Ein Münchner sagt seine Meinung

München · Albrecht Ackerland über Bioessen

Schade ist's! Wie den Kramerladerln auf dem Dorf, die mittlerweile allesamt verschwunden sind, so ergeht's auch längst dem Bioladen in der Stadt. Eine kleine Tragödie. Ich war jahrelang Stammkunde eines solchen in Haidhausen. Ihn gibt es längst nicht mehr, wie es ja auch dieses Müsli-Lebensgefühl mit Jesuslatschen auch so nicht mehr gibt. Es ist keineswegs schade um die verschrumpelten Rüberln, die abgelaufene Milch, das Muffige in diesen Bioläden von einst.

Deswegen bin ich auch nicht hingegangen, auch nicht wegen der sensationell langsamen Verkäuferin, die immer ein leeres Schneckenhaus um den Hals trug, ein symbolhaftes Motto, dem sie unbedingt treu blieb.

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Ich ging hin, weil ich es seit Jahren wichtig finde, auch beim Einkauf Zeichen zu setzen. Weil ich fand, diese Läden gehören unbedingt zu einer Vielfalt in der Stadt, und deshalb der Kauf schon lohnt, wenn ich ihnen ihre Existenz ein klein wenig mitsichern konnte. Und: weil ich gespritztes Gemüse einfach nicht mag. Und Fleisch von konventionell gehaltenen Tieren noch viel weniger.

Das war zwischendurch nicht immer so: Wie gerne lässt man sich blenden von der appetitlichen Präsentation in jenen modernen Metzgereikettenfilialen: „Sieht doch gut aus, frisch, schmeckt auch noch, so schlimm kann's ja doch nicht sein!“ Bis es mir vor einiger Zeit dann doch wieder den Erkenntnis-Schalter umgelegt hat: Für die Tiere, die dieses Fleisch liefern, gibt es nur sehr wenige Richtlinien. Sie dürfen über weite Strecken transportiert werden. Die Kälber und Ferkel dürfen gleich nach der Geburt von den Müttern getrennt werden. Hühner dürfen in Käfigen sitzen, so groß wie ein besserer Schuhkarton. Tiere dürfen ihr ganzes Leben angekettet bleiben, nie das Tageslicht sehen. Das gibt es bei Bio so erst einmal nicht.

Klar: Es gibt Skandale, wo höhere Preise erzielt werden können, da wird auch getäuscht. Aber das als Grund zu nehmen, von vornherein aufzugeben, das ist meine Sache nicht. Es ist jammerschade um die Bioläden – und es ist ein Fest, das jede normale Supermarktkette ein Biosortiment führt, sich gar ganze Biosupermärkte entwickeln konnten. Der Wettbewerb wird härter, die Bioläden konnten nicht mehr mithalten. Der Sache dient es trotzdem: Bio wird für mehr Menschen bezahlbar, das bekommen zwar auch die Bauern und Erzeuger massiv zu spüren. Aber: die Tiere und die Umwelt profitieren trotzdem davon.

Artikel vom 28.04.2010
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