Statt Luxus-Restaurant nun »Ökokonto«: der Jagdhof

Taufkirchen · Bewegte Geschichte

Der Jagdhof ist Geschichte – auf dem Areal soll nun eine Art »Ökokonto« entstehen, dass Firmen als Ausgleichsfläche kaufen können. 	Foto: Schunk

Der Jagdhof ist Geschichte – auf dem Areal soll nun eine Art »Ökokonto« entstehen, dass Firmen als Ausgleichsfläche kaufen können. Foto: Schunk

Taufkirchen · Es ist einer der schönsten Flecken Taufkirchens: Beinahe täglich wird das im Deisenhofener Forst gelegene »Jagdhof«-Gelände von Spaziergängern und Ausflüglern aufgesucht. Nun soll die rund sechs Hektar große Lichtung am südöstlichen Ortsausgang Taufkirchens in Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde mittels eines »Ökokontos« zusätzlich verschönert und wirtschaftlich aufgewertet werden.

Das beschloss der Bauausschuss in der jüngsten Sitzung im Rathaus, nachdem Landschaftsarchitekt Ralph Kulak spezielle Renaturierungsmaßnahmen vorgestellt hatte. Der Gemeinderat segnete den Beschluss ab. Mittelfristiges Ziel der Gemeinde ist es, aus dem Gebiet Kapital zu schlagen: Investoren sollen es als Ausgleichsfläche für Bauprojekte erwerben können, und zwar zu einem wesentlich höheren Preis, als es der Marktwert derzeit vorsieht. Eben diese Wertsteigerung soll das »Ökokonto« herbeiführen, worunter laut Umweltministerium eine »gezielte Bevorratung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen« zu verstehen ist, die »bei späteren Eingriffen in Natur und Landschaft als Kompensationsmaßnahmen angerechnet werden können«.

Laut Kulak werde die Wertsteigerung des Jagdhof-Areals jährlich etwa drei Prozent betragen. Bei dem Gelände handelt es sich um ein Naherholungsgebiet, das insbesondere von Spaziergängern, Hundebesitzern, Joggern und auch Bogenschützen genutzt wird. Die Aufwertungsmaßnahmen sollen sich auf verschiedene Zonen erstrecken. So soll auf dem ehemaligen Biergarten ein Kastanienhain gepflanzt werden, Sitzplätze und Bänke sollen zum Verweilen einladen. Hier wird nach den Plänen des Landschaftsarchitekten auch ein »Sonderstandort« mit Infotafeln zur Geschichte des Jagdhofs eingerichtet. Das Entwicklungsziel bei den Baumgruppen lautet: Fällung von Fichten zu Gunsten der Kiefern, Eichen-, Buchen-, Hainbuchen- und Kieferngruppen als »Leitarten«.

Die Fichtenreihe nördlich vom ehemaligen Parkplatz wiederum soll einer Glatthaferwiese weichen, während auf dem ehemaligen Tennisplatz ein »lockerer Kiefern- und Birkenbestand« gepflanzt werden soll, wie Kulak weiter ausführte. Auch der nordöstliche Bereich der Rodungsinsel soll aufgeforstet werden, das »Entwicklungsziel« sieht hier einen Eichen- und Hainbuchenwald vor. Den Waldrand sollen heimische Sträucher und Strauchgruppen zieren, während für den Saum ein Hochstaudenflur vorgesehen ist. Das Zentrum des Areals soll eine Magerwiese zieren. Weitere Maßnahmen sind laut Kulak Pflanzungen alter Obstbaumsorten sowie – wenn gewünscht – die Errichtung eines Aussichtsturmes: Von dort aus sollen die Ausflügler das gesamte Gelände überblicken sowie Vögel und Fledermäuse beobachten können. Durch Anbindung an das bestehende Rad-Wegenetz soll die Lichtung ein »gut erreichbares Naherholungsgebiet für die ganze Familie werden«, wie es sich der Experte verspricht.

Mit all den Maßnahmen verbunden ist eine deutliche Wertsteigerung: »Wir können Teile dieses Ökokontos sofort absetzen, auch wenn der Mehrwert erst in 10 bis 20 Jahren eintritt.« Bürgermeister Jörg Pötke (ILT) zeigte sich begeistert von dieser »Chance«: Damit habe die Gemeinde die Möglichkeit, »wenigstens einen Teil der Gelder, die wir damals investiert haben, wiederzubekommen«, seufzte er mit Blick auf die rund 500.000 Euro, die Taufkirchen 2002 für den Erwerb des inzwischen abgerissenen Jagdhofs gezahlt hatte. »Das war eine einzige Geldvernichtungsmaschine.« Viele Gerüchte ranken sich um die Geschichte der Jagdhof-Gaststätte: 1950 von einem Metzgermeister aus Giesing gebaut, wechselte Lokalität in den kommenden Jahrzehnten häufig den Eigentümer. Nach der Rodung eines 80-jährigen Fichtenbestandes entstand an der Stelle der »Steinerhof«, ein gastronomischer Betrieb, an den ein Schafstall angeschlossen war. Die Gaststätte lebte sich gut ein, doch als der Metzgermeister verstarb, begann das Auf und Ab des inzwischen zum »Jagdhof« umgetauften Anwesens. Nach Angaben von Pötke handelte es sich bei dem Anwesen um einen Schwarzbau, weswegen das Landratsamt und seinerzeit der Bayerische Landesvater Franz Josef Strauß, der dort selbst gefeiert hatte, auf einen Abriss des Anwesens drängten. Noch in den 90er Jahren sollte dort ein Restaurant in luxuriösem Stil entstehen. Sogar eine Speisekarte hatte der damalige Gemeinderat schon in Auftrag gegeben.

Doch die Schwierigkeiten mit den Behörden, vor allem dem Wasserwirtschaftsamt wegen des Wassersschutzgebietes, dem Abwasser und anderer Auflagen trugen zur Schließung der Gaststätte bei. Landratsamt und Wasserwirtschaftsamt verhängten eine Sperrung aller Bauvorhaben, im Herbst 2008 wurde das Gebäude schließlich abgerissen.

mst

Artikel vom 25.05.2010
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