Mehr Geld fließt in die ambulante Hilfe in Giesing/Harlaching

Giesing/Harlaching/München · Hilfe, die ankommt

Freuten sich über die gelungene Reform der Offenen Behindertenarbeit: (v. l.) Sabine Jung, Familie Leithäusl (Wolfgang und Helga mit Lukas, Max und Valentin), Manfred Hölzlein und Barbara Stamm.  Foto: Woschée

Freuten sich über die gelungene Reform der Offenen Behindertenarbeit: (v. l.) Sabine Jung, Familie Leithäusl (Wolfgang und Helga mit Lukas, Max und Valentin), Manfred Hölzlein und Barbara Stamm. Foto: Woschée

Giesing/Harlaching/München · Es gibt Schicksale, die kann man alleine nicht meistern, ohne zu scheitern. Die Lebensgeschichte von Claudia W. aus München gehört dazu. Die verwitwete Mutter zweier Söhne hat einen geistig behinderten Sohn, der andere ist an Krebs erkrankt.

»Ohne die Hilfe der Offenen Behindertenarbeit würde es nicht gehen«, betont sie. Die Tatsache, dass schnell und unbürokratisch Hilfe geleistet wird, wenn sie selber einmal krank wird oder Entlastung von der Pflegearbeit braucht, damit sie arbeiten kann, bedeutet nicht nur, dass sie ihren Sohn nicht ins Heim geben muss, sondern auch, dass ihr ein »Schicksal als Hartz IV-Empfängerin erspart bleibt«, wie Claudia W. bei einem Pressegespräch erklärte.

Menschen wie Claudia W. können durchatmen, denn die Regelung der ambulanten Eingliederungshilfen wurde reformiert und ab dem 1. Januar 2010 soll auch deutlich mehr Geld in diese Aufgaben in Bayern fließen. Seit dem 1. Januar 2008 sind die sieben Bezirke in Bayern für ambulante Eingliederungshilfe für geistig behinderte Menschen zuständig und nicht mehr die einzelnen Städte und Landkreise. Die Reform war nötig geworden, da die Angebote und Möglichkeiten zur Förderung geistig behinderter Menschen von Stadt zu Stadt und Landkreis zu Landkreis stark von einander abwichen und eine einheitliche Regelung der Finanzierung der verschiedenen Maßnahmen schlicht weg nicht existierte.

Das Reformpaket wurde nun von Verbandspräsident Manfred Hölzlein sowie Landtagsvizepräsidentin Barbara Stamm im Sitz der Lebenshilfe am St. Quirinsplatz in Giesing/Harlaching vorgestellt. In der Wohnstätte in Giesing/Harlaching leben derzeit 30 Bewohner mit Behinderung, außerdem ist dort die ambulante Familienhilfe untergebracht. Von dort aus wird die Vermittlung der familienunterstützenden Maßnahmen organisiert und in den Ferien auch mal einzelne Kinder betreut. Weitere Wohngruppen gibt es unter anderem in Schwabing (drei Wohnungen und eine WG) sowie in Ramersdorf und Putzbrunn. Die Lebenshilfe ist derzeit Träger von 55 Diensten der Offenen Behindertenarbeit (OBA) und damit der größte Anbieter von Offener Behindertenarbeit in Bayern. Alleine 20 Einrichtungen befinden sich davon in München und im Landkreis.

»Hilfe darf niemals Glückssache sein«, betonte Barbara Stamm, die auch Lebenshilfe-Landesvorsitzende ist. Klare Richtlinien, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren, waren deshalb Grundlage der neuen Bestimmungen. Aber nicht nur Freizeit- und Weiterbildungsangebote umfasst die Reform, sondern auch die Finanzierung der »Familienentlastenden Dienste«, die maßgeblich dazu beitragen, dass behinderte Kinder in ihren Familien leben können. Familie Leithäusl aus Aying ist das beste Beispiel dafür, dass ohne Hilfe von außen das Leben mit behindertem Kind kaum möglich wäre. Wolfgang und Helga Leithäusl haben drei Kinder, ihr ältester Sohn Ludwig ist sechs Jahre und geistig behindert. »Man kann Ludwig keine Sekunde aus den Augen lassen. Wenn man sich aber den ganzen Tag nur um den Ludwig kümmert, kommt praktisch der gesamte Haushalt zum Erliegen«, berichtet sein Vater. Hilfe ist hier dringend nötig, denn Mutter Helga muss sich auch noch um Maximilian (4 Jahre) und Valentin (5 Monate) kümmern.

