Polizei geht gegen organisierte Bettelbanden vor

München · „Haste mal nen Euro?“

München · „Betteln ist hier nicht erlaubt“, sagt Polizeihauptmeister Michael Finster zu Jana, einer dunkelhaarigen Frau, etwa Anfang 40, die in einer der Einkaufspassagen in der Residenzstraße steht. Langsam zieht sie ihren Ausweis aus der Tasche. Derartige Kontrollen ist sie gewohnt, sie und der Polizist kennen sich bereits.

Sie ist eine der Bettlerinnen aus Osteuropa, die derzeit die Münchner Fußgängerzone bevölkern. Mit verstärkten Streifengängen versucht die Polizei, das Problem einzudämmen – doch es werden immer mehr.

„Wir haben wenig gegen die Leute in der Hand“, räumt Finster ein. Verboten ist das Betteln nämlich nur in der Fußgängerzone und den öffentlichen Grünanlagen der Stadt. Nach der Kontrolle wird Jana wahrscheinlich ein paar Straßen weiterziehen und dort die Passanten nach Geld fragen. „Dagegen können wir nichts machen“, erklärt Finster.

Weitere Artikel zum Thema

Für tatsächlich bedürftig hält er die Besucher aus Osteuropa nicht. „Sie sind sicher nicht ärmer als ihre Landsleute“, glaubt er. Auch seine Kollegin Stefanie Fürbringer zweifelt an der Not der Menschen. „Es wundert mich, dass so viele Leute ihnen ihr Geld geben“, sagt sie. Betteln habe sich inzwischen zum lukrativen Geschäft entwickelt. „Viele nehmen um die hundert Euro am Tag ein“, schätzt Finster. Allerdings fordern auch die Hintermänner ihren Tribut. „Die Bettler sind in Banden organisiert“, erklärt er. Ihm seien Fälle bekannt, in denen die Betroffenen für Transport und Unterkunft täglich 50 Euro zahlen müssten. Ein Luxushotel bekommen sie dafür nicht: Sie schlafen in den Kleinbussen, in denen sie angereist sind, oder auf Matratzenlagern im Freien.

Die Folge: Die Methoden der Bettler, die vorwiegend aus Rumänien und der Slowakei stammen, werden immer dreister. „Viele täuschen Behinderungen vor“, berichtet Fürbringer. Erst kürzlich habe ein Mann seine Krücken weggeworfen und sei davongelaufen, um einer Polizeikontrolle zu entkommen. Der Grund für seine Flucht: Wer in Deutschland keinen festen Wohnsitz hat, muss das in der Fußgängerzone erbettelte Geld als Sicherheitsleistung abgeben. „Das ist eine Art Kaution, in der das Bußgeld für die Ordnungswidrigkeit im Vorfeld hinterlegt wird“, erklärt Polizeisprecher Markus Dengler.

Um die Herzen gut situierter Bürger zu erweichen, werden außerdem oft Hundewelpen von Osteuropa nach München gebracht. Häufig hätten diese jedoch keine gültige Tollwutimpfung, berichtet Finster. „Wir bringen sie dann ins Tierheim, wo sie ärztlich versorgt werden“, erzählt er. Allerdings würden sie von ihren Besitzern nur selten wieder abgeholt. „Herausgegeben werden sie nämlich nur bei Übernahme der Behandlungskosten“, erklärt der Polizist.

Die Spendenbereitschaft wecken sollen außerdem so genannte Bettelkarten, Papiere, in denen die Männer und Frauen ihre Notlage schriftlich schildern. Zu lesen sind darauf Geschichten von Hochwasserzerstörungen oder kranken Verwandten zuhause. „Dann liegt unter Umständen ein Betrugsdelikt vor, gegen das wir vorgehen können“, sagt Pressesprecher Peter Reichl. Wer unter Vorspiegelung falscher Tatsachen um Geld bittet, mache sich strafbar. Zu einer Verurteilung kommt es indes kaum. „Mir sind keine derartigen Fälle bekannt“, sagt Anton Winkler, Sprecher der Münchner Staatsanwaltschaft. „So etwas ist sehr schwer nachzuweisen“, sagt Fürbringer.

Problematisch sei zudem, dass die Bettler rechtlich gut informiert seien, sagt Reichl. „Sie wissen, wie wenig wir gegen sie unternehmen können“, beklagt auch Finster. Seit die Polizei die erbettelten Beträge vermehrt einbehält, werde das Geld entweder versteckt oder an andere Bandenmitglieder übergeben: „Die meisten haben nicht mehr als fünf Euro in der Tasche, wenn wir sie durchsuchen.“ Auch entwickeln sie immer wieder neue Methoden, um an Geld zu kommen. „Derzeit bieten sie eine Zeitschrift an, die angeblich eine Obdachlosenküche in Darmstadt unterstützt“, berichtet Reichl. Tatsächlich werde jedoch nur ein winziger Bruchteil des Verkaufspreises an das soziale Projekt abgegeben, wenn überhaupt. Aktiv wurden die Bettler in diesem Monat erstmals am Leuchtenbergring: „Dort putzten sie ungefragt die Scheiben der Autos.“ Aus Angst, der Wagen könnte aus Rache beschädigt werden, seien viele Fahrer bereit, die unerwünschte Dienstleistung zu bezahlen. „Sie fürchten, der Außenspiegel könnte abgerissen werden oder ähnliches“, so der Pressesprecher.

Ein Problem sind die osteuropäischen Bettler auch für einheimische Obdachlose, die nicht in ein Heim wollen und das Geld wirklich brauchen. „Ihnen wird durch die ausländischen Kollegen das Geschäft kaputt gemacht“, so Reichl.

Allerdings sei die Lage in München im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten wie etwa Berlin oder Köln überschaubar, versichert Reichl. Damit das so bleibt, rät die Polizei dringend davon ab, den organisierten Bettelbanden Geld zu geben. „Am besten, man ignoriert sie einfach“, empfiehlt Fürbringer.

Von Julia Stark

Artikel vom 30.07.2009
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...