Schüler des Gisela-Gymnasiums beteiligen sich bei »Projekt Erinnerung«

Schwabing · Schicksale hinter Türen

Caroline, Romeo und Benjamin (v.l.) haben mit Lehrer Hans Hirtreiter Schwabinger Haustüren fotografiert, hinter denen zur NS-Zeit jüdische Mitbürger gewohnt haben. Stolz auf das Projekt: Schulleiterin Marianne Achatz.	Foto: ko

Caroline, Romeo und Benjamin (v.l.) haben mit Lehrer Hans Hirtreiter Schwabinger Haustüren fotografiert, hinter denen zur NS-Zeit jüdische Mitbürger gewohnt haben. Stolz auf das Projekt: Schulleiterin Marianne Achatz. Foto: ko

Schwabing · »Durch diese Türen gingen sie ein und aus« heißt das Fotoprojekt von Schülern des Gisela-Gymnasiums, das nun noch einmal bei der Ausstellung »Projekt Erinnerung« zur NS-Zeit in Schwabing zu sehen ist: in der Seidlvilla, Nikolaiplatz 1b, bis zum 15. November (täglich 12 bis 19 Uhr, Eintritt frei). Jeden Dienstag um 18 Uhr findet eine Führung statt.

Dabei waren die Fotografen Romeo (20), Benjamin (18) und Caroline (17) zunächst gar nicht so begeistert, »nur Türen« zu fotografieren. »Es kam mir zuerst vor wie Fließbandarbeit«, erinnert sich Benjamin an die Zeit vor zwei Jahren, als das Projekt von Schülern des Fotokurses gemeinsam mit ihrem Lehrer Hans Hirtreiter ins Leben gerufen wurde. Nach einer Liste sollten Schwabinger Häuser fotografiert werden, in denen zwischen 1933 und 1945 jüdische Bürger wohnten.

Nach und nach sei die Aktion interessanter geworden. Mit der Liste der Namen der Bewohner habe das Ablichten der Türen langsam ein »eigenes Gesicht« bekommen, erzählt etwa Romeo. Für Benjamin hat der historische Hintergrund »die Geschichte spannend gemacht«. Die Schüler kannten neben den Namen der NS-Verfolgten beispielsweise das Datum ihrer Deportation. Von manchen sei auch bekannt gewesen, dass sie sich in ihren Häusern umgebracht hätten, um dem Abtransport zu entgehen, erzählt Benjamin.

Für Caroline ist das NS-Thema durch die Fotoaktion griffiger geworden. Selbst vor den Häusern zu stehen, sei etwas ganz anderes, als nur im Unterricht darüber zu sprechen. »Man ist ganz nah dran, an dem, was geschehen ist«, sagt die 17-Jährige. Und man lerne außerdem etwas über das eigene Stadtviertel. Beim Fotografieren der Haustüren mussten die Schüler Hindernisse überwinden. Denn nicht jeder Eingang sei jederzeit frei zugänglich gewesen. Abgestellte Fahrräder etwa sind von den Hobbyfotografen als schmückendes Detail einfach in ihre Aufnahmen integriert worden. Parkende Autos haben jedoch mehrfach den optimalen Standort zum Ablichten blockiert.

Benjamin ist sogar öfter von aufgebrachten Hausbesitzern, die etwas gegen das Fotografieren ihrer Türen hatten, verscheucht worden. Neun Schüler des Gisela-Gymnasiums waren an dem Projekt vor zwei Jahren beteiligt. Innerhalb von drei Monaten hatten die Fotografen rund 200 Aufnahmen beisammen. Aus ungefähr 100 Bildern wurde die Ausstellung zusammengestellt, die zunächst in der Schule gezeigt wurde. Die Fotos sind in Schwarz-Weiß, denn »das wirkte bei den Türen einfach besser«, sagt Hans Hirtreiter. Der Lehrer freut sich jetzt vor allem über das »tolle Angebot«, die Fotos in der Seidlvilla einem größeren Publikum als in der Schule zeigen zu können.

An der Ausstellung mit Rahmenprogramm beteiligt sich neben den Schülern des Gisela-Gymnasiums und weiteren Künstlern auch eine Klasse der Städtischen Berufsschule für Fotografie, Vermessung und Kartografie. Unter dem Titel »Vergiss das nicht!« hat sie einen Stadtplan zu historischen Orten in Schwabing erarbeitet. Die Ausstellung bildet den Abschluss eines mehrjährigen Forschungsprojekts zur NS-Zeit in Schwabing. Seit 2005 hat eine örtliche Geschichtswerkstatt über die Jahre der Ausgrenzung und der Verfolgung jüdischer und anderer Opfergruppen durch das NS-Regime recherchiert. Kirsten Ossoinig

Artikel vom 29.09.2009
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