Verein „lebensmut“ bietet psycho-onkologische Unterstützung für Krebspatienten

München · Leidet der Körper, leidet die Seele

Bunt und einladend: die Plastik in Form einer Hand am Eingang der Beratungsstelle begrüßt jeden Besucher. 	Foto: pi

Bunt und einladend: die Plastik in Form einer Hand am Eingang der Beratungsstelle begrüßt jeden Besucher. Foto: pi

München · Groß und quietschebunt steht sie vor dem Eingang zur Beratungsstelle „lebensmut“. Die Plastik in Form einer Hand verheißt schon von Weitem: Hier bin ich willkommen, hier ist jemand für mich da! Dieser Jemand ist Serap Tari. Sie ist Projektkoordinatorin von „lebensmut“, einem Förderverein für Psycho-Onkologie in München. Er bietet Krebspatienten und ihren Angehörigen eine Orientierungshilfe bei der Suche nach psychologischen Angeboten.

Die Diagnose verändert alles

„Krebs – nachdem man diese Diagnose bekommen hat, ändert sich erstmal alles“, erzählt Tari. „Viele fragen sich: warum hat es gerade mich getroffen. Was habe ich falsch gemacht, wie geht es jetzt weiter.“ Vor allem die Angst gilt – neben den existenziellen Bedrohungen – als größte seelische Belastung, derer ein Patient ausgesetzt ist. Hier setzt die Psycho-Onkologie an. Sie unterstützt Betroffene im Umgang mit den Belastungen der Krankheit und verbessert die Lebensqualität. Etwa ein Drittel der Krebspatienten in Deutschland nimmt diese Hilfestellung an. Viele zögern jedoch, diese Möglichkeit zu nutzen. Serap Tari: „Für viele Menschen bedeutet psychologische Betreuung immer noch, dass mit ihnen ‚im Kopf‘ etwas nicht stimmt. Da gilt es Überzeugungsarbeit zu leisten.“ Die Patienten, die zu ihr kommen, haben diese Vorbehalte in der Regel schon hinter sich gelassen. Im Gespräch wird dann gemeinsam daran gearbeitet, wie die seelische Unterstützung aussehen und eigene Kraftquellen gefunden werden können. „Der Blick des Betroffenen auf das eigene Leben ist wie durch eine Lupe, alle Ängste werden verstärkt, alles fokussiert sich auf die Krankheit“, so Tari.

Herauszufinden, was den Patienten am meisten belastet, ist Kern des Beratungsgesprächs und Grundstock für die Auswahl der Hilfsmöglichkeiten. Dabei wird individuell auf die Bedürfnisse des Patienten eingegangen. „Ich biete dem Betroffenen eine feste Beziehung an. Das Erkennen, dass man nicht allein ist, löst schon unglaublich viel Angst“, sagt Tari. Sie betreibt ihre Aufgabe mit großer Hingabe. „In meiner Arbeit erlebe ich enorme menschliche Intensität und Offenheit. Ich habe unglaubliche Achtung davor, was der Einzelne in dieser schweren Situation meistert.“ Dass sie mit ihrer Arbeit wirklich helfen kann, gibt der zierlichen Psycho-Onkologin die Kraft, die sie dafür braucht. Das vielfältige Angebot von „lebensmut“ beinhaltet unter anderem Gesprächstherapie, Mal- und Gestalttherapie, Atemtherapie und Entspannungstechniken, sozialrechtliche Beratung und krankheitsbezogene Informationen. Auch spezielle Sportgruppen werden angeboten und der Kontakt zu Selbsthilfegruppen hergestellt.

Hilfestellung für Angehörige

Die Beratung richtet sich aber nicht nur an die Krebspatienten selbst. Auch deren Angehörige und Freunde finden ein offenes Ohr und Hilfestellung im Umgang mit Krankheit und Betroffenen. „Der Patient ist nach Verkündung der Diagnose augenblicklich in einen Behandlungs- und Betreuungsfluss eingebunden. Angehörige und Freunde sind erstmal ausgeschlossen aus diesem Kreis, wollen aber auch helfen und etwas tun. Dazu kommt, dass sich manche Patienten extrem zurückziehen und Hilfe aus dem persönlichen Umfeld gar nicht zulassen“, schildert Tari die Situation. „Mit Kleinigkeiten kann ich als Angehöriger schon viel Unterstützung leisten. Ob Einkaufen gehen, kochen, Kinderbetreuung – oft reicht auch schon das „da sein“ aus.“ Im Beratungsgespräch mit Serap Tari erwerben die Angehörigen so ein Stück Sicherheit, aber auch die Möglichkeit, sich Belastendes von der Seele zu reden.

Herzensangelegenheit Kindersprechstunde

Eine besondere Herzensangelegenheit Serap Taris ist die Kindersprechstunde, die sie im Rahmen ihrer Beratungsarbeit anbietet. Gerade Kinder werden häufig aus den Familiengesprächen um die Krankheit und ihre Auswirkungen ausgeschlossen, erst spät oder unzureichend informiert. Doch Kinder nehmen die Sorgen und Ängste der Erwachsenen deutlich wahr. Wird ihnen keine Hilfestellung geboten, leiden sie, oft im Stillen. Die Folgen können psychosomatische Erkrankungen und Verhaltensstörungen sein, die unmittelbar oder erst nach einiger Zeit auftreten. In der Kindersprechstunde haben Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, Ängste abzubauen. „Kinder gehören dazu“, betont Tari. „Wenn Mama oder der Papa längere Zeit aufgrund der Krankheit unerreichbar sind, kann das – ohne Aufarbeitung – großen Schaden an der Psyche des Kindes anrichten.“ Sie appelliert deshalb, gerade den Kindern alle Möglichkeiten zukommen zu lassen, sich schon während der Krankheitsphase des Elternteils – und nicht erst nach der Genesung oder dem Tode – mit der Krankheit und allem, was dazugehört, auseinanderzusetzen.

Weitere Informationen erhalten Patienten und Interessierte unter www.lebensmut.org. RP

Artikel vom 20.05.2010
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