Albrecht Ackerland über Zivildienst

München · Da schau her!

Wenn ich's mir recht überleg': Es war die beste Zeit in meinem Leben. Mein Zivi. Der dauerte zwar damals locker das doppelte von dem, was die Buam heute machen müssen – aber egal. Im Gegenteil: Rückblickend hätte er gern noch länger sein dürfen. Es ist die Zeit der Schwebe. Die Schule ist vorbei, erwachsen ist man aber noch lange nicht, fühlt sich aber mindestens so lebensweise wie ein alter Ackergaul.

Alles steht noch vor einem, aber man fühlt sich so frei, als wären die Schäfchen so richtig schön im Trockenen. Mir ging es zumindest so. Dann kam der Zivildienst. Erst hab' ich noch geflucht wie ein Rohrspatz. Der ganze Zwang, was das soll, wir Menschen sind doch frei, was soll ich da dienen, der Zivildienst ist doch nichts als Bundeswehr, nur ohne Waffen. Und die Bundeswehrpflicht kommt schon gleich gar nicht in Frage, eine Haltung, der ich bis heute die Treue halte. Ein Berufsheer, vielleicht fünfzigtausend Willige, die da ihren Zirkus in den Kasernen veranstalten. Und zwar auch nur dort und keinen Schritt weiter, kein Einsatz im Inneren, außer es bricht mal wieder ein Oderdamm. Und bloß raus aus Afghanistan und all den anderen so genannten Orten der Friedenssicherung, die ja doch bloß Krieg sind. Aber das nur am Rande.

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Freilich ging ich trotzdem zur Musterung, als junger Hupfer nimmt man jede Chance mit, und bei der Musterung ist es eben die Chance, ausgemustert zu werden. Ich schlief drei Tage nicht, absichtlich, damit der Körper schön am Ende ist, rauchte wie ein Schlot, aß kaum. Nur ist all das einem jungen Körper ungefähr so was von egal. Ich bekam eine Zwei Plus. So durfte ich gleich im Anschluss zum Funkertest, ein Eliteauswahlverfahren, von dem ich bis dahin nichts wusste, sondern dachte, das sei noch eine Chance. So spielte ich diesmal die vollkommene Verblödung – so perfekt, dass mich ein Generalstabsfeldwebel, der sich zumindest für einen solchen hielt, streng fragte, wie es denn käme, dass ich überhaupt die Grundschule geschafft habe. Und flüssig samt Nebensätzen sprechen könne. Punkt an ihn.

Also musste ich doch noch verweigern. Und heute danke ich den Musterungsärzten und meinem Deppentester, dass sie mich nicht ausgemustert haben. Sonst hätte ich nie den Zivildienst machen dürfen, und meinem Leben hätte wirklich etwas gefehlt: Die erste verwertbare Erfahrung in der freien Welt, abseits von Schule, Familie, Kindheit, Behütetsein. Und: Ich weiß seitdem, dass man in Altbauwände Schrauben manchmal auch ohne Dübel drehen kann, die dann aber trotzdem halten. Ich hatte mit wunderbaren Menschen zu tun. Durfte ein bisserl helfen, durfte rumgschafteln und zur rechten Zeit auch faul sein. Drei Attribute, die mich bis heute durchs Leben tragen.

Ich würde jeden bedauern, der diese Erfahrung nicht machen dürfte. Das fällt mir nicht leicht, denn natürlich muss der Wehrdienst abgeschafft werden, und ein Zwang zum Zivildienst für alle bleibt eben ein Zwang. Aber manchmal muss man die Menschen halt doch zu ihrem Glück zwingen.

Artikel vom 10.12.2009
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