Neue Töne: Erster ökumenischer Motorradgottesdienst im Münchner Norden

Hasenbergl · »Country Roads« zur Kirche

Das Gottesdienst-Team um Dekan Uli Seegenschmiedt (vorne rechts) kam selbst auf zwei bzw. drei Rädern zur Evangeliumskirche.	Foto: em

Das Gottesdienst-Team um Dekan Uli Seegenschmiedt (vorne rechts) kam selbst auf zwei bzw. drei Rädern zur Evangeliumskirche. Foto: em

Hasenbergl · Es gibt einfach Leute, denen ist vielstimmiges Motorendröhnen eine viel schönere Musik als ein Orgelwerk von Bach. Im Allgemeinen bewegen sich solche Leute – hoffentlich mit entsprechender Sicherheitsmontur bekleidet – auch lieber in »Gottes freier Natur« als in Kirchen. Dekan Uli Seegenschmiedt von der Evangeliumskirche am Stanigplatz kennt solche Leute – er ist ja quasi einer von ihnen, seitdem er vor zwei Jahren seinen ersten Roller gekauft hat.

Mittlerweile ist er auf eine »MP 3« umgestiegen, einen Dreirad-Scooter mit zwei Vorderrädern. Einen schlimmen »Beinahe-Unfall« hat er auch schon hinter sich. Dieses Leben auf zwei beziehungsweise drei Rädern hinterlässt Spuren. Am vergangenen Sonntag hat er in seiner Kirche zusammen mit evangelischen und katholischen Kollegen den ersten ökumenischen Motorradgottesdienst im Münchner Norden gefeiert. Etwa 50 Menschen mit dem gleichen Hobby feierten mit – und kamen dafür zum Beispiel bis aus Weil bei Landsberg.

»Gott sei Dank … wem denn sonst?« lautete das Motto. »Es gibt keinen Motorradfahrer, der nicht weiß, dass er schneller am Limit ist«, erklärt Seegenschmiedt dazu – und meint damit, dass Motorradfahrer bei einem Unfall selbst die »Knautschzone« bilden.

In die Kirche kämen die Biker trotzdem »sonst eher nicht so«. Aber eine eingeschworene Gemeinschaft seien sie, ergänzt Christian Herrmann, der als Pfarrer an der katholischen Nachbarkirche St. Nikolaus den Gottesdienst mitgestaltet hat: »Jeder Motorradfahrer grüßt den anderen, bietet immer Hilfe an. Schließlich gehören alle zur ›Hochrisikogruppe‹.« »Jeder für sich akzeptiert schon eine höhere Macht«, schätzt Renate Wanner-Hopp, die als Mitglied der Prodekanatssynode München-Nord zusammen mit Dekan Seegenschmiedt die Idee zu dem Motorradgottesdienst hatte. Begeisterte Motorradfahrer sind die beiden natürlich auch – ebenso wie Pfarrer Frank Schäfer von der Moosacher Heilig-Geist- und der Magdalenenkirche, der ebenfalls den Nachmittag mitgestaltete – samt »Benzingesprächen« vor dem Gottesdienst und Motorrad-Corso zum Biergarten in Mariabrunn danach.

Mitmachen konnte man im Kleinen auch ohne eigene Maschine – mitsingen zum Beispiel mit der Band »Just Believe«, oder einen Segensspruch als Armbändchen abschneiden. Und »Country Roads« hört man auch nicht bei jedem Gottesdienst, zudem noch live gesungen. Bei den Besuchern kam’s gut an – beim siebenjährigen Max Emanuel aus Feldmoching, der seit diesem Jahr bei seinem Vater Norbert (41) mitfahren darf, ebenso wie bei der 74-jährigen Elisabeth, deren inzwischen verstorbener Mann bis zu einem schweren Unfall immer Motorrad gefahren war und die Leidenschaft dafür nie verlor. »Wir sind gerne dabei, wenn’s lockerer zugeht – auch, wenn im Sommer der Gottesdienst mal draußen auf der Wiese stattfindet, oder bei den Familiengottesdiensten« beschreibt Christine (48) die besondere Atmosphäre an diesem Tag.

Sind solche unkonventionellen Gottesdienste also das Rezept, um in Zukunft so große Kirchen wie die Evangeliumskirche wieder besser zu füllen? Ein Allheilmittel sieht Dekan Seegenschmiedt darin nicht: »Im Gegenteil, wenn die Leute schließlich nach langer Zeit mal wieder in die Kirche kommen, erwarten sie eher Traditionelles – gerade die typischen ›Weihnachtsgottesdienstler‹«, antwortet er. Und auch, wenn seine Gemeinde inzwischen aufgrund des Strukturwandels in der Bevölkerung des Hasenbergls auf 2.800 Mitglieder geschrumpft ist, erlebt er sie immer wieder als »sehr lebendig«. »Zum Beispiel kommen bei Kollekten etc. in dieser Gemeinde regelmäßig mehr Spenden zusammen als zum Beispiel im reichen Grünwald«, erzählt er stolz.

Trotzdem ging’s an diesem Nachmittag noch ein ganzes Stück lebendiger zu als gewöhnlich – so eine frische Brise Fahrtwind täte nicht nur der Evangeliumskirche auch ruhig öfter mal ganz gut. Eva Mäkler

Artikel vom 22.09.2009
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