Projekt der Deutschen Bahn spaltet die Gemüter

München · Bahnhofspaten gesucht

Damit solche Schmierereien künftig schneller beseitigt werden können, hat die Deutsche Bahn das Projekt Bahnhofspaten neu belebt. BA-Politiker Thomas Kauer ist einer von ihnen. Foto: hgb

Damit solche Schmierereien künftig schneller beseitigt werden können, hat die Deutsche Bahn das Projekt Bahnhofspaten neu belebt. BA-Politiker Thomas Kauer ist einer von ihnen. Foto: hgb

München/Schwanthalerhöhe · Die Visitenkarte einer Gemeinde ist ihr Bahnhof – landauf, landab ist diese Aussage immer wieder in den kommunalpolitischen Gremien zu hören. Schaut man sich die Bahnhöfe einmal genauer an, haben viele örtliche Aushängeschilder diverse Flecken und Schrammen. Dies zu ändern hat sich die Deutsche Bahn (DB) mit ihrem Projekt Bahnhofspaten vorgenommen: Beschädigungen, Defekte, Verschmutzungen und vieles mehr sollen schneller erfasst und behoben werden.

Ehrenamtlich tätige, registrierte Mitbürger melden telefonisch Auffälliges rund um die Uhr an eine zentrale Rufnummer, die Reparaturtrupps können starten. Indes, die Bahn-Aktion bewegt die Gemüter, Pro und Contra prallen hart aufeinander. Beispielsweise meint Ludwig Wörner, CSU-Landtagsabgeordneter und Vorsitzender des Bezirksausschusses (BA) Schwanthalerhöhe: „Die Bahn sucht Deppen, die das für sie machen, weil sie es selbst nicht mehr machen will“. Willy Mundigl (SPD), ebenfalls Mitglied des BA Schwanthalerhöhe, setzt noch eins drauf: „Ich sehe nicht ein, dass ein Unternehmen, das Arbeitsplätze vernichtet, Ehrenamtliche einsetzt“.

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Für den S-Bahnhof Perlach hingegen hat Thomas Kauer (CSU), Mitglied des BA Ramersdorf-Perlach den Job übernommen: „Ich möchte dazu beitragen, dass der Perlacher Bahnhof, der sich in einem miserablen Zustand befindet, wenigstens verkehrssicher bleibt und die gröbsten Mängel schnell behoben werden“. Doch Kauer wartet seit Anfang März darauf, dass ein großes Loch in einem Zaun geflickt wird. Schon zuvor hatte Kauer in seiner Eigenschaft als BA-Mitglied dies moniert, auf Antwort zu einer E-Mail wartet er heute noch. „Ich bin sehr, sehr unzufrieden“, fasst der Kommunalpolitiker seine Enttäuschung zusammen.

Das Modell Bahnhofspaten läuft seit langem, wurde Anfang dieses Jahres von der DB neu belebt und beworben. In der Stadt gibt es 41 S-Bahn-Stationen, auf dem so genannten Außenast 108 Bahnhöfe, insgesamt also 149 Haltestellen. 140 Paten haben sich bis dato gemeldet, für einige Bahnhöfe sogar mehrere Personen. Drei Dutzend Stationen im Außenbereich sind noch „unbesetzt“, in München sucht die Bahn noch acht Paten – für die Stationen Lochhausen, Heimeranplatz, Hackerbrücke, St.-Martin-Straße, Neuperlach-Süd, Riem, Daglfing und Englschalking.

„Wegen des bürokratischen Aufwands können Telefonkosten nicht ersetzt werden“, erläutert Katja Hofmann von der DB-Kommunikation: „Bei der Patenschaft handelt es sich um ein reines Ehrenamt“. Wer dennoch Interesse hat, kann sich telefonisch unter 13 08 35 98 oder per E-Mail an anja.mücke@deutschebahn.com anmelden.

„Der Konzern will mit den Bahnpatenschaften keineswegs die regelmäßigen Qualitätskontrollen einsparen, die kleinen alltäglichen Unzulänglichkeiten wie überfüllte Abfalleimer, inaktuelle Fahrpläne, defekte Lampen, Lautsprecher und Bahnsteigbeläge oder nicht ausreichender Winterdienst sollen im Blickfeld der Paten liegen“, erklärt Heiko Hamann, Chef der DB Station & Service München, die Aktion. Und: „Es genügt ein aufmerksamer Blick beim Vorbeigehen, tägliche Kontrollgänge sind nicht notwendig“. Katja Hofmann ergänzt: „Die häufigsten Meldungen beziehen sich auf Beschädigungen durch Vandalismus oder Schmierereien“. Zum Aspekt Kostenersparnis meint die Pressesprecherin: „Es gibt für die DB keine, da die Paten unabhängig sind von unseren eigenen Qualitätsstandards“.

Das Thema Bahnhof-Kümmerer kommentierte Thomas Hofstätter (CSU) im BA Schwanthalerhöhe kurz und bündig: „Die Bahn sollte lieber Arbeitsplätze schaffen“. Personalabbau, ureigenste DB-Aufgaben, Bahn verwaltet Volkseigentum – all diese Schlagworte fallen in den Lokalparlamenten bei den Diskussionen zu den Patenschaften. In Internet-Blogs wird der Ton vielfach schärfer: „Es gibt für ‚Dummer Kunde, mach doch selbst wofür Du mich bezahlst’ ein neues Wort, created by Deutsche Bahn: Bahnhofspate“. Und weiter: „Zwei Mitarbeiter kosten das Unternehmen jährlich mit allem Drum und Dran 120.000 Euro. Zur Erinnerung: 2009 hat die DB einen Gewinn von 1,8 Milliarden Euro erwirtschaftet. Es ist schon ganz schön dreist, dem Kunden Jahr für Jahr immer mehr Geld abzukassieren und dann auch noch die eigenen Aufgaben abzuwälzen“.

Im Merkblatt zu Bahnhofspatenschaften heißt es: „Da es uns und unserem Team selbst nicht möglich ist, auf jeder unserer Stationen täglich präsent zu sein, erfahren wir von Beschädigungen und Mängeln manchmal erst spät, so dass diese auch erst nach längerer Zeit behoben werden können. Genau hier greift die Idee des Bahnhofspaten“. Ein Scheinargument? Unterstellt, dass das Team fünf Mitarbeiter umfasst, jeder eine Station 30 Minuten inklusive Anfahrt bei einem Sieben-Stunden-Arbeitstag checkt, würde täglich jeder zweite S-Bahnhof kontrolliert. Von Helmut G. Blessing

Artikel vom 12.05.2010
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