Löwen stellen historisches Buch zur Vereinsgeschichte vor: »Die Löwen unter dem Hakenkreuz«

Giesing/Harlaching · 1860 sagt: »Wir stellen uns der Vergangenheit«

Stolz auf das Werk: (v. l.): Herbert Schröger, Franz Maget, Anton Löffelmeier sowie Löwen-Geschäftsführer Manfred Stoffers. Foto: Hettich

Stolz auf das Werk: (v. l.): Herbert Schröger, Franz Maget, Anton Löffelmeier sowie Löwen-Geschäftsführer Manfred Stoffers. Foto: Hettich

Giesing/Harlaching · »Großes Lob und ein ­dickes Kompliment für diese tolle Arbeit – hier arbeiten Menschen ihre Vergangenheit auf, damit das Licht in Deutschland nicht noch einmal ausgeht!« Das Lob für den TSV München 1860 und seine aktive Aufarbeitung eines dunklen Kapitels deutscher und eigener Vereinsgeschichte hätte von sachkundigerer Instanz kaum kommen können:

Robby Rajber ist Präsident des jüdischen Clubs Maccabi München, der 1965 von Überlebenden des Holocaust gegründet worden war. Zusammen mit weiteren rund 200 interessierten Gästen weilte er am vergangenen Montag in der Gaststätte des Grünwalder Stadions. Dorthin hatte das Präsidium des TSV 1860 München im Rahmen der Buchpräsentation »Die Löwen unterm Hakenkreuz – Der TSV München von 1860 im Nationalsozialismus« zu einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion geladen.

Der Autor des Buches, Anton Löffelmeier, bekennender Löwe und Historiker am Münchner Stadtarchiv,1860-Vizepräsident Franz Maget, Geschäftsführer Manfred Stoffers, Dietrich Schulze Marmeling vom Verlag die Werkstatt sowie Herbert Schröger von den »Löwenfans gegen Rechts« betrieben in ihren engagierten Wortbeiträgen rund eineinhalb Stunden lang aktive Vergangenheitsbewältigung und nahmen dabei kein Blatt vor den Mund. »Wir wollen hier kein Erinnerungsmarketing betreiben, sondern eine ernste Sachauseinandersetzung zur Geschichte des TSV 1860 im Dritten Reich führen«, fasste Stoffers die Intention des Clubs zusammen. »Überfällig war diese Arbeit und Auseinandersetzung mit der eigenen Vereinsvergangenheit – in dieser dunklen Periode hat auch der TSV 1860 Schuld auf sich geladen, angesichts der braunen Horden Sportsgeist und Moral fehlen lassen und sich auf die Seite der Machthaber gestellt«, legte Maget den Finger bewusst in Wunden der TSV-Vereinsgeschichte. »So sehr wir uns auch immer wieder bei der Abfassung einer neuen Vereins-Fassung uneins sind – in diesem Punkt ziehen alle an einem Strang: beim TSV darf kein Platz für Rassismus und Ausländerhass sein«, so Maget. Das müsse wesentlicher Bestandteil einer solchen neuen Satzung sein. Die aktive Aufarbeitung des Geschehens im Verein während der Nazidiktatur lobte Dietrich Schulze-Marmeling vom Verlag die Werkstatt, der das Buch verlegt. »1860 ist ein besonderer und positiver Fall«, so der ausgewiesene Vereine-Kenner und selbst Verfasser vieler Clubbiographien. »Viele Vereine stehen solchen Buchkonzepten nach wie vor eher skeptisch bis ablehnend gegenüber – die Verantwortlichen des TSV 1860 sind ganz von selbst auf uns zugekommen. Dieser Verein ist ganz offensichtlich bereit, die eigene Geschichte aufzuarbeiten!«

Der Autor Anton Löffelmeier zeigte auf, dass dies nicht so einfach ist. Der TSV 1860 gelte laut Löffelmeier als ein Verein, »dessen Führung sich bereits vor 1933 in politischen Fragen ziemlich weit rechts positioniert« habe. Die Infiltrierung sei damals groß gewesen, so der Autor, bemerkenswert viele Mitglieder hätten sich früh nationalsozialistischen Gruppierungen angeschlossen. Eine Beobachtung, die auch ein Zeitzeuge aus dem Publikum bestätigen konnte – mit Erlebnisschilderungen von Pflicht-Aufmärschen am Oberwiesenfeld, SA-Saufgelagen und aktiver Unterwanderung ganzer Vereinsstrukturen und -abteilungen. »In dieser Zeit haben wir oft stramm marschieren müssen, statt Handball oder Fußball zu spielen«, so der ältere Herr. Löffelmeier betonte zwar, der Verein habe sich »in der Vergangenheit schwer getan mit dieser Aufarbeitung« – aber das aktuelle Engagement sei »toll«. Herbert Schröger von den »Löwen-Fans gegen Rechts« zeigte die Bedeutung aktiver Vergangenheitsbewältigung in der Gegenwart und Zukunft auf. »In den Fankurven sind nach wie vor solche Herrschaften anzutreffen, die auch bei der NPD auf Mahnwachen stehen«. Kein 1860-spezifisches Problem, sondern eine bisweilen unheilvolle Verquickung von Sport und politischen Ambitionen sei dies auch heute im Massensport Fußball, waren sich die Diskutanten einig. »Wir müssen diesen Menschen eine für sie ungemütliche Atmosphäre der Toleranz und des Miteinander entgegen stellen«, mahnte Stoffers. Der Verein will seine Vergangenheitsbewältigung aktiv fortsetzen – so soll im kommenden Jahr zum 150. Vereinsjubiläum eine Wanderausstellung an verschiedensten Orten der Stadt auch dieses dunkle Kapitel »beleuchten«.

Laut Schulze-Marmeling tut der Verein dies bereits vortrefflich. Während in vielen Vereinsbiographien beim Blick auf die Jahre 1933 bis 1945 die Metapher bemüht werde, »dann wurde es dunkel«, bemühen sich die 1860er aufrichtig, mit Fokus auf ihren Club Licht in dieses Dunkel zu bringen. Inhalt: Löffelmeiers Werk entstand in zweijährig akribischer Arbeit des Historikers und glänzt durch offenkundig exakt-intensive Quellenschürfungen, die der Autor in eine packende Zeitgeschichtslektüre verwandelte. Absolut lesenswert ist dieses 208 Seiten umfassende Werk mit vielen Fotoabbildungen, das einen historischen Bogen des Vereinslebens beim TSV 1860 von der Kaiserzeit bis zum Ende des zweiten Weltkriegs spannt. Das Buch ist im Verlag »Die Werkstatt« erschienen (19,90 Euro).

HH

Artikel vom 29.07.2009
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