei den Anwohnern findet die Begrünung auf eigene Faust großen Anklang. Passanten nicken im Vorbeigehen zustimmend, während sich die Aktivisten mit Spaten und Gießkanne am öffentlichen Raum zu schaffen machen. Einer bleibt stehen. »Ich will nicht stören, ich will nur schauen«, sagt er. Sein spontaner Kommentar: »Das habt ihr aber schön gemacht.«

Nicht nur die »Gartenzwerg-Guerillas« sind im Viertel mit Schaufel, Pflänzchen und Gießkanne aktiv, auch viele Anwohner beginnen, brach liegende städtische Flächen selbst in Eigenregie zu bepflanzen. »Meine Parzelle ist da drüben«, sagt Christof Schaaf und zeigt auf einen weiteren Baum in der Pariser Straße. Dank seines Einsatzes wachsen nun Sommerblumen, wo früher nur spärliches Gras und Erde war. Auch er hat das Areal eingezäunt, vor allem um das Beet vor Hundekot zu schützen. »Die Hundebesitzer sind ignorant«, klagt er. Die Grünflächen im Viertel seien viel zu schade, um sie den Vierbeinern zu opfern: »So ist die Wiese eine Freude für alle, die vorbeigehen.«

Die Stadt indes teilt diese Haltung nicht. »Die Leute bepflanzen diese Flächen nach ihrem persönlichen Geschmack«, sagt Jürgen Marek, Sprecher des Baureferats. Für die Gestaltung des öffentlichen Raumes sei jedoch der Stadtrat zuständig, der im Rahmen der politischen Willensbildung darüber entscheide: »Diese Flächen sind keine privaten Gärten, die man nach individuellem Schönheitsbedürfnis bepflanzen kann.« Mit Strafen oder Bußgeldern müssen die »Gartenzwerg-Guerillas« jedoch nicht rechnen.

Die Verwaltung duldet das anarchische Grün. »Das ist nichts Böses, sondern eine bestimmte Form des bürgerschaftlichen Engagements«, räumt Marek ein. Solange die Stadtgärtner dadurch nicht in ihrer Arbeit behindert würden, gebe es keinen Grund, dagegen vorzugehen. Die Mitarbeiter des Gartenbaureferats nehmen sogar Rücksicht auf das Werk der Hobby-Gärtner: »Diese liebevoll gepflanzten Blumenrabatten mähen wir nicht ab.« Julia Stark

Artikel vom 22.06.2010
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