Münchner Senioren betreuen Kinder ehrenamtlich

München · Der Leihopa kommt

Leihopa Günter H. und Carla verstehen sich gut. Braucht Carlas Mutter Heike mal eine Auszeit kümmert sich der rührige Senior um die Kleine. Kennen gelernt haben sich die drei über den „Oma-Opa-Service“ des Evangelisch-Lutherischen Dekanats München. Foto:

Leihopa Günter H. und Carla verstehen sich gut. Braucht Carlas Mutter Heike mal eine Auszeit kümmert sich der rührige Senior um die Kleine. Kennen gelernt haben sich die drei über den „Oma-Opa-Service“ des Evangelisch-Lutherischen Dekanats München. Foto:

Carla (2) geht mit Günter H. Trampolin springen und auf den Spielplatz. Und Carlas Mutter Heike gesellt sich manchmal zu einem gemeinsamen Biergartenbesuch dazu. Dabei kannten sich die drei vor einem Jahr noch gar nicht. Günter H. ist der Alleinerziehenden als „Leihopa“ vermittelt worden. Und zwar von Micha Rabeneck, Sozialpädagogin des Evangelisch-Lutherischen Dekanatsbezirks München.

»Engagiere Dich!«

Vertraut spielt Carla mit „Herrn H.“, wie sie ihren Leihopa nennt, und lässt sich von ihm fürsorglich Spuren eines Schokoladenlebkuchens aus dem Gesicht wischen oder den Reißverschluss ihres rosa Anoraks schließen. „Ich liebe Kinder“, sagt der 74-Jährige. Von eigenen Enkeln konnte er bisher nur träumen, im Umgang mit Carla strahlt Günter H. über das ganze Gesicht. H. ist vor drei Jahren mit seiner Frau Marie-Luise von Heilbronn nach München gezogen, um in der Nähe der Tochter zu sein, die hier eine PR-Agentur betreibt.

Weitere Artikel zum Thema

Der Ortswechsel ist dem 74-Jährigen nicht schwer gefallen, aufs Altenteil schieben lassen wollte er sich in der neuen Heimatstadt aber nicht. Und so ist H. neben dem „Oma-Opa-Service“ auch noch für den „Senior Expert Service“, der Wissen von Fachleuten im Ruhestand vermittelt, sowie in der Agentur der Tochter als „Executive Director“ tätig. Zu viel wird es dem rührigen Wahlmünchner nicht. „Ich wollte ja was tun, wusste aber als wir nach München gekommen sind, nicht genau was.“ Informiert hat sich Günter H. bei der Münchner Freiwilligen Messe im Gasteig. Dort hat er auch vom „Oma-Opa-Service“ erfahren, für den er nun seit rund einem Jahr tätig ist.

Heike will ihrer Tochter Carla mit dem Dienst eine männliche Bezugsperson zur Verfügung stellen. Der leibliche Vater der Zweijährigen wohnt in Berlin. Der Einsatz von Günter H. ermöglicht es der Mutter außerdem, sich selbst einmal eine Auszeit zu gönnen. „Carla ist ein sehr aufgewecktes Kind, die Zeit mit ihr ist sehr schön, aber auch total anstrengend.“ Natürlich muss die Chemie stimmen, wenn man sein eigen Fleisch und Blut in die Obhut eines Fremden gibt. Am Anfang waren alle drei daher viel gemeinsam unterwegs. „Obwohl wir uns auf Anhieb sehr sympathisch gewesen sind, brauchte mein Mutterherz doch Geduld“, gesteht Heike lächelnd. Sie empfindet das Kennenlernen von Günter H. und die gemeinsamen Freizeitaktivitäten als „Beziehungsarbeit, bei der man Vertrauen gewinnt“.

Rund 50 ehrenamtliche Omas und Opas, davon ungefähr zwei Drittel Frauen und ein Drittel Männer, gibt es momentan. Und Micha Rabeneck sucht verzweifelt noch mehr. Denn wöchentlich gehen bei der Sozialpädagogin rund 25 Anrufe von Eltern und Alleinerziehenden ein, die den Service in Anspruch nehmen wollen. „Ich muss mittlerweile gar keine Werbung mehr machen“, sagt Rabeneck. Stattdessen sucht sie händeringend Freiwillige ab 50 für die Tätigkeit, die erfahrungsgemäß großen Spaß mache.

Einige, die sich ehrenamtlich betätigen wollen, hätten eine hohe Hemmschwelle in der Arbeit etwa mit Obdachlosen oder im Hospiz, sagt Rabeneck. Bei der Betreuung der Kinder für den „Oma-Opa-Service“ hingegen würden sich gerade viele Frauen auf bekanntem Terrain sicher fühlen. „Oma war ich, bin ich und damit kenne ich mich aus“, bekommt Rabeneck dann zu hören. Befürchtungen, dass die ehrenamtliche Verpflichtung zu groß werde, schließt die Sozialpädagogin aus. In der Regel kümmern sich die Omas und Opas pro Woche drei Stunden um die Kinder. Und dabei sei es auch gar kein Problem, wenn man mal vier Wochen am Stück Urlaub machen wolle oder in Kur gehe.

Wichtig sei aber natürlich, dass sich Oma oder Opa, Eltern und Kind gut verstehen. Die zu betreuenden Kleinen sind im Alter von null bis zwölf Jahren. Die Leihgroßeltern werden nicht etwa für die Hausaufgabenbetreuung eingesetzt oder um Mittagessen zu kochen. Sie sollen stattdessen mit den Kindern laut Rabeneck zum Beispiel auf den Spielplatz gehen, Puppen spielen oder Rad fahren. „All die angenehmen Dinge, die man mit Oma und Opa eben so macht.“

Das Projekt gibt es seit 2006. Generationen sollen dadurch zusammengebracht und Familien und Alleinerziehende in der Großstadt unterstützt werden. Was laut Rabeneck gerade in München nötig ist, da viele junge Familien aus anderen Bundesländern hierher zögen. Rund 30 Prozent derer, die Hilfe beim Oma-Opa-Service suchen, seien außerdem Alleinerziehende.

Demgegenüber stünden in München über 50 Prozent an Ein-Personen-Haushalte, viele von ihnen Senioren und Frührentner. Interessierte können sich an Micha Rabeneck beim Evangelisch-Lutherischen Dekanat München unter der Telefonnummer 54 88 69 63 wenden. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.oma-opa-service.de.

Von Kirsten Ossoinig

Artikel vom 05.11.2009
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...