Verhärtete Fronten

München · Keine Einigung zwischen Schulen und Kreisjugendring

Ein Gewinn ist es laut dem Kreisjugendring München-Stadt für die Kinder, dass in den eigenen Einrichtungen während der Nachmittagsbetreuung ein anderes Klima als in der Schule herrsche. Mit den neuen Richtlinien des Kultusministeriums zur Offenen Ganztags

Ein Gewinn ist es laut dem Kreisjugendring München-Stadt für die Kinder, dass in den eigenen Einrichtungen während der Nachmittagsbetreuung ein anderes Klima als in der Schule herrsche. Mit den neuen Richtlinien des Kultusministeriums zur Offenen Ganztags

München · Die Zusammenarbeit von Schulen und Freizeiteinrichtungen in München steht vor dem Aus! Das bayerische Kultusministerium hat nämlich neue Richtlinien zur Offenen Ganztagsschule (OGS) erstellt, die Mitarbeiter des Kreisjugendring (KJR) München-Stadt auf die Barrikaden treibt. Die Offene Ganztagsschule, die sich im Gegensatz zur Ganztagsschule überwiegend an der klassischen Unterrichtsstruktur der Halbtagsschule orientiert, bietet nach dem Unterricht ein zusätzliches, freiwilliges Nachmittags-Programm.

Die Trägerschaft hat das KJR übernommen, das von den geänderten Richtlinien allerdings sehr ungehalten ist. Nach Ansicht von KJR-Geschäftsführer Franz Schnitzlbaumer bedeuten die neuen Regeln, dass die „ganze Regie an die Schulleiter übergeht und wir das bedienen sollen“. Weniger Geld, größere Gruppen, Schulen „weisen“ Kinder zu, Rektoren entscheiden über Angebote und können einseitig Kooperationen kündigen, Mitarbeiter ablehnen und Einsicht in die Personalakte nehmen. Das alles ist laut KJR nach Änderung der Richtlinien möglich und trage zu einer Verschlechterung der Qualität der Zusammenarbeit bei. „Unter diesen Bedingungen können wir nicht arbeiten“, sagt Schnitzlbaumer.

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Nach dem Unterricht gehen die Schüler in Einrichtungen des Kreisjugendrings, wo sie Mittagessen können, Hausaufgaben machen und dann von Sozialpädagogen oder Erziehern eigenverantwortlich betreut werden. Mit den neuen Richtlinien müssten sich die KJR-Einrichtungen bei der Nachmittagsbetreuung bestimmten schulischen Regularien unterwerfen, meint Schnitzlbaumer. „Und wir arbeiten nicht nach dem Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz. Das würde nicht dem Selbstverständnis der Jugendarbeit entsprechen.“ Dass die Kinder nachmittags nach der Schule in den Jugendeinrichtungen in ein Umfeld kämen, das mit der Schule eben nichts zu tun habe, sei ein Gewinn.

Mit den geänderten Richtlinien gehe man an die Jugendlichen aus einem „formalen Blickwinkel“ heran und nicht unter dem Aspekt Förderung. „Wir wissen, dass wir in diesem Fall David sind und die Schulen Goliath, aber wir ziehen nicht um jeden Preis mit“, sagt Schnitzlbaumer. Komme es zu keiner gütlichen Einigung, werde sich der KJR mit seiner Arbeit wieder mehr auf Tageszeiten orientieren, in denen die Schule „nichts tut“. Dann sind die Jugendeinrichtungen wieder öfter abends und am Wochenende geöffnet.

Noch im November werde das Kultusministerium die Beteiligten zu einem Gespräch und einem Erfahrungsaustausch einladen, sagte Werner Öl von der Pressestelle des Kultusministeriums auf Anfrage des Münchner SamstagsBlatts. „Das Kultusministerium ist zuversichtlich, dass durch einen intensiven Austausch mit den Vertretern der freien Träger und deren Dachverbänden eine erfolgreiche Fortsetzung der konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Jugendarbeit und Schulen bei der Gestaltung der Ganztagsangebote erreicht werden kann.“ Denn bisher hätten die freien Träger die Schulen bei der Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrages bei der OGS in vorbildlicher Art und Weise unterstützt. Zur KJR-Kritik sagte Öl, dass die Übernahme der Offenen Ganztagsschule in die Verantwortung der Schulleitung als schulische Veranstaltung und die damit verbundene Anpassung der Richtlinien nicht nur den Vorgaben des Koalitionsvertrags der Regierungsparteien CSU und FDP entspreche, „sondern auch einem vielfach geäußerten Wunsch von Eltern und Kommunen, insbesondere auch der kommunalen Spitzenverbände.“

Diese Übernahme solle die „pädagogisch sinnvolle Verbindung“ zwischen dem Vormittagsunterricht und den Betreuungs- und Förderangeboten am Nachmittag stärken und die Offene Ganztagsschule besser in den schulischen Alltag integrieren. Im Einzelfall, sagt Öl, ergebe es sich zwangsläufig auch, dass Schulleitern für ihre pädagogische Verantwortung für den Schulbetrieb bei Bedarf Einwirkungsmöglichkeiten und die Schulorganisation betreffende Informationen seitens des Kooperationspartners zukommen müssten. Dies stelle jedoch keine Art der Bevormundung oder einen Ausdruck des Misstrauens gegenüber den bewährten freien Trägern in der Offenen Ganztagsschule dar, sondern sei eine schulorganisatorische Notwendigkeit.

Seitens des Münchner Schulreferats gab Franziska Messerschmidt die Auskunft, den Schulen die Verantwortung für die Angebote im offenen Ganztag zu übertragen, sei zunächst eine Entscheidung des verantwortlichen Dienstherrn, in diesem Falle also die des Kultusministeriums. „Inwieweit sich Kooperation und gegenseitiges Vertrauen verändern, ist unseres Erachtens nach nicht belegt.“ Ein Betreuungsdefizit, falls sich der Kreisjugendring tatsächlich aus der Zusammenarbeit in Sachen OGS zurückzieht, sieht das Schulreferat nicht: Zwar könne diese Lücke nicht von den Schulen geschlossen werden – gerade dafür gebe es ja die Kooperationen –, aber Träger seien in der Landeshauptstadt unzählige vorhanden, daher könne ein Rückzug des Kreisjugendrings jederzeit aufgefangen werden. Es bestünden Kooperationsvereinbarungen zum Beispiel mit dem Stadtjugendamt, mit der Erzdiözese Freising, der IG Feuerwache und der Diakonie.

Von Kirsten Ossoinig

Artikel vom 19.11.2009
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