Einweihung des Pater-Setzer-Platzes war alles andere als ein »Verwaltungsakt«

Unterschleißheim · Ein Tag zum Fühlen

Gute Wünsche für alle, die am neuen Pater-Setzer-Platz 1 ein- und ausgehen. Fotos: em

Gute Wünsche für alle, die am neuen Pater-Setzer-Platz 1 ein- und ausgehen. Fotos: em

Unterschleißheim · Eigentlich ist es ein einfacher Verwaltungsakt: Aus der Raiffeisenstraße 25 in Unterschleißheim wird der Pater-Setzer-Platz 1 – doch dafür ging es sehr emotional zu bei der offiziellen Einweihung des Platzes am vergangenen Freitag, 24. Juli. Denn die Adresse ist die des Sehbehinderten- und Blindenzentrums (SBZ), das bei dieser Gelegenheit nicht nur das Andenken von Pater Friedrich Setzer ehrte – den ehemaligen Leiter des Sehbehindertenzentrums Augsburg, der das SBZ aufgebaut hat – sondern auch seinen eigenen 25. »Geburtstag« feierte.

Nach vielen Reden, Grußworten und musikalischen Einlagen sowie der offiziellen Segnung und Widmung des Platzes feierten die eigentlichen Hauptpersonen, jetzige und ehemalige Schüler, Heimbewohner, Betreuer und Lehrer des SBZ, was sie und etliche Generationen vor ihnen erreicht haben in Sachen Lebensqualität. Dabei erinnerten sie auch an Meilensteine wie die Entwicklung der Blindenschrift durch einen vor 200 Jahren geborenen Rebellen namens Louis Braille.

Und ein bisschen was von seinem Geist atmen sie immer noch, die Zöglinge des SBZ. Das ist auch gut so, zeigt zum Beispiel die Geschichte von Yvonne Uhrig, die zur ersten Schülergeneration des SBZ gehörte, auch das Tagesheim und später das Internat besucht hat, weil sie auf einem Auge blind ist und auf dem anderen aufgrund einer Netzhautablösung nur 25 Prozent Sehkraft hat. Heute ist sie nicht nur eine erfolgreiche Erzieherin, sondern seit einem Jahr auch die Leiterin einer Kindertagesstätte mit Krippe und Kindergarten. Die SBZ-Gemeinschaft »wie in einer Familie« hat sie stark gemacht, das zu erreichen, sagt sie – denn: »Es war nicht leicht, du musst dich immer wieder beweisen mit dieser Behinderung. Ich musste immer über hundert Prozent geben.«

Zum Beispiel, um Arbeitgeber, Kollegen, aber auch Eltern davon zu überzeugen, dass sie in der Lage ist, ihrer Aufsichtspflicht ordentlich nachzukommen. »Ich laufe dafür halt viel öfter zu den Kindern hin, weil ich sie aus der Ferne nicht so detaillert erkennen kann« gibt sie ein Beispiel, wie sie vermeintliche Schwächen zu ihren Stärken macht. »Ich habe nach vorne geschaut«, fasst sie zusammen, wie sie mit ihrer »Behinderung« umgegangen ist – auch das habe sie im SBZ gelernt, wo sie im Unterricht, nicht dank kleiner Klassengröße, eine persönliche Förderung erlebt hat, die sie »jedem Kind wünschen« würde.

Die Erfahrungen Uhrigs seien typisch für viele Blinde und Sehbehinderte, sagt Alfred Bruha, Erzieher und am SBZ mittlerweile für die Berufswahlhilfe zuständig. »Wir machen keine Berufsberatung«, betont er, denn er will den Jugendlichen keine Entscheidungen abnehmen, sondern sie begleiten, Wege aufzeichnen. »Ich habe festgestellt, dass unsere Jugendlichen oft nur einen Schubs brauchen«, sagt er – und erläutert, dass auch hier wieder der starke persönliche Kontakt zwischen dem Personal auf der einen und den Kindern und Jugendlichen auf der anderen Seite das A und O ist: »Ich frage die Lehrer, wie der jeweilige Schüler kognitiv drauf ist, die Erzieher können mir viel über das Sozialverhalten sagen, und der Psychologe kann zum Beispiel den Grad der Selbstständigkeit gut einschätzen.«

Größtmögliche Selbstständigkeit – dieses Ziel steht für die betreuten Kinder und Jugendlichen am Ende der Zeit im SBZ. Schritt für Schritt erweitern zum Beispiel auch diejenigen, die im Internat wohnen, ihre allein zu bewältigende Lebenswelt. Mit »Mobilitätsscheinen« weisen sie nach, dass sie sich erst auf dem weitläufigen SBZ-Gelände selbstständig bewegen können, dann bis zum Einkaufszentrum, dann im ganzen Ort, und schließlich sogar in S-Bahn-Bereich. Im SBZ finden sie immer wieder ihr sicheres Nest – und proffessionelle Wegbegleiter, die ihnen sagen: »Im Vergleich zu anderen wirst du immer mehr als 100 Prozent geben müssen.« Aber nach einer intensiven Lern- und Orientierungszeit auch: »Du schaffst das.«

Eva Mäkler

Artikel vom 28.07.2009
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