Konstantin Wecker bekommt am Freitag den Bayerischen Poetentaler verliehen

München · Interview mit Konstantin Wecker: „Die Isar hat mich seit meiner Kindheit geprägt“

„Einem Münchner brauch' ich nicht erklären, wie schön München ist“: Konstantin Wecker. Foto: Thomas Karsten

„Einem Münchner brauch' ich nicht erklären, wie schön München ist“: Konstantin Wecker. Foto: Thomas Karsten

Politisch stets kritisch, melancholisch, oft auch anklagend, aber immer voller Überzeugung – das ist Konstantin Wecker. Der 62-Jährige erhält kommenden Freitag, 20. November, den Bayerischen Poetentaler der Münchner Turmschreiber. Wir haben mit ihm vorab gesprochen – über das Schöne der bairischen Sprache, politische Ungerechtigkeiten und warum sein Herz nach wie vor für die Löwen schlägt.

SamstagsBlatt: Herr Wecker, Sie erhalten am Freitag den Bayerischen Poetentaler, den der Journalist Karl Ude mal als den „bayerischen Nobelpreis“ bezeichnet hat. Erfüllt Sie das mit Stolz?

Wecker: Ja, natürlich. Ich finde es sehr schön, einen speziell Münchnerischen Preis zu erhalten.

SamstagsBlatt: Den Preis erhalten Persönlichkeiten und Institutionen, die sich um die bayerische Kultur besonders verdient gemacht haben. Was ist das Besondere an Bayern?

Wecker: In erster Linie die Sprache. Ich habe nie meinen Dialekt verloren, trage ihn bis in den Hohen Norden hinein. Auch wenn ich hochdeutsch singe, meint der Norddeutsche immer noch, es ist bairisch. Das kann und will man nicht verleugnen. Außerdem ist die bairische Sprache ideal zum Singen, da es eine sehr melodische Sprache ist. Reine Dialektlieder schreibe ich nicht bewusst, die passieren einfach. Meine Frau kommt aus Norddeutschland, meine Kinder sprechen kaum Dialekt, aber ich neige dazu, bairisch zu sprechen und zu singen, wenn ich etwas sehr direkt ausdrücken will, zum Beispiel, wenn ich wütend oder sehr erfreut bin.

Abgesehen von der Sprache gefällt mir, dass den Bayern ein bestimmter Widerstandsgeist innewohnt, da möchte ich an den von mir sehr bewunderten Oskar Maria Graf erinnern, der ein sehr typisch bayerisch-aufrechter Mensch war. Er hat ganz ausgezeichnete Texte geschrieben, die ich in meinen Lesungen gern den Menschen näherbringen möchte.

SamstagsBlatt: Sie sind in München geboren, leben immer noch hier. Was fasziniert Sie so an dieser Stadt?

Wecker: Ich bin im Lehel geboren und an der Isar groß geworden. Der Fluss hat mich geprägt, auch philosophisch gesehen, und in mir immer etwas bewegt, ja fließen lassen. Seit zwölf Jahren lebe ich nun in Schwabing. München ist einfach eine unglaublich schöne Stadt, die sich ihre Provinzialität bewahrt hat, was ich sehr positiv sehe. Kommen Sie aus München?

SamstagsBlatt: Ja, ich bin auch hier geboren.

Wecker: Na dann wissen Sie ja, wovon ich rede. Einem Münchner brauch' ich nicht erklären, wie schön München ist. Ach ja, und wir haben einen sehr guten Oberbürgermeister – auch wenn ich immer wieder mal mit ihm zusammenrücke.

SamstagsBlatt: Christian Ude ist genau wie sie ein Löwen-Anhänger. Warum schlägt Ihr Herz für die Blauen?

Wecker: Ich habe mal ein Buch geschrieben, „Die Kunst des Scheiterns“. Wer so etwas schreibt, muss die Löwen lieben, denn diese Kunst beherrschen sie sehr.

SamstagsBlatt: Bei den Löwen-Anhängern kommt immer wieder das Thema „Zurück ins Grünwalder Stadion“ auf. Was halten Sie davon?

Wecker: Das würde mir sehr gefallen, ich liebe dieses Stadion. Es ist wahrscheinlich nicht machbar, aber ich denke, es würde den Sechzgern und ihren Fans sehr gut tun. Ich habe im Grünwalder schöne Spiele erlebt, dort hört man noch die Achillessehne reißen.

SamstagsBlatt: Kommen wir zu Ihrer Musik. Sie sind ja bekannt für Ihre politischen und sozialkritischen Lieder. Was möchten Sie den Menschen mit auf den Weg geben?

Wecker: Das Gefühl, das man sich gegen wachsende Kälte und Ungerechtigkeit empören muss, dass man nicht alles hinnimmt, was da veranstaltet wird. Es gibt immer weniger reiche Menschen, die über den Rest der Welt bestimmen, wir rasen einem Abgrund entgegen. Der Mensch darf nicht ausschließlich aus ökonomischer Sicht betrachtet werden, er ist doch keine Ware. Da passieren Sachen, die sind einfach unglaublich. Jetzt haben wir einen Bundesfinanzminister, der anscheinend vergessen hat, dass er von einem Waffenhändler 100.000 Mark in einem Koffer bekommen hat. Das kann mir als Künstler nicht gefallen.

SamstagsBlatt: Bei Ihren Konzerten treten Sie ja überwiegend vor Gleichgesinnten auf. Wie erreichen Sie Ihre politischen Gegner?

Wecker: Die kann man nicht erreichen. Ich kann nur versuchen, diejenigen zu bestärken, die etwas Ähnliches denken und fühlen. Ich kann nicht die Welt verändern, aber ich kann Mut machen, besonders in Krisenzeiten.

SamstagsBlatt: Stichwort Krise – Sie haben nach langjähriger Drogensucht und Gefängnisaufenthalt zu sich selbst gefunden. Wie wichtig sind Krisen und was können Menschen daraus lernen?

Wecker: Ich glaube, Krisen sind in erster Linie dafür geschaffen, dass wir daraus lernen. Es geht darum, dass wir akzeptieren, dass wir nie perfekt sind. Es gibt kein Leben ohne Niederlagen. Das Leben findet nicht ausschließlich auf der Überholspur statt. Das gaukeln einem vielleicht irgendwelche Versicherungsgesellschaften vor, aber dem ist nicht so.

SamstagsBlatt: In einem Interview sagten Sie mal, dass Ihnen das Rauchen wieder richtig Spaß mache, nachdem es so diskriminiert wird. Wie gerne provozieren Sie?

Wecker (lacht): Schon gerne. Es gibt Situationen, in denen man nur durch Provokation auf Missstände hinweisen kann.

SamstagsBlatt: Sie sind jetzt 62. Denken Sie manchmal ans Aufhören?

Wecker: Da gibt es finanzielle Notwendigkeiten, die mich nicht ans Aufhören denken lassen. Ich habe sehr viel Blödsinn gemacht in meinem Leben und viel Geld ausgegeben. Aber angenommen, ich hätte jetzt ein fettes finanzielles Polster und könnte es mir die nächsten zehn Jahre in der Karibik gut gehen lassen, ich glaube, ich würde ein ziemlicher Depp werden. Da bin ich schon froh, genötigt zu sein, weiterzumachen. Ich stehe gerne auf der Bühne, dort erlebe ich die schönsten und glücklichsten Momente in meinem Leben. Von Stefanie Moser

Artikel vom 12.11.2009
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