Als Ludwig kürzlich ins Krankenhaus musste, rief sie bei der Lebenshilfe an, und hatte kürzester Zeit jemanden, der sich im Krankenhaus um ihren Sohn kümmern konnte. »Wir haben einen Pool von rund 140 Mitarbeitern, die per E-Mail von den aktuellen Anfragen informiert werden. So kann in kurzer Zeit nahezu jedes Problem gelöst werden«, erklärt Sabine Jung, die Geschäftsführerin der Lebenshilfe München.

Wer in solch einer Situation steckt, der hat keine Zeit für langwierige Anträge und Bürokratie, der braucht schnelle Hilfe, betonte auch Barbara Stamm. Hier sind die einzelnen Wohlfahrtsverbände vor Ort gefragt, die Eltern durch den Behördendschungel zu lotsen. Auch die AWO und die Caritas, um nur einige der Anbieter zu nennen, bieten Hilfen im Bereich der Behindertenarbeit an.

Ein Mangel herrsche vor allem an den familienorientierten Freizeitangeboten für Familien mit behinderten Kindern. Zwar gebe es bereits spezielle Einrichtungen, die dafür Sorge tragen, dass die behinderten Kinder während des gemeinsamen Aufenthalts der Familien gut betreut würden, doch sind die Plätze echte Mangelware. Gemeinsam Ferien zu machen, aber auch mal Zeit für die nicht behinderten Kinder zu haben, die sonst oft zu kurz kämen, oder auch mal Zeit zu zweit, das sei unverzichtbar, wenn man wolle, dass die behinderten Kinder vor allem zuhause in ihrem vertrauten Umfeld betreut würden, so Stamm. Um die Möglichkeiten der OBA zu verstärken, wurden 14 Millionen Euro mehr als bisher in den Haushalt 2010 eingestellt, allein 5,7 Millionen Euro entfallen dabei auf den Bezirk Oberbayern.

Gut angelegt ist das Geld aber nicht nur in den familienentlastenden Maßnahmen, sondern auch in der Freizeitgestaltung für behinderte Menschen. Siegrid Stieren von der Lebenshilfe organisiert Freizeitaktivitäten für Behinderte ab zirka 16 Jahren. »Man kann sagen, dass behinderten Menschen auch genau die gleichen Sachen Spaß machen wie Nichtbehinderten. Der einzige Unterschied ist, dass Behinderte dabei jemand brauchen, der sie unterstützt.« Bei den Freizeitangeboten gilt die Regel 2:1, das heißt, ein Betreuer ist für zwei Behinderte aus seiner Gruppe zuständig. Gemeinsam wird ins Kino gegangen, Eis gegessen oder mit dem Radl ins Grüne hinaus gefahren. Die Angebote sind schnell ausgebucht, die Reisen, die es gibt, sogar noch ein bisschen schneller, weiß Stieren. Bei den Ausflügen und Reisen kann sie auf rund 110 ehrenamtliche Mitarbeiter zurückgreifen, die lediglich eine kleine Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit bekommen. »Ohne diese Ehrenamtlichen könnten wir diese Fülle an Angeboten nicht anbieten«, erklärt die engagierte Sozialpädagogin. Hier sind auch weiterhin Helfer gefragt, selbstverständlich werden sie vor Ort eingearbeitet, betont Stieren.

Die offene Behindertenarbeit richtet sich nicht nur an junge Behinderte, zum ersten Mal gibt es jetzt auch in großer Zahl alte Menschen mit geistiger Behinderung, die sich einen erfüllten Lebensabend wünschen. »Es bleibt viel zu tun«, ist sich Stieren sicher.

Unterstützen kann man die Aktionen der Lebenshilfe durch Spenden, aber auch durch ehrenamtliche Mitarbeit. Wer mehr über die Arbeit der Lebenshilfe wissen oder sich engagieren will, findet mehr Informationen im Internet unter www.lebenshilfe-muenchen.de

Andere interessante Themen findet man auf der Homepage der Wochenanzeiger unter www.wochenanzeiger.de

Woschée

Artikel vom 26.08.2009
